Auf der Suche nach Wirkstoