Norwegisch-Unterricht ganz authentisch

Dozentin Jana Ufermann unterrichtet ihre TU-Studierenden von den Lofoten aus

03.05.2023 von

Corona hat die Lehre verändert, und Online-Unterricht gehört heute zum Alltag. Jana Ufermann ist Lehrbeauftragte für Norwegisch am Sprachenzentrum der TU Darmstadt und gibt ihre Kurse aus fast 3.000 Kilometern Entfernung.

Unterricht aus der Ferne: Jana Ufermann in Norwegen

Das Licht ist erst vor kurzem zurückgekehrt. Nach wochenlanger Dunkelheit erhellen die ersten Sonnenstrahlen wieder den Himmel über Jana Ufermanns Haus in Stamsund, einem kleinen Ort an den südlichen, ausgefransten Rändern der Lofoten Inseln. Mørketid – Dunkelzeit – nennen die Norweger diese Zeit, wenn sich im Winter die Sonne zurückzieht und auch am Tag Nacht herrscht. „Seit Anfang Januar geht es mit dem Licht wieder aufwärts“, erzählt Ufermann. Bald wird die 38-jährige Deutsche von ihrem Fenster aus wieder das nahe Nordmeer sehen können, die für Nordnorwegen typische Moorlandschaft und die Berge am Horizont. Ein Ausblick, den sie jeden Tag aufs Neue genießt.

Mehr als 2.800 Kilometer liegen zwischen dem Campus der TU Darmstadt und dem Schreibtisch auf den Lofoten, an dem Ufermann nunmehr seit 2021 den Laptop aufklappt, um ihre Lernenden per Zoom zu unterrichten. Seit dem Sommersemester 2019 unterrichtet sie am Sprachenzentrum der TU – als einzige Norwegisch-Lehrerin der Universität. Aktuell gibt sie zwei Fortgeschrittenen-Kurse mit jeweils rund 20 Studierenden, die die Sprache meist lernen, weil sie ein Auslandssemester in Norwegen verbringen wollen. Für den nächsten Anfängerkurs ist die Warteliste bereits lang. Ufermann lehrt dabei Bokmål, die weit verbreitete offizielle Sprachvariante in Norwegen neben Nynorsk. Insgesamt gibt es Hunderte Dialekte in den Landesteilen.

Gute Online-Lösung

Bis zum Beginn der Pandemie war Präsenzunterricht die Regel. Bis Mitte Februar 2020 saß die Dozentin ihren Studierenden noch persönlich gegenüber, lehrte Grammatik, norwegische Eigenheiten oder übte mit ihnen Konversation. Dann kam die Corona-Pandemie, und die Lehre wurde ins Netz verlegt. „Die TU hat sehr schnell eine gute Online-Lösung gefunden“, findet Ufermann. Auch gemeinsam mit ihren Kollegen:innen vom Sprachenzentrum suchte sie nach neuen Konzepten, Unterrichtsformen, Lehr- und Prüfungsstandards.

Der Wechsel zum digitalen Unterricht war für Ufermann selbst nicht schwierig. Einen Teil ihrer Norwegisch-Lernenden hatte die gebürtige Thüringerin ohnehin schon per Skype oder Videotools unterrichtet. Ufermann arbeitet bereits viele Jahre für die Volkshochschule im Rhein-Main-Gebiet, für Spracheninstitute oder gibt Privatunterricht. Online-Lehre war nichts Neues. Dennoch ist der interaktive Universitätsunterricht eine didaktische Herausforderung. Statt im Kursraum von Studierender zu Studierendem zu gehen, muss sich Ufermann beim Umstieg auf das digitale Lernen neue Methoden überlegen. So ergänzt sie etwa den Unterricht mit separaten „Breakout-Räumen“ für Gruppenarbeiten, versucht die Studierenden mit Sprachspielen, Fotos, Hörübungen oder Gesprächen untereinander zu motivieren und ihre Aufmerksamkeit zu fesseln.

Das Sprachenzentrum der TU

Das Sprachenzentrum (SPZ) ist eine zentrale Einrichtung an der TU Darmstadt, die neben Sprachenkursen auch weitere Dienstleistungen für Studierende, Forschende und Mitarbeitende der TU anbietet. Die Kurse sind in Studiengänge eingebunden oder können freiwillig zum Erwerb einer Zusatzqualifikation besucht werden.

Das SPZ ist für das Zertifikatssystem UNIcert akkreditiert und bietet Sprachprüfungen wie den Test TOEIC an, die für einen Auslandsaufenthalt an einer Partneruniversität oder ein Praktikum benötigt werden. Aktuell werden 22 Fremd- und Herkunftssprachen angeboten – von Arabisch bis Vietnamesisch.

Weitere Angebote zur Förderung sprachlicher, interkultureller und digitaler Kompetenzen bieten als Teile des Sprachenzentrums das SchreibCenter, das Herkunftssprachenzentrum, das Zentrum für interkulturelle Kompetenz und das im Oktober 2022 neu gegründete Zentrum für digitales Sprachenlernen.

Alle Infos zum SPZ

Mündliche Konversation im Fokus

Wer heute in ihren Online-Unterrichtsraum kommt, wird mit einer Norwegen-Flagge und dem Bild einer Fjordlandschaft im Hintergrund begrüßt. In ihren Kursen legt sie den Fokus auf mündliche Konversation. Das Leben auf den Lofoten ist vor allem in den Fortgeschrittenen-Kursen der TU-Studierenden Bestandteil des Unterrichtes. Live können ihre Studierenden miterleben, wie während der Mørketid das Licht mit jeder Woche schwindet. Aus persönlichen Schilderungen erfahren sie authentisch, wie sich der Alltag im Norden gestaltet, was die norwegische Gesellschaft prägt, wie Verwaltung oder Gesundheitswesen funktionieren, ob es gerade schneit oder wie der letzte Angelausflug war.

Die Liebe zu Skandinavien entdeckte die 38-Jährige während Familienurlauben in Dänemark. An der Frankfurter Goethe-Universität begann sie ein Studium in Nordischer Literatur, wechselte aber schon früh ins Auslandssemester: „Ich wollte unbedingt Norwegisch in Norwegen lernen.“ Mit dem Wechsel an die Uni Bergen kam die junge Studentin zum ersten Mal überhaupt in das Land.

Respekt vor den Naturgewalten

Ufermann blieb im Norden und machte 2006 dort ihren Abschluss. Eigentlich hatte sie sich eine spätere Arbeit im Verlagswesen vorgestellt, doch es kam anders. Als sie einer Freundin in Tromsø beim Umzug nach Oslo helfen wollte, lernte sie auf der Abschiedsparty deren Ex-Arbeitgeber kennen, der ihr die vakante Stelle anbot. „Plötzlich hatte ich einen Job und eine Wohnung in Tromsø.“ Im Winter zeigte sie fortan Touristen die Schönheit der Polarlichter und im Sommer die spektakuläre Natur nördlich des Polarkreises, bevor sie 2008 zurück ins Rhein-Main-Gebiet zog, um als Sprachlehrerin zu arbeiten.

Dass sie einmal auf den Lofoten leben würde, war keineswegs ausgemacht. Es war kein bewusster Abschied von der Stadt oder Zivilisationsflucht. Sie mag die Weite, das Zusammenspiel von Himmel, Meer und Bergen – ohne jedoch Naturromantikerin zu sein. Ihre Erfahrung im hohen Norden haben sie Respekt vor den Naturgewalten gelehrt. Auf die Inselgruppe südlich des Polarkreises hat sie eher der Zufall verschlagen oder vielmehr die Suche nach einer Arbeitsstelle, die ihr Lebensgefährte – ein leidenschaftlicher Angler – als Controller in der Fischindustrie fand.

Das war kurz vor Ausbruch der Pandemie. Corona, sagt Ufermann, hatte viele Nachteile, für sie war es aber eine Chance: „Man hat erlebt, dass Online-Unterricht eine gute Alternative sein kann.“ Und so kann sie in Abstimmung mit der TU heute ihre Kurse aus der Ferne geben. Bei Besuchen in Deutschland kommt sie jedoch regelmäßig zu Treffen an die Universität. Ihre Studierenden halten ihr digital die Treue. Sie wollen den Kurs fortsetzen und einige kommen auch nach dem Auslandssemester in Norwegen wieder zurück in ihren Unterricht.

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