„Fingerabdrücke“ von Pflanzen bestimmen

TU-Forschungsprojekte zur geographischen Herkunft von Pflanzenölen

09.12.2022 von

Herkömmliche Kraftstoffe auf Erdölbasis tragen erheblich zum Klimawandel bei, da bei ihrer Verbrennung fossiles Kohlendioxid (CO 2 ) frei wird. Biokraftstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen, zum Beispiel aus Pflanzenölen, können hier Abhilfe schaffen. Als nachhaltige Energieträger sind sie jedoch nur sinnvoll, wenn ihre Ausgangsstoffe ökologisch verträglich angebaut werden und insbesondere keine Abholzung von Regenwäldern oder Trockenlegung von Mooren zur Bereitstellung der benötigten Anbauflächen stattfinden. Um dies sicherzustellen, ist ein Nachweis der genauen geographischen Herkunft nötig, der bislang noch nicht zur Verfügung steht. Forschende der TU Darmstadt haben nun einen Fingerabdruckansatz entwickelt, der zukünftig eine solche Bestimmung möglich machen soll.

Die Ausgangsprodukte von Biokraftstoffen sind biologischen Ursprungs, kommen also aus Land- oder Forstwirtschaft. Unterschieden werden Biodiesel, der aus Ölpflanzen wie Raps, Ölpalmen oder Soja hergestellt wird und Bioethanol, das aus zucker- oder stärkehaltigen Pflanzen durch Gärung produziert wird.

Biokraftstoffe werden heute den herkömmlichen Kraftstoffen beigemischt. Der Anteil der Beimischung kann dabei bis zu zehn Prozent betragen und lässt sich auch am Namen ablesen: Benzin E10 enthält beispielsweise bis zu zehn Prozent Bioethanol, Diesel B7 bis zu sieben Prozent Biodiesel. Die Verbrennung von Biokraftstoffen ist weniger klimaschädlich, weil Biokraftstoffe im Prinzip „CO2-neutral“ sind und nur das Kohlendioxid freisetzen, das die Pflanzen zuvor beim Wachstum gebunden haben. Allerdings tragen die Aufwendungen für einen landwirtschaftlichen Anbau (zum Beispiel Düngerherstellung), Aufbereitung und Transport in gewissem Umfang zur Emission fossiler Treibhausgase bei.

Der Einsatz von Biokraftstoffen ist nicht unumstritten, da die Anbaugebiete für ihre Ausgangsprodukte mit denen von Lebensmitteln um Ackerflächen konkurrieren. In Deutschland stehen zudem nicht genügend Flächen zur Verfügung, um für ausreichende Mengen an pflanzliche Ausgangsstoffen zu sorgen. Deshalb wird auf Importe aus Afrika, Asien und Südamerika zurückgegriffen. Hier besteht jedoch die Gefahr, dass ökologisch sensible Gebiete sowie CO2-Senken wie Regenwälder oder Moore in Ackerland umgewandelt werden. Dies würde sich drastisch auf die Ökosysteme vor Ort auswirken und hätte zur Folge, dass noch mehr und nicht weniger CO2 in die Atmosphäre freigesetzt würde.

Gefahr der Umgehung von Vorschriften

In den Anbauländern, beispielsweise Indonesien, dem weltgrößten Produzenten von Palmöl, bestehen in mehr oder weniger ausgeprägtem Umfang Schutzvorschriften für solche sensible Flächen. Weiterhin gibt es Zertifizierungsprozesse für „nachhaltig“ produzierte Anbauprodukte. Es besteht jedoch die Gefahr, dass entsprechende Vorschriften oder auch das Verfahren einer Zertifizierung in krimineller Weise umgangen werden. Um dies zu überprüfen, ist eine Bestimmung der Herkunft erforderlich, die genauer ist als eine grobe Zuordnung zu einer Weltregion oder einem flächenmäßig ausgedehnten Land.

Hier setzt das Forschungsprojekt „FindHerO“ an. „Zusätzlich zu institutionellen Kontrollen wie Zertifizierungssystemen sind analytische und statistische Nachweisverfahren notwendig, mit denen kontrolliert werden kann, ob Rohstoffpflanzen auf CO2-Senken angebaut wurden“, sagt Dr.-Ing. Kaori Sakaguchi-Söder vom Fachgebiet Bodenmineralogie und Bodenchemie am Institut für Angewandte Geowissenschaften (IAG) des Fachbereichs Material- und Geowissenschaften der TU Darmstadt.

Forscherinnen Stefanie Schmidt (links) und Lili Xia.
Forscherinnen Stefanie Schmidt (links) und Lili Xia.

