Grenzen setzen, Kompetenzen stärken

Leopoldina-Papier mit TU-Beteiligung zum Schutz junger Social-Media-Nutzer:innen

2025/08/13 von

Kinder und Jugendliche in Deutschland verbringen täglich Stunden in sozialen Netzwerken. Bei vielen führt die intensive Nutzung zu Konzentrationsproblemen, Schlafstörungen oder depressiven Symptomen. Ein neues Diskussionspapier der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina empfiehlt deshalb klare Altersgrenzen, die Einschränkung suchterzeugender Funktionen, gezielte Forschung und eine Stärkung der Medienkompetenz. Mitverfasst wurde das Papier von Prof. Dr. Johannes Buchmann und Prof. Dr. Ahmad-Reza Sadeghi vom Fachbereich Informatik.

Jugendliche nutzen soziale Medien meist über das Smartphone, bei intensiver Nutzung können jedoch auch Risiken entstehen. Das neue Leopoldina-Diskussionspapier mit TU-Beteiligung gibt Handlungsempfehlungen.

Soziale Medien sind für viele Kinder und Jugendliche in Deutschland längst Alltag. Doch eine intensive Nutzung kann mit Risiken für die psychische Gesundheit einhergehen, von Schlaf- und Aufmerksamkeitsproblemen bis zu depressiven Symptomen und Ängsten. Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina fasst in ihrem Diskussionspapier „Soziale Medien und die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen“ den aktuellen Forschungsstand zusammen: Viele Studien belegen statistische Zusammenhänge zwischen Social-Media-Nutzung und psychischer Belastung, einige Untersuchungen deuten auch auf mögliche Ursachen hin. Die Autor:innen wenden bei ihren Empfehlungen daher das Vorsorgeprinzip in Fällen an, in denen aktuell nicht von einer belastbaren Evidenz gesprochen werden kann: Vorbeugende Maßnahmen sollten nach heutigem Wissensstand schon greifen, wenn Hinweise auf potenziellen Schaden bestehe.

Konkrete Handlungsempfehlungen

Konkret schlagen sie vor, für Social-Media-Accounts ein verbindliches Mindestalter von 13 Jahren festzulegen. Jugendliche zwischen 13 und 15 sollten Plattformen nur mit geprüfter Zustimmung der Eltern nutzen dürfen. Für 13- bis 17-Jährige empfehlen sie eine altersgerechte Gestaltung sozialer Netzwerke, etwa ohne personalisierte Werbung, mit eingeschränkten algorithmischen Vorschlägen und insbesondere für unter 16-Jährige ohne Funktionen, die besonders zum Weiternutzen verleiten, wie Push-Benachrichtigungen oder endloses Scrollen. Auch die Nutzung privater Smartphones in Kitas und Schulen bis einschließlich Klasse 10 sollte unterbleiben.

Digitaler Altersnachweis, digitale Bildung

Als ein technisches Hilfsmittel zur Prüfung der Altersgrenzen nennen sie die geplante „EUDI-Wallet“. Damit sollen sich Bürger:innen ab 16 zukünftig EU-weit sicher digital ausweisen können. Daneben betonen sie die Bedeutung von digitaler Medienkompetenz: Ein digitaler Bildungskanon soll Kinder und Jugendliche frühzeitig auf Chancen und Risiken vorbereiten. Die Kompetenz von Lehr- und Erziehungskräfte sollte weiter aufgebaut werden, um problematische Nutzungsmuster zu erkennen. Familien könnten über Public-Health-Kampagnen zu Risiken, Schutzfaktoren und einem reflektierten Umgang informiert werden. Auch die Forschung solle intensiviert werden, um Wirkmechanismen besser zu verstehen und Schutzmaßnahmen zu evaluieren.

CROSSING-Expertise eingebracht

Das Papier entstand auf Anregung der Leopoldina-Fokusgruppe Digitalisierung in einer interdisziplinären Arbeitsgruppe. Sprecher der Fokusgruppe ist Prof. Johannes Buchmann, der bis zur Emeritierung im Jahr 2019 auch Sprecher des Sonderforschungsbereichs CROSSING war. Er und CROSSING-PI Prof. Ahmad-Reza Sadeghi (beide Fachbereich Informatik) sind Mitautoren des Diskussionspapiers.

Publikation

Brailovskaia, J., Buchmann, J., Hertwig, R., Metzinger, T., Montag, C., Sadeghi, A.-R., Schneider, S., Spiecker gen. Döhmann, I. & Waldherr, A. (2025): Soziale Medien und die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. Diskussion Nr. 40, Halle (Saale): Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina.

Hintergrund

Ab dem Schuljahr 2025/2026 gilt in Hessen ein landesweites Gesetz, das sogenannte Smartphone-Schutzzonen an Schulen einführt. Damit ist die private Nutzung von Handys in Schulgebäuden und auf dem Schulgelände grundsätzlich nicht zulässig. Das Mitführen der Geräte soll jedoch weiterhin erlaubt bleiben. In begründeten Einzelfällen sind Ausnahmen möglich. Auch die gezielte Nutzung der Geräte für den Unterricht ist weiter erlaubt. Ziel des Gesetzes sei es, die Konzentration im Unterricht zu fördern, die Leistungsfähigkeit zu steigern, das seelische Wohlbefinden zu stärken und das soziale Miteinander zu verbessern. Auch in anderen Bundesländern werden derartige Maßnahmen diskutiert.