Gleichstellung im Wandel der Zeit: Vom Labor auf die Bühne
Forschungsverbünde der TU organisieren gemeinsame Gleichstellungsveranstaltung
07.11.2024
Wie verlief das Leben der drei herausragenden Forscherinnen Marie Curie, Lise Meitner und Hedy Lamarr in einer männerdominierten Welt Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts? Mit welcher offen entgegengebrachten Ablehnung und welchem Zweifel waren sie konfrontiert und wie schafften sie es, sich dagegen zu behaupten? Antworten gab ein Theaterstück, das am 30. Oktober 2024 an der TU Darmstadt aufgeführt wurde.

Strahlung, Kernspaltung und Frequenzsprünge. Drei Pionierinnen stehen im Stück exemplarisch für die Errungenschaften von Frauen im technisch-naturwissenschaftlichen Bereich: Die zweifache Nobelpreisträgerin und Entdeckerin der Radioaktivität Marie Skłodowska Curie (1867–1934), die österreichische Atomphysikerin Lise Meitner (1878–1968) und die aus Österreich stammende Hollywood-Schauspielerin Hedy Lamarr (1914–2000) mit der Entwicklung des Frequenzsprungverfahrens. So unterschiedlich sie auch in ihren Lebensentscheidungen waren, so unvermutet weisen ihre Biografien doch Parallelen auf. Ausschnitte aus ihrem Leben, Erfolge und Hindernisse verflechten sich in der Produktion „Curie_Meitner_Lamarr_indivisible“ der Wiener Gruppe portraittheater mit den Forschungsinhalten und der Leidenschaft für ihr Tun.
Rund 100 Gäste folgten am 30. Oktober 2024 der Einladung der Forschungsverbünde Clean Circles, Transregio (TRR)150, Sonderforschungsbereich (SFB) 1548, TRR 270, SFB 1487 und TRR 361 in den Wilhelm-Köhler-Saal der TU Darmstadt, um die englischsprachige Aufführung des Theaterstücks zu sehen. In dem gut 90-minütigen Stück verkörpert die Schauspielerin Anita Zieher unter Leitung der Regisseurin und Autorin Sandra Schüddekopf die drei Charaktere und stellt überzeugend ihren wissenschaftlichen Werdegang, ihre Gemeinsamkeiten aber auch die unterschiedlichen Persönlichkeiten der drei Frauen dar.
Unaufhaltsame Leidenschaft für Technik und Wissenschaft
Allen drei Wissenschaftlerinnen war der Ehrgeiz gemeinsam, Großes zu bewirken. Sie hatten, keine Scheu vor Innovationen und der technisch-naturwissenschaftlichen Welt, die Frauen zu dieser Zeit gewöhnlicherweise verschlossen blieb. Mit ihrer Leidenschaft für Technik und Wissenschaft setzten sie sich gegen die damaligen gesellschaftlichen Normen durch. Den drei Frauen gelang es, sich trotz der unverhohlen offen geäußerten Ablehnung in einer fast reinen Männerwelt zu beweisen und mit dieser Ablehnung umzugehen – eine zusätzliche Aufgabe „neben“ den rein wissenschaftlich komplexen Inhalten, den Familienverpflichtungen im Fall von Marie Curie und Hedy Lamarr und den politischen Geschehnissen in der Zeit um die beiden Weltkriege. Allen dreien gelang es, die herausragendsten Forscher ihrer Zeit von ihrer Kompetenz zu überzeugen und mit ihnen zusammenzuarbeiten. So wurden sie zu Vorbildern für unzählige Wissenschaftlerinnen bis in die Gegenwart.
Jede dieser drei Persönlichkeiten lässt sich mit einer ihr eigenen Grundaussage in Kurzform beschreiben: Bei Marie Curie ist dies, sich von nichts und niemandem herunterziehen zu lassen, weder durch Personen noch durch Ereignisse. Lise Meitners Motivation war ihre Liebe zur Physik, die sie immer wieder antrieb. Hedy Lamarr sah es als selbstverständlich an, dass kreative Menschen immer wieder Unerwartetes hervorbringen – dies traf auch auf sie selbst zu: als Schauspielerin galt sie in der technischen Welt als Fachfremde, die dennoch mit ihrer Erfindung zur Begründerin der Verschlüsselungstechnik von heute wurde.
Podiumsdiskussion mit TU-Wissenschaftlerinnen
Offene Ablehnung von Frauen in Wissenschaft und Technik wie damals gibt es heute nicht mehr, aber sind wir wirklich schon am Ziel? Welche Schwierigkeiten von damals gibt es noch heute? Darüber diskutierten nach der Vorführung die Regisseurin des Stücks, Sandra Schüddekopf, die bereits emeritierte Biologieprofessorin Felicitas Pfeifer, die Materialwissenschaftsprofessorin Bai-Xiang Xu und die Maschinenbau-Doktorandin Antje Vahl unter der Moderation von Dr. Laura D‘Angelo vom Gleichstellungsteam des Fachbereichs Elektro- und Informationstechnik. Den drei TU-Angehörigen ist gemeinsam, dass sie in Natur- und Ingenieurwissenschaften unterwegs sind – allerdings auf unterschiedlichen Karrierestufen: von der frisch gebackenen Masterabsolventin über die junge Professorin bis hin zur bereits Emeritierten. Dadurch konnten die Sichtweisen aus verschiedenen Karriereebenen und verschiedenen zeitlichen Entwicklungen in die Diskussion mit einfließen.
Auch Fragen aus dem Kreis der Zuschauenden wurden mit einbezogen. Die Diskussion ergab, dass Netzwerke und persönliche Empfehlungen bzw. Mentoring immer noch äußerst wichtig sind. Auch das Gefühl der Wissenschaftlerinnen und Ingenieurinnen, ihre Kompetenz vor dem Hintergrund der Maßnahmen gegen Frauenunterrepräsentanz besonders beweisen zu müssen und auf einem härteren Prüfstand zu stehen als ihre männlichen Kollegen, wurde benannt.
Aus dem Zuschauerkreis gab es großes Lob für die Wahl des Formats Und die drei Grundsätze von Marie Curie, Lise Meitner und Hedy Lamarr sind sicher heute genauso hilfreich wie damals.
Beteiligte Forschungsverbünde/cst/pb
