Energieversorgung zwischen Innovation und Umsetzung

Der E+E Diskurs am 01. Dezember 2022

01.12.2022

Der Weg von der Innovation zur Umsetzung ist durch Unsicherheiten, Unwägbarkeiten und Unverständnis geprägt. Beim ersten E+E Diskurs versuchten wir mögliche Wege zu einer künftigen Energieversorgung im Rahmen dieses Spannungsfeldes auszuleuchten.

In den Impulsvorträgen stellte zunächst Dr.-Ing. Ulrich Hueck von Siemens Energy das Projekt „SolarRetrofit“ vor, das auf der Idee des Projektvorhabens Desertec basiert und erläuterte, was aus dem Projekt Desertec für die Zukunft gelernt werden kann. Anschließend stellte Prof. Dr. Andreas Dreizler von der TU Darmstadt das Clusterprojekt „Clean Circles“ vor, indem eine klimaneutrale Speicherung von Energie mittels Eisen und darauf aufbauend ein CO2-neutraler Energiekreislauf erforscht werden. Das Publikum erhielt einen informativen Einblick in den aktuellen Stand der Projekte und die Potentiale, die diese Technologien bieten. Im Anschluss an die Vorträge konnte das Publikum Fragen an die Redner stellen.

In der anschließenden Podiumsdiskussion sprach Prof. Dr. Peter Pelz vom Forschungsfeld E+E mit den beiden Vortragenden sowie mit Prof. Dr. Markus Roth, Mitbegründer von Focused Energy und Prof. Dr. Ulrike Kramm vom Sonderforschungsbereich „Eisen neu gedacht“ unter anderem über Rohstoffknappheit, Chancen und Risiken der Kernfusion und über die Innovationskraft in Deutschland und die Voraussetzungen für die Umsetzung.

Auf welche Energie setzen wir im Jahr 2050?

Bei der Frage nach der Energieversorgung in Europa im Jahr 2050 waren sich zunächst alle Beteiligten einig: es wird einen „bunten“ Energiemix aus verschiedenen Energieformen geben (müssen). Laut Ulrike Kramm und Markus Roth ist eine Diversität bei den Energieträgern unerlässlich, um den hohen Energiebedarf (der auch in Zukunft weiter steigen wird) zu decken.

Ulrich Hueck verglich die derzeitige Lage in Bezug auf die Energieversorgung in Deutschland mit einem Drogenabhängigen „Wir hängen an den fossilen Energien, wie der Junkie an der Nadel.“ Der Ausstieg aus den fossilen Energieträgern ist seiner Ansicht nach so schwierig, weil wir noch nicht die nötige Infrastruktur haben, um flächendeckend auf erneuerbare Energien umzustellen. Hier braucht es neben Innovationen auch mehr Investitionen in die Forschung, um gesicherte Erkenntnisse und Wissen über grundlegende Zusammenhänge zu generieren.

In Forschung investieren, aber Innovationen auch umsetzen

Prof. Dr.-Ing. Ulrich Hueck und Prof. Dr. Andreas Dreizler
Prof. Dr.-Ing. Ulrich Hueck und Prof. Dr. Andreas Dreizler

Dabei plädierte Markus Roth dafür, mehr in die Anwendung zu gehen, damit das erforschte Wissen nicht ungenutzt bliebe. Seiner Ansicht nach, können komplexe politische und ökonomische Systeme nicht anhand von mathematischen Modellen berechnet werden. Der Schritt in die Anwendung sei seiner Ansicht nach entscheidend, damit Forschungsergebnisse eben auch validiert und modifiziert werden können, um individuelle und passgenaue Lösungen zu finden. Ulrich Hueck betonte, dass ein realistischer Blick bei der Umsetzung von Projekten entscheidend dafür sei, ob ein Projekt erfolgreich umgesetzt werden kann oder nicht. Dabei müsse aus vergangenen Fehlern gelernt werden. Er plädiert daher für ein „agiles Projektmanagement“, denn viele gute Projekte seien in der Vergangenheit daran gescheitert, zu schnell zu groß zu werden. Besser sei es, viele kleine Teilschritte parallel umzusetzen, anstatt in zu großen Schritten zu planen und zu agieren.

„Wir brauchen mehr Risikobereitschaft und Technologieoffenheit“

Prof. Dr. Markus Roth und Prof. Dr. Ulrike Kramm
Prof. Dr. Markus Roth und Prof. Dr. Ulrike Kramm

Insgesamt war sich das Podium dahingehend einig, dass es einer größeren Offenheit und Risikobereitschaft gegenüber neuen Technologien und Methoden bedarf. Da seien wir in Deutschland oft viel zu ängstlich im Vergleich zu anderen Ländern, wo es durchaus möglich sei, einmal „Fehler zu machen“ und daraus zu lernen. In Deutschland sei die „Angst vor dem Scheitern“ immer noch zu groß. Dabei darf auch nicht vergessen gehen, dass Innovationen häufig auf Zufällen oder Krisen beruhen. So war und ist es häufig der Zufall, auf den bedeutende Erkenntnisse in der Forschung zurückgehen. Und auch Krisen, wie die derzeitige Energiekrise, waren und sind immer wieder Katalysatoren und Treiber von Lösungen für drängende Probleme, vor allem wenn es um die kurzfristige Umsetzung politischer Maßnahmen geht.

Es braucht demnach viel mehr Innovations- und Investitionsfreude, auch ohne ein handfestes Ergebnis am Ende. Darmstadt steht hier im bundesweiten Vergleich bereits sehr gut da. Denn dank dem speziellen Modell der Technischen Universität Darmstadt, das Ausgründungen explizit fördert und unterstützt, gibt es hier in Hessen mehr Start-Ups und innovative Techunternehmen als sonst in der Bundesrepublik – gerechnet auf die Einwohner:innenzahl.

Wir bedanken uns an dieser Stelle bei unseren Gästen und dem Publikum für einen interessanten und anregenden Austausch.