Paula Doepfner »I heard the sound of a thunder, it roared out a warnin´«

22. März bis 29. Juni 2025   Im Rahmen des Kooperationsprojektes INTERIOR In Kooperation mit dem Centre for Cognitive Science und der Arbeitsgruppe Systems Neurophysiology des Fachbereichs Biologie

Mit »I heard the sound of a thunder, it roared out a warnin'« präsentiert das Kunstforum der TU Darmstadt eine Einzelausstellung von Paula Doepfner (*1980, Berlin). Ihre künstlerische Praxis ist multimedial und umfasst Zeichnungen, Objekte und Installationen, die oft aus Materialien wie Panzerglas, Eis und anderen organischen Substanzen bestehen. Die Ausstellung wird sowohl eine Reihe von Zeichnungen als auch eine größere Wandarbeit und Installationen zeigen, von denen einige erstmals der Öffentlichkeit präsentiert werden.

Ihre filigranen Zeichnungen aus kleinsten Buchstaben erinnern an neuronale Netzwerke und Areale des menschlichen Gehirns. Sie basieren in der Tat auf Skizzen, die sie während Hirnoperationen und Obduktionen an der Charité Berlin als Zuschauerin anfertigt. So fein und schwebend diese filigranen Zeichnungen erscheinen, so schwer kann die textliche Basis sein.

Zerstörung und Gewalt sind auch der Ursprung ihrer skulpturalen Arbeiten aus Glas. So ist der kurze Moment des Steinschlags in den zersprungenen, zersplitterten Panzerglasscheiben von Banken und Luxusimmobilien, die sie verwendet, noch immanent – er wird jedoch durch Farbpigmente ergänzt und erhält dadurch eine weitere Dimension.

In ihren Arbeiten setzt sich Paula Doepfner mit existenziellen Themen und menschlichem Leid auseinander. So verwendet sie unter anderem Texte von Paul Celan, von der kanadischen Dichterin Anne Carson und der surrealistischen Autorin Joyce Mansour. Sie verbindet die Texte mit Passagen aus dem sogenannten Istanbul-Protokoll, einem Handbuch für die Untersuchung und Dokumentation von Folter.

Stimmen

Paula Doepfner, geboren 1980 in Berlin, studierte von 2002 bis 2008 Freie Kunst an der Universität der Künste Berlin und am Chelsea College of Art and Design London. In London studierte sie bei Roger Ackling. In Berlin schloss sie ihr Studium als Meisterschülerin von Rebecca Horn ab. Sie erhielt zahlreiche Stipendien und Preise, darunter der Hans-Platschek-Preis (2024), das Arbeitsstipendium der Krull Stiftung (2023), das EHF-Stipendium der Konrad-Adenauer-Stiftung (2021/22), das Arbeitsstipendium der Albert Koechlin Stiftung Luzern (2010) und das Elsa-Neumann-Stipendium des Landes Berlin (2008).

Sie hatte institutionelle Einzelausstellungen im In- und Ausland wie im Kupferstich-Kabinett Dresden (2023), in der Akademie Konrad-Adenauer-Stiftung (2022) und dem Goethe-Institut, Washington, DC (2015). Ihre Arbeiten waren Teil von Gruppenausstellungen u.a. in folgenden Institutionen: Berliner Medizinhistorisches Museum der Charité (2023), Museum Reinickendorf in Berlin (2022), Kunstforum der TU Darmstadt (2017) und Linden Centre for Contemporary Art, Melbourne (2013). Arbeiten von ihr finden sich in öffentlichen und privaten Sammlungen wie dem Kupferstichkabinett Berlin, der Deutschen Nationalbibliothek Leipzig und den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Paula Doepfner lebt und arbeitet in Berlin.

Dr. Patrick Honecker,
Chief Communication Officer der TU Darmstadt

Kunst ist ein Reflexionsraum und unsere Zeit braucht meines Erachtens dringend mehr solcher Reflexionsräume für unsere Themen. Jetzt, wo die üblichen Diskurssräume wie Zeitungen, Social Media etc. mehr und mehr zu einseitiger Berichterstattung zum Teil brachial verengt werden, Zeiten zunehmend abgegrenzte Kommunikationsbubbles bilden, wo Menschen häufig nur noch unter der Prämisse zusammenkommen, dass die eigene Meinung unbedingt bestätigt wird. In solchen Zeiten braucht es ungewöhnliche und übergreifenden Räume des Austauschs und des Perspektivwechsels, die vor allem durch die Kunst angestoßen werden können. Kunst überwindet Schranken, die durch unsere Fixiertheit auf die vermeintliche Überlegenheit von subjektiven Wissen aufgebaut ist. Sie berührt uns im besten Sinne, lässt den dauernd malmenden Intellekt erst einmal links liegen, springt direkt in unsere Seele. Und diese emotionale Ergriffenheit löst Blockaden und schafft völlig neue Zugänge.

Bild: Katrin Binner

Dr. Julia Cloot,
Künstlerische Leiterin Kulturfonds Frankfurt RheinMain

Der Kulturfonds hat das Kunstforum schon einige Male gefördert, im Rahmen der Darmstädter Tage der Fotografie zum Beispiel oder zuletzt mit der großartigen und umfassenden Ausstellung zu der Fotografin Milli Bau, die ähnlich wie die heute zu bestaunende Schau eine ganz besondere kuratorische Handschrift hatte, oder besser gesagt: eine glückliche Hand. Wenn ich mir Paula Doepfners Arbeiten anschaue, muss ich an eine Liedzeile eines anderen bedeutenden Liedermachers denken, Leonard Cohen: »There is a crack, a crack in everything, that’s how the light gets in.« Die Risse und Linien, die sich auf Paula Doepfners unfassbar filigranen Zeichnungen verästeln wie Sprünge im Eis oder im Glas, die feinen Spalten, die materialunabhängig in verschiedenen zeichnerischen oder skulpturalen Arbeiten entstehen, lassen einen unwillkürlich ein feines Knacken oder Knistern hören oder geradezu körperlich spüren.

Bild: Torsten Bruns

Rahmenprogramm

Über das Kooperationsprojekt INTERIOR

INTERIOR wurde initiiert von Dr. Beate Kemfert, Vorstand der Kunst- und Kulturstiftung Opelvillen Rüsselsheim. Die denkmalgeschützten Opelvillen wurden als Wohnhäuser gebaut und werden seit 2003 als Ausstellungsort genutzt. Gemein ist allen sechs INTERIOR-Partnerinstitutionen, dass sie ihren Platz in Gebäuden gefunden haben, die ursprünglich für andere Zwecke und nicht für eine kulturelle Nutzung errichtet worden sind. Diese Bauten besitzen eine wechselvolle Geschichte, die mit der Umwandlung zu einem Museum oder Ausstellungsort in Vergessenheit geraten ist. Waren die Rüsselsheimer Opelvillen, das Bad Homburger Museum Sinclair-Haus, der Nassauische Kunstverein Wiesbaden und das Frankfurter MGGU einst Privathäuser, nutzt das Kunsthaus Wiesbaden Räumlichkeiten einer Schule und das Kunstforum Darmstadt die Maschinenhalle einer Hochschule zur Ausstellung zeitgenössischer Kunst.

Im Zuge von INTERIOR halten die kooperierenden Kultureinrichtungen in einem Ausstellungsreigen ab Herbst 2024 bis Frühjahr 2025 die eigene Geschichte lebendig. Darüber hinaus wird neben der Ausstellungsreihe eine Online-Präsenz entwickelt, bei der in sogenannten »Story-Guides« der Wandel der jeweiligen Häuser von ihrer ursprünglichen Nutzung bis heute dargestellt wird.