Mit dem von ihr und der Doktorandin Lili Xia vom Fachgebiet Stoffstrommanagement und Ressourcenwirtschaft (SuR) des Fachbereichs Bau- und Umweltingenieurwissenschaften entwickelten Fingerabdruckansatz lässt sich Pflanzenöl hinsichtlich seiner geografischen Herkunft untersuchen. Die Forschenden gingen davon aus, dass sich Pflanzenölproben bestimmten Bodeneigenschaften und Klimafaktoren zuordnen lassen, die dann wiederum auf spezifische Regionen verweisen. Als Modellpflanzenöl wurden Rapssaaten aus Hessen verwendet, für das viele unterschiedliche Proben mit genauer Zuordnung der Lage und detaillierten Daten zu Boden und Klima verfügbar sind. Die Saat- und zugehörigen Bodenproben sowie geografische Informationen wurden vom Kooperationspartner Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen zur Verfügung gestellt.

Datenbank erstellt

Die Forschenden analysierten zusammen mit dem Laborteam des IAG zunächst sowohl die Rapsöl- als auch die Bodenproben auf ihre isotopische Zusammensetzung und vorhandene Spurenelemente – also auf Eigenschaften, die mit ihrem Standort in Zusammenhang stehen. Für die isotopische Analyse wurde von Xia eine Methode zur Probenvorbereitung entwickelt und publiziert, die eine schnelle und präzise Untersuchung ermöglicht. Die Ergebnisse fanden zusammen mit standortspezifischen Klimadaten wie Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Niederschlag der Probenorte Eingang in eine Datenbank. Mit Hilfe eines mathematischen Modells ließ sich daraus ein Zusammenhang zwischen den Ölproben und der Herkunft, also dem Ort des Anbaus, etablieren. Um das Modell zu evaluieren, werden nun unbekannte Rapsölproben aus Hessen und Mitteleuropa untersucht. Ziel soll sein, diesen Proben ihren Fingerabdruck, also die geografische Herkunft, erfolgreich zuzuordnen. Die Ergebnisse dazu werden Anfang kommenden Jahres erwartet.

Einige ortsspezifische Bodeneigenschaften können nicht nur im Labor, sondern auch aus dem Weltall bestimmt werden. Dies machten sich die Forschenden zunutze, um ihre Datenlage zu vergrößern. Gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen des Fachgebiets Fernerkundung und Bildanalyse (FuB) wurden im Rahmen des Projekts „IsoSens“ weitere ortsspezifische Eigenschaften erhoben und der „FindHerO“-Datenbank hinzugefügt. Das FuB-Team lieferte dabei mit Hilfe verschiedener Methoden der Bildverarbeitung Daten zur Landbedeckung und Bodenfeuchtigkeit in einer hohen räumlichen Auflösung. Diese wurden von den Forschenden des SuR in das bestehende mathematische Modell integriert und sorgten für eine weitere Eingrenzung der geografischen Herkunft. Beide Projekte, „FindHerO“ und „IsoSens“ werden durch die Fritz und Margot Faudi-Stiftung gefördert.

Dr.-Ing. Kaori Sakaguchi-Söder.
Dr.-Ing. Kaori Sakaguchi-Söder.

Interaktive Schnittmengenkarten

„Unsere Fingerabdruck-Methode liefert natürlich keine exakte Adresse“, ordnet Sakaguchi-Söder die Ergebnisse ein. „Aber wir können mit den Informationen aus der Datenbank interaktive Schnittmengenkarten erstellen und die geografische Herkunft eines unbekannten Öls eingrenzen.“ Doktorandin Xia ergänzt: „Beispielsweise können wir sagen, das Öl stammt von einem sandigen Boden aus einer niederschlagarmen Region.“ Mit solchen Informationen sind die Voraussetzungen gegeben, um anhand geographisch aufgelöster Informationen über Boden und Klima anzugeben, wie wahrscheinlich die Herkunft aus einem geschützten und für den Anbau nicht zugelassenem Gebiet ist.

Bis Öl- beziehungsweise Biodieselimporte aus aller Welt analysiert werden können, ist allerdings noch ein weiter Weg zu gehen: Für eine Zuordnung der geografischen Herkunft von Ölen oder Biodiesel wären dann ebenso wie bei dem Modellprojekt in Hessen eine Datenbank zu Bodeneigenschaften und klimatischen Faktoren der entsprechenden Regionen erforderlich. Darüber hinaus muss die Übertragbarkeit der an reinem Pflanzenöl gewonnenen Erkenntnisse auf die verarbeiteten Biokraftstoffe überprüft werden. Die Forschenden sind sich aber einig: Mit den vorliegenden Erkenntnissen zum Fingerabdruck von Pflanzenölen ist die Grundlage gelegt, diesen Weg weiterzugehen. Und genau das möchte die Forschungsgruppe tun.