Mehr Berufsorientierung für junge Frauen

Auch im Jubiläumsjahr bleibt das Merck-TU Darmstadt-Juniorlab innovativ

05.12.2018 von

Seit zehn Jahren besteht das Merck-TU Darmstadt-Juniorlabor. Mehr als 28.000 Schülerinnen und Schüler von der dritten Grundschulklasse bis zur Oberstufe haben seither in den Räumen auf dem Campus Lichtwiese chemische Experimente erleben und ihr naturwissenschaftliches Wissen vertiefen können. Künftig tritt das Schülerlabor noch profilierter auf – und rückt auch die Berufsorientierung junger Frauen mit Migrationshintergrund mehr in den Blick.

Professor Markus Prechtl und Andrea-Katharina Schmidt im Merck-TU Darmstadt-Juniorlabor. Bild: Katrin Binner

Nach mehreren Stunden mit Formeln und Übungen zu Übergangsmetallen, Ligandenaustauschreaktionen und Gleichgewichtskonstanten kommt kurz vor Mittag die ersehnte Belohnung: In weißen Kitteln verquirlen zwei Oberstufenschüler der Justus-Liebig-Schule mit Mixer und Holzlöffel schwungvoll Schlagsahne und Waldbeeren zu einem rosafarbenem Brei und werden dabei von den Klassenkameradinnen und -kameraden angefeuert. Andrea-Katharina Schmidt, Leiterin des Merck-TU Darmstadt-Juniorlabors, leistet anschließend Hilfestellung. Sie gießt flüssigen Stickstoff in den großen Topf, über dessen Rand weiße Nebelschwaden wie in einer Hexenküche wabern. Der eisigkalte Stickstoff lässt den Beeren-Sahne-Mix innerhalb von Sekunden gefrieren. Voilà, fertig ist das Früchteeis. So macht Chemie Spaß und das Eis à la Juniorlab schmeckt sogar erstaunlich gut.

Der Leistungskurs Chemie des Darmstädter Gymnasiums war schon mehrfach zu Besuch im Juniorlabor, das die TU und der Pharma- und Chemiekonzern Merck seit 2008 gemeinsam betreiben. Das Lehr- und Lernlabor für Schulklassen, Lehrende und Studierende offeriert auf über 200 Quadratmetern Fläche insgesamt 32 Experimentierplätze und über 30 Themen für Tageskurse, Experimentalvorlesungen, Ferienkurse oder Fortbildungen.

„Technisch und fachlich bieten sich hier Möglichkeiten, die wir im Schulunterricht nicht haben“, sagt Chemie-Lehrerin Maria Devant. „Das ist auch für mich als Lehrerin eine gute Ergänzung.“ Der Besuch wirkt sich motivierend auf den Unterricht aus, hat sie festgestellt, und für die Schüler und Schülerinnen hat der Aufenthalt an der Universität seinen eigenen Reiz. Die 18-jährige Lara und ihre Freundin Lea, zwei der jungen Frauen aus dem Leistungskurs Chemie, begeistern sich vor allem für die aufwendigen Experimente und professionellen Instrumente. „Das ist schon anders als in der Schule“, sagt auch Simon. Vor dem Eis-Experiment haben sie Glasflaschen mit einer Silberschicht überzogen. „Das war ziemlich cool“, findet Lea. Selbst der dritte Besuch im Juniorlab bleibt für die Klasse daher spannend.

„Die Arbeit ist extrem vielfältig“, sagt auch Andrea-Katharina Schmidt noch nach über vier Jahren als Leiterin des Juniorlabors. „Kein Tag mit den Klassen ist wie der andere.“ Schmidt, die in organischer Chemie promoviert wurde, macht die didaktische Arbeit Freude, egal ob Grundschulkinder vor ihr sitzen, Jugendliche eines Leistungskurses oder Lehrkräfte. „Es macht Spaß, sein Wissen weiterzugeben.“ Die Nachfrage nach dem Angebot des Juniorlab ist seit zehn Jahren ungebrochen. Über 28.000 junge Menschen haben seither den Lernort besucht. Zumeist sind es Schulen aus Südhessen, aber auch aus dem weiteren Umkreis wie Marburg oder Kassel sind schon Klassen angereist. „Für 2019 haben sich sogar amerikanische Austauschschüler bei uns angemeldet“, berichtet Schmidt.

