Große Moleküle in lebende Zellen transportiert
„Nature“-Veröffentlichung mit Beteiligung der TU Darmstadt
21.04.2021
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der TU Darmstadt und des Leibniz-Forschungsinstituts für Molekulare Pharmakologie (FMP) in Berlin haben untersucht, wie große funktionale Biomoleküle wie Proteine oder Antikörper in eine Körperzelle gebracht werden können. Die Verknüpfung mit zellpenetrierenden Peptiden ist ein vielversprechender Weg – hat bislang jedoch noch nicht durchweg zu den erhofften Ergebnissen geführt. Befestigt man diese Peptide zusätzlich an der Zelloberfläche, klappt es mit dem Transport ins Zellinnere um vieles besser. Die bahnbrechenden Ergebnisse wurden im Fachmagazin „Nature Chemistry“ veröffentlicht.
Unser Zellinneres ist aus gutem Grund durch eine Zellmembran vor unerwünschten Besuchern geschützt. Aus pharmakologischer Sicht ist dieser Schutz jedoch ein lästiges Hindernis, da große Proteine oder Antikörper nur schwer bis gar nicht ins sogenannte Zytoplasma gelangen. Die meisten Medikamente umgehen diese Barriere, indem sie an der Zelloberfläche ansetzen. Wirkstoffe zellgängig zu machen, bleibt indes eine der drängenden Fragen für die biomedizinische Forschung und die Pharmaindustrie.
Schon seit mehr als zwei Jahrzehnten wird an zellpenetrierenden Peptiden geforscht. Dabei wird etwa ein Protein oder ein Antikörper mit einem chemischen oder biochemischen „Tag“ verknüpft, der das Eindringen in die Zelle erleichtern soll. Doch trotz weltweiter Bemühungen scheitern viele dieser Ansätze, wenn es um den Transport von solch großen Biomolekülen geht.
Doppelte Manipulation verbessert den Transport erheblich
Nun ist dem Forscherteam aus Darmstadt und Berlin ein entscheidender Schritt gelungen, sogar große Moleküle ins Zellinnere zu bringen. Der Trick: Die Forschenden verknüpfen nicht nur diese Moleküle mit den zellpenetrierenden Peptiden, sondern auch die Zelloberfläche. Wie Experimente an lebenden Zellen zeigten, wird dadurch die intrazelluläre Aufnahme von funktionalen Proteinen und Antikörpern erheblich verbessert. Die Ergebnisse wurden im Fachmagazin „Nature Chemistry“ veröffentlicht.
„Diese Publikation ist das jüngste Ergebnis eines gemeinsamen Förderantrags im DFG-Schwerpunktprogramm 1623 (Chemoselektive Reaktionen für die Synthese und Anwendung funktionaler Proteine) mit dem Ziel, neuartige Funktionalisierungsansätze von Proteinen und Antikörpern zu entwickeln, um sie zellpermeabel zu machen, sagt von der Arbeitsgruppe Professorin Dr. M. Cristina Cardoso am Fachbereich Biologie der TU Darmstadt. „Dies ist nicht nur für die biologische Forschung von großer Relevanz, sondern öffnet auch die Türen für das therapeutische Targeting intrazellulärer Komponenten, das bisher zum größten Teil auf kleine Moleküle mit selbstpermeablen Eigenschaften beschränkt war. Unsere Forschungsgruppe hat zum Konzept und den biologischen Anwendungen sowie zur Analyse der Zellpermeation und Lebensfähigkeit beigetragen." Cell biology and epigenetics
Tür zu neuen pharmakologischen Interventionen aufgestoßen
Ganz entscheidend für diesen Erfolg ist, dass mit dem neuen Verfahren nur rund ein Zehntel der bisher verwendeten Substanz-Konzentrationen benötigt wird. Das vereinfacht die Methode deutlich und macht sie robuster und vielseitiger.
Die Anwendungsmöglichkeiten des zellulären Molekültransports sind breit. Mit aktiven zellpermeablen Proteinen oder Antikörpern können etwa Signalwege in einer Krebszelle gezielt beeinflusst oder krebstreibende Gen-Mutationen ausgeschaltet werden. Denkbar ist auch der Ersatz eines fehlenden Enzyms zum Beispiel bei einer Erbkrankheit – bis hin zum Gene-Editing, also der genetischen Manipulation von Zellen durch bereits fertige Proteine, die man zudem mit weiteren Eigenschaften ausstatten kann.
Leibniz-FMP/cst