TV-Dystopie auf dem Lehrplan

Studierende diskutieren im Philosophie-Seminar Episoden der Serie „Black Mirror“

11.01.2019

In der Anthologie-Serie „Black Mirror“ wird ein düsteres Bild der aktuellen und zukünftigen Gesellschaft gezeichnet. Dabei behandelt die Serie Grundfragen der Technikphilosophie, der Geist-Körper-Problematik oder der Ethik – guter Stoff für die Lehre.

Die Serie „Black Mirror“ wirft Fragen auf, die neueste technologische Entwicklungen mit sich bringen. Bild: Patrick Bal
Die Serie „Black Mirror“ wirft Fragen auf, die neueste technologische Entwicklungen mit sich bringen. Bild: Patrick Bal

Im Philosophie-Seminar „Black Mirror – Gedankenexperimente zu neuen Technologien“ diskutieren Studierende anhand einzelner Serien-Episoden die Themen – ein außergewöhnliches Lehrkonzept. Seminarleiterin Professorin Sophie Loidolt erzählt im Interview vom philosophischen Potential der Serie und wie sie es nutzt.

TU Darmstadt: Warum eignet sich die Serie „Black Mirror“ als Lehrmaterial für ein Philosophie-Seminar?

Prof. Sophie Loidolt: „Black Mirror“ wirft auf kluge und manchmal provozierende Weise Fragen auf, mit denen wir durch die neuesten technologischen Entwicklungen konfrontiert sind, von „augmented reality“ über die Möglichkeiten sozialer Medien bis zum sogenannten „mind-upload“. Auch wenn vieles davon Science Fiction und Dystopie ist: Diese Themen fordern uns auf gesellschaftspolitischer, ethischer und philosophischer Ebene heraus.

Im Seminar geht es darum, diese Themen zusammen mit klassischen und aktuellen philosophischen Texten aufzugreifen, in Verbindung zu setzen und durchzudiskutieren. Das macht viel Spaß.

Denn vieles wurde schon von den guten alten Philosophen diskutiert: John Locke machte sich Gedanken über personale Identität, wenn Körper und Geist auseinandergeraten, René Descartes bekanntlich über Realitätswahrnehmung und die fundamentale Möglichkeit, getäuscht zu werden.

Gerade die populärkulturellen Phantasien des virtuellen Zeitalters zeigen, wie sehr wir in Bezug auf das Verhältnis von Geist und Körper noch immer „Cartesianer“ sind: nämlich Substanzdualisten. Aber auch aktuellere Philosophen wie Michel Foucault haben mit ihren Analysen gegenwärtige Tendenzen der Kontroll- und Transparenzgesellschaft genau vorhergesehen. Nicht zuletzt ist die Auseinandersetzung mit der Geistesgeschichte auch entscheidend für das Verständnis der Gegenwart und Zukunft.

Prof. Sophie Loidolt. Bild: privat
Prof. Sophie Loidolt. Bild: privat

Wie ist das Seminar aufgebaut? Wie läuft es ab?

Thematisch ist das Seminar in drei Blöcke aufgeteilt: (1) Bewusstsein, personale Identität, Tod, (2) Spektakelpolitik, Kontrollgesellschaft, Dehumanisierung und (3) Privatheit, Kontrolle, Strafe. Daran kann man die Breite der Themen gut ablesen. Da werden komplexe Theorien aus der Philosophie des Geistes mit der Frage „Was ist eigentlich Bewusstsein?“ angesprochen, ebenso wie Analysen der „Spektakelgesellschaft“ oder die Frage, ob ich meinen virtuell geklonten Avatar für mich arbeiten lassen darf.

Das Seminar läuft so ab: Wir gehen eine Stunde lang einen oder mehrere Texte durch, die im Vorfeld zu lesen waren. Dann sehen wir uns gemeinsam die jeweilige Episode an. Black Mirror eignet sich deshalb so gut, weil jede Episode eine kompakte, geschlossene Geschichte ist. In der dritten Stunde diskutieren wir dann das Gesehene zusammen mit dem theoretischen Input. Manchmal komme ich kaum damit nach, die erhobenen Hände in eine Sprecher*innenreihenfolge zu bringen. Den Studierenden geht es nicht anders als mir: Die filmische Erzählweise stimuliert die Gedanken und enthält oft noch viele andere Aspekte, die wir gemeinsam reflektieren. Insofern ist es eine wunderbare Konkretisierung oft abstrakter Theorien.

Zu Ihrem Seminar laden Sie auch Gäste ein, die eine Einheit gestalten. Wer war zum Beispiel da?

Gastprofessor Sebastian Lederle von der Hochschule für Gestaltung in Offenbach diskutierte Phänomene der Postdemokratie mit uns, inklusive Videoclips von Wahlwerbungen. Dan Zahavi, Philosophie-Professor in Kopenhagen und Oxford und ebenfalls ein großer Fan von „Black Mirror“, analysierte die psychologischen Mechanismen der Dehumanisierung mit uns, am Beispiel einer Episode, die Wahrnehmungsmanipulation an Soldatinnen und Soldaten zum Thema machte.

Planen Sie weitere solche Seminarkonzepte?

Film und Philosophie sind eine großartige Kombination. Aber es muss schon alles zusammenpassen, damit es klappt. Wenn das wieder einmal der Fall ist, greife ich es sicher wieder auf.

Die Fragen stellte Bettina Bastian