Für Professor Klaus Griesar, Leiter der Abteilung „Science Relations“ beim Pharma- und Life Sciences-Unternehmen Merck, ist das Juniorlabor deshalb längst schon kein Projekt mehr, „sondern eine Institution“. Und auch TU-Vizepräsident Professor Ralph Bruder lobte bei der Jubiläumsfeier die Verzahnung von Universität und Merck als einen Gewinn für alle Beteiligten.

Neue fächerübergreifende Experimente

Die bunte Welt der Chemie im Merck-TU Darmstadt-Juniorlabor. Bild: Katrin Binner
Die bunte Welt der Chemie im Merck-TU Darmstadt-Juniorlabor. Bild: Katrin Binner

Die meisten Besucherinnen und Besucher kommen mehrfach „und das ist gut. Ich bin jedes Mal erstaunt, wie viel doch in den Köpfen hängen bleibt“, sagt Laborleiterin Schmidt. Die Anmeldungen sind auf zwei Termine pro Halbjahr begrenzt, damit möglichst viele Schulen von einem Besuch im Juniorlab profitieren können. Die Besucher wählen die Themen aus dem Programm aus, das das Laborteam zusammenstellt. Auf Wunsch reagiert Andrea-Katharina Schmidt jedoch auch auf Vorschläge der Schulen und denkt sich neue Versuche aus. Die Themen reichen von Farbstoffen und Pigmenten über Synthese und Wirkung von Arzneimitteln bis hin zu Einfacher Reaktionskinetik oder Organischen Leuchtdioden. Neu sind fächerübergreifende Angebote in Chemie und Biologie.

Eine weitere Neuerung ist die enge Zusammenarbeit mit der neu eingerichteten Professur für die Ausbildung von Chemielehrerinnen und -lehrern an der TU Darmstadt. Seit 2017 hat Professor Markus Prechtl die Professur für Fachdidaktik Chemie inne. Die Kooperation mit dem Juniorlab wird sich nicht nur in Examensarbeiten der Lehramtsstudierenden niederschlagen, sondern auch in den vielen Ideen und Plänen, die Markus Prechtl und Andrea-Katharina Schmidt bereits schmieden. Der Professor, dessen Schwerpunkt auf Genderstudien liegt, möchte im Juniorlab mehr für die Berufsorientierung junger Frauen, vor allem für Frauen mit Migrationshintergrund tun. Helfen soll dabei DiSenSu, ein Verbundprojekt der TU Darmstadt mit der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg, das für Diversity Sensitive Support steht. Es hilft Schülerinnen mit Migrationshintergrund durch Expertengespräche und Coaching zu erkennen, ob ein naturwissenschaftlicher Beruf zu ihnen passt. Eine solche Beratung soll künftig im Juniorlabor stattfinden.

Prechtl will die Profilschärfung des Labors unterstützen. So könnten Themen aus der angewandten Chemie, aus Gesundheit, Medikamenten- und Wirkstoffsynthese verstärkt angeboten werden. „Auch die Digitalisierung wird ein wichtiges Thema werden“, sagt er und Labor-Leiterin Schmidt ergänzt, dass das erste digitale Messwert-Erfassungsgerät bereits erworben und demnächst eingesetzt werden soll. Eine größere Rolle sollen ebenso neue wissenschaftliche Forschungsergebnisse aus dem Bereich neuer Energien und Nachhaltigkeit spielen – etwa wenn es um Seltene Erden geht und chemische Legierungen in Permanentmagneten. „Die Forschung 1:1 im Juniorlab darzustellen ist sicherlich zu schwierig, aber wir können diese für die Schulen pädagogisch aufbereiten und transformieren“, so Prechtl. Zusammen mit seinen Studierenden will der Chemiedidaktiker verstärkt auch Unterrichtsmaterialien zur Vor- und Nachbereitung eines Juniorlab-Besuches erstellen – „um die Wirksamkeit des Schülerlabors zu stärken“, sagt er.