Trockenstress, Klimawandel, Resilienz

Darmstädter Wald wird Forschungs- und Lehrobjekt

14.03.2023

Das Ökosystem Wald verändert sich – welche Auswirkungen hat dies für die Artenvielfalt? Mehrere Forschungsgruppen der TU Darmstadt untersuchen in einer Kooperation mit der Stadt Darmstadt die dynamische Wechselwirkung von Flora und Fauna im Darmstädter Wald.

Dr. Christian Storm, Dr. Katja Wehner, Michael Kolmer (Stadt Darmstadt), Nico Blüthgen und Anke Bosch (Stadt Darmstadt).

Die Wälder in Darmstadt leiden unter den Folgen des Klimawandels, der die die zum Teil ungünstigen Standortbedingungen noch verstärkt. Gleichzeitig regenerieren sich die Wälder aber auch. Von der Dynamik und dem Zusammenwirken beider Entwicklungen profitieren unter anderem viele Kleinlebewesen. Wie dies geschieht und sich beispielsweise auch auf die Forstwirtschaft auswirkt, untersuchen Forscher und Forscherinnen der TU Darmstadt in einem jetzt gestarteten Projekt. Ihre Erkenntnisse werden sie der Wissenschaftsstadt Darmstadt zur Verfügung stellen.

Verfall und Regeneration

Trockenheit und hohe Temperaturen haben den heimischen Wäldern in den vergangenen Jahren zugesetzt. Durch die Lage im trockenwarmen Klima Südhessens sind die Schäden im Darmstädter Stadtwald besonders ausgeprägt. Hier spielen auch Schwächungen des Ökosystems Wald durch Luftschadstoffe, vielfache Zerschneidungen und naturferne Waldstrukturen eine Rolle. Viele Bäume erleiden Wasserstress, trocknen aus und zeigen Verbrennungserscheinungen an Borke und Blättern. Die Schäden sind besonders sichtbar im sandigen Darmstädter Westwald, aber auch im etwas weniger trockenen Wald östlich von Darmstadt sind einige Bereiche betroffen.

Die vergangenen Jahre haben aber auch gezeigt, wie schnell sich ein Wald regenerieren kann. Die stehenden und liegenden toten Bäume haben eine enorme ökologische Bedeutung für viele Organismen im Wald. Durch die natürliche Zersetzung des Totholzes wird neuer, nährstoffreicher Boden gebildet. Vom Totholz profitieren derzeit nicht nur verschiedene Arten von Pilzen und Vögeln wie zum Beispiel Schwarz-, Bunt- und Mittelspechte, sondern auch gefährdete Käferarten und andere wirbellose Tiere. Der Wald wächst nach, das Ökosystem verändert sich und klimaangepasste Bäume setzen sich im Unterholz durch.

Wald-Ökosystem wissenschaftlich begleiten

Die Arbeitsgruppen „Ökologische Netzwerke“ von Professor Nico Blüthgen und „Evolutionäre Tierökologie“ von Professor Michael Heethoff vom Fachbereich Biologie an der TU Darmstadt werden diese Entwicklung des Wald-Ökosystems in den kommenden Jahren wissenschaftlich begleiten. Ziel der Untersuchungen ist es, die Zusammenhänge zwischen der Dynamik des Waldes und der Vielfalt und Häufigkeit von Insekten, Spinnentieren und anderen Holz-, Laub- und Bodenbewohnern zu verstehen. Wie entwickelt sich das Vorkommen von Tier- und Pflanzenarten, die an ein kühles, feuchtes Waldklima angepasst sind? Werden die waldtypischen Arten durch andere, wärmeliebende Arten ersetzt? Welche der Arten sind besonders für den Naturschutz relevant? Wie stark profitiert die Artenvielfalt von der Menge und Zusammensetzung des Totholzes?

Hierzu werden auf zahlreichen Probeflächen in allen Teilen des Darmstädter Stadtwalds mit verschiedenen Methoden Tier- und Pflanzenarten erfasst und Umweltfaktoren charakterisiert. Dadurch können auch die Effekte des „Darmstädter Modells“ untersucht werden. Dieses Konzept eines ganzheitlichen Waldökosystem-Managements wurde am Darmstädter „Runder Tisch Wald“ erarbeitet und setzt auf natürliche Prozesse und die Entwicklung naturnaher Wälder – und deren Erforschung.

Umfassender Blick auf den Wald

Im Forschungsteam kommen unterschiedliche Expertisen und Erfahrungen zusammen, die einen umfassenden Blick auf das Ökosystem erlauben: Dr. Katja Wehner ist Expertin für Bodenorganismen und koordiniert die Untersuchungen des Forschungsteams im Stadtwald Darmstadt. Nico Blüthgen, Michael Heethoff und Nadja Simons forschen zu verschiedenen Aspekten der Ökologie und Funktion von Insekten und Spinnentieren sowie den Einfluss menschlicher Nutzung auf natürliche Ökosysteme. Dr. Christian Storm ist Vegetationsökologe am Fachbereich Biologie und forscht zu Pflanzengesellschaften im Wald und anderen Lebensräumen.

Der Stadtwald Darmstadt wird damit auch Teil eines landesweiten Projekts des Lore-Steubing-Instituts (LSI) für Biodiversitätsforschung in Hessen, das sich unter anderem der Untersuchung der Bodenfauna in hessischen Naturwaldreservaten verschrieben hat. Die TU Darmstadt ist Gründungsmitglied des LSI und finanziert diese Studien gemeinsam mit dem hessischen Umweltministerium. Zusätzlich beteiligt sich das Projekt „Walddiskurs“ an den Untersuchungen im Stadtwald, das vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft gefördert und von Nadja Simons koordiniert wird.

Ziel dieses Projektes zusammen mit den Sprach- und Politikwissenschaften der TU Darmstadt ist es, einen interdisziplinären Beitrag zum Verständnis nachhaltiger Nutzung des Waldes durch nachhaltige Kommunikation zu leisten. Studierende am Fachbereich Biologie werden zukünftig an den Studien im Darmstädter Stadtwald beteiligt. Auch die Öffentlichkeit wird über die Ergebnisse informiert.

Stadtwald Darmstadt

Der Stadtwald Darmstadt hat eine Ausdehnung von rund 2.000 Hektar. Er umschließt das Stadtgebiet im Westen und Osten. Zuständig für den Erhalt und die Entwicklung des Waldes ist die Stadt Darmstadt.

Stadt Darmstadt/cst