Es kann fliegen!

Fliegergruppe Akaflieg schickt ihre jüngste Entwicklung in den Himmel

19.12.2014

Premiere nach neunzehn Jahren Entwicklungsarbeit und Bau: Am vergangenen Freitag hat die Akademische Fliegergruppe Darmstadt (Akaflieg Darmstadt) ihre jüngste Konstruktion D-43 auf dem August-Euler-Flugplatz zum Erstflug an den Start geschickt. Leonie Kilian, 1. Vorsitzende des Vereins, und Andreas Liebe, Projekt- und Flugerprobungsleiter D-43, sprechen über die neueste Konstruktion und die Leidenschaft für Flugzeugbau.

Die Akaflieg Darmstadt kann eine beeindruckende Reihe an gebauten Flugzeugen vorweisen. Was ist das Besondere an der jüngsten Entwicklung, der D-43?

Leonie Kilian: Die Idee war, ein eigenes Schulungsflugzeug zu bauen, weil unsere Gruppe bei Serienmodellen nicht das gefunden hat, was wir brauchten. Das Resultat ist eine Side-by-side-Konfiguration, bei der Lehrer und Schüler nebeneinander sitzen, was die Kommunikation verbessert. Wir haben Werkstoffe wie Kohlenstofffaser-, Aramidfaser- und Dyneema-Kunststoff-Verbund verbaut.

Andreas Liebe: Die tragenden Teile des Flugzeugs bestehen aus Kohlenstofffaser-Kunststoff-Verbund. Das Material ist leicht und fest und daher ideal für Leichtbaukonstruktionen. Aramid und Dyneema dienen der Sicherheit.

In der D-43 stecken ungefähr zwanzig Jahre Entwicklungsarbeit und zehn Jahre praktische Bautätigkeit – was waren die wichtigsten Herausforderungen auf dem Weg zum fertigen Flugzeug?

Liebe: Wir haben die Tragflächen selbst konstruiert und ausgelegt und uns dabei Gedanken um Konfiguration, Geometrie und Aerodynamik gemacht. Die aerodynamische Auslegung wurde von Professor Eppler aus Stuttgart vorgenommen. Nach dem Bau wurde die Belastbarkeit der Tragflächen getestet. Die Außengeometrie des Rumpfs haben wir vom Vorgängermodell übernommen und die Rumpfschale einem Crashtest wie bei einer Notlandung unterzogen, um die Auflagen des Luftfahrtbundesamtes zur Crashsicherheit zu erfüllen.

 

 

 

Außerdem mussten wir eigene Verfahren entwickeln, um die Haltbarkeit der Klebeverbindungen im Rumpfbereich zu prüfen. Alles, was hier gebaut wird, wird auch belastet und geprüft, damit es beim Flug hält. Durch die Side-by-side-Anordnung der Sitze konnten wir keine herkömmliche Haubenverriegelung und Steuerung verwenden. Das sind alles individuelle Konstruktionen. Darüber hinaus … die ganz normalen Probleme, die beim Flugzeugbau zu lösen sind …

Kilian: … wie zum Beispiel, dass Piloten aller Größen ins Cockpit passen müssen und dass die Instrumente gut sichtbar sind.

Werden die Akaflieg-Entwicklungen auch einmal zur Serienreife gelangen?

Kilian: Unsere Motivation ist die Forschung. Die endgültige Zulassung eines Flugzeugs ist da sekundär und bis zur Serienreife ist es auch danach noch ein Riesenschritt. Man muss sich auch um Aspekte kümmern, die noch ganz neu und nicht erforscht sind, sonst bleibt man stehen.

Wie ist die Akaflieg-Gruppe zusammengesetzt?

Kilian: Im Moment arbeiten hier ungefähr 30 Studierende aus verschiedenen Disziplinen miteinander: Maschinenbau, Physik, Werkstoffkunde, Mechanik, Elektrotechnik, Informatik, Mathematik – im Prinzip kann jeder mitmachen. Was man hier braucht, lernt man in dieser Form nicht im Studium.

Liebe: Wir leben hauptsächlich von den Erfahrungen aktiver und ehemaliger Mitglieder aus unserem Verein oder von anderen Akafliegs, die ihr Wissen weitergeben. Das ist eine richtige soziale Community. Unterstützung kommt auch von den Professoren, von der TU selbst, vom DLR, vom Luftfahrtbundesamt und vielen mehr.

Akademische Fliegergruppe Darmstadt e.V.

Die Akademische Fliegergruppe Darmstadt e.V. (kurz: Akaflieg Darmstadt) ist eine Gruppe von flugbegeisterten Studenten, die mit viel Eigeninitiative und innovativen Ideen Flugzeuge konstruiert und realisiert. Seit der Gründung des Vereins 1920 sind über vierzig Eigenkonstruktionen entstanden.

Die Mitglieder haben die Möglichkeit, den Segelflugschein zu erwerben und die Vereinsflugzeuge zu fliegen. Die Akaflieg Darmstadt ist Mitglied der Idaflieg, dem Zusammenschluss aller wissenschaftlich arbeitenden Akafliegs an deutschen Hochschulen.

Nächstes Ziel: Die Zulassung des Schulflugzeuges

Die Mitarbeit in der Akaflieg fordert viel Zeit und Engagement – was motiviert Studierende dazu? Was nimmt man aus der Vereinsarbeit mit?

Kilian: Es ist klasse, dass hier seit über 90 Jahren die Idee vom Fliegen gepflegt wird und dass Studierende eigenverantwortlich so große Projekte verwirklichen können. Man kann gar nicht anders, als hier die sogenannten Softskills zu lernen: in Teams zusammenarbeiten, andere anleiten, ständig in unterschiedlich zusammengesetzten Gruppen Projektarbeit leisten.

Liebe: Die Leidenschaft fürs Fliegen! Jeder dritte oder vierte hier hat schon einen Flugschein oder Flugerfahrung und möchte daran anknüpfen. Viele Leute kommen her, um am Projekt zu wachsen und Praxis für den Ingenieurberuf zu sammeln.

Kilian: … und das mit einfachsten Mitteln. Man lernt zu improvisieren. Bei den Belastungsversuchen der Tragflächen haben wir die im Flug auftretenden Kräfte zum Beispiel mit zwei Tonnen Sand simuliert, den wir in Säcken aufgelegt haben.

Liebe: Bei solchen Versuchen sind natürlich immer unabhängige Prüfer dabei. Die Behörden achten darauf, dass bei den Tests alles seine Richtigkeit hat. Außerdem ist unser Werkstattleiter ausgebildeter Leichtflugzeugbauer. Sicherheit steht für uns an oberster Stelle.

Wie geht es weiter in der Akaflieg Darmstadt?

Kilian: Wir arbeiten an der D-45. Hier werden wir wohl mehrere Herausforderungen und kleinere Projekte in einem Flugzeug bündeln.

Liebe: Und nach dem Erstflug wollen wir mit der D-43 in den nächsten Monaten so viel Erfahrung sammeln, dass wir die Zulassung für unser Schulungsflugzeug bekommen.