Neue Impulse zur Netzstabilität

TU Darmstadt veröffentlicht E+E Insight Paper zur Rolle erneuerbarer Energien im Stromsystem

04.06.2025 von

Das Papier richtet sich gleichermaßen an Entscheidungsträger:innen in Politik, Wirtschaft und Verwaltung sowie an Fachleute aus Forschung und Netzbetrieb. Es liefert fundierte Analysen zur Systemdynamik unter Bedingungen wachsender leistungselektronischer Einspeisung und zeigt konkrete Handlungsspielräume auf, um die Energiewende systemstark voranzubringen.

Mit dem weltweiten Ausbau von Solar- und Windkraft wächst auch die Verantwortung für ein Stromnetz, das mitzieht.

Am 28. April 2025 kam es zu einem großflächigen Stromausfall auf der iberischen Halbinsel. Die Ursachen werden noch untersucht, doch das Ereignis macht deutlich: In einem Stromsystem, das zunehmend auf volatile, erneuerbare Quellen setzt, muss Stabilität neu gedacht werden. Genau hier setzt das Insight Paper an. Es liefert keine Alarmrufe, sondern fundierte Einblicke in die physikalischen und technischen Zusammenhänge moderner Netze und formuliert darauf aufbauend Vorschläge für regulatorisches und politisches Handeln.

Traditionell beruht Netzstabilität auf der physikalischen Trägheit großer, rotierender Generatoren in konventionellen Kraftwerken. Diese Massenträgheit – als Momentanreserve bekannt – federt kurzfristige Frequenzschwankungen ab. Mit dem Rückgang dieser Kraftwerke entfällt diese Reserve zusehends. Erneuerbare Energien hingegen speisen Strom über leistungselektronische Wechselrichter ein, die von Natur aus keine Trägheit besitzen. Ohne gezielte technische Maßnahmen kann das Stromnetz dadurch anfälliger für Schwankungen, Spannungsabfälle und Frequenzinstabilitäten werden.

Technische Lösungen, politische Verantwortung

Das Insight Paper zeigt, dass geeignete Technologien grundsätzlich vorhanden sind: Netzbildende Wechselrichter (Grid Forming Converter), Speichersysteme mit Kurzzeitleistung (z. B. Superkondensatoren) oder weiterentwickelte Regelstrategien können wichtige Aufgaben übernehmen, die früher konventionellen Kraftwerken vorbehalten waren. Doch diese Technologien sind noch nicht flächendeckend im Einsatz. Häufig fehlen regulatorische Anreize oder marktliche Mechanismen, um ihren systemdienlichen Beitrag zu honorieren.

Hier setzt das Insight Paper an und formuliert konkrete Empfehlungen, wie Politik und Praxis gemeinsam handeln können:

  • Stabilität sichern: Netzfunktionen wie Frequenzhaltung, Spannungsregelung und Schwingungsdämpfung müssen gezielt übertragen werden.
  • Technologien befähigen: Leistungselektronisch gekoppelte EE-Anlagen können zur Stabilität beitragen – vorausgesetzt, sie werden technisch und regulatorisch darauf vorbereitet.
  • Momentanreserve neu denken: Speicher und Wechselrichter müssen systematisch in Strategien zur Momentanreserve eingebunden werden.
  • Netzdienlichkeit belohnen: Marktmechanismen müssen angepasst werden, um stabilisierende Betriebsweisen wirtschaftlich attraktiv zu machen.
  • Grid Forming Converter fördern: Als zentrale Zukunftstechnologie müssen sie gezielt in Betrieb genommen und weiterentwickelt werden.
  • Praxisumsetzung beschleunigen: Die Einführung marktgestützter Momentanreserve durch die Bundesnetzagentur ist ein wichtiger Schritt – nun braucht es politische Flankierung.
  • Systemdenken stärken: Netzstabilität ist kein technisches Einzelthema, sondern integraler Bestandteil der Energiewende

Publikation:

G. Griepentrog, J. Hanson, M. Knodt (2025). Systemstabilität im Umbruch: Anforderungen an ein zuverlässiges Energiesystem! Zenodo.

https://zenodo.org/records/15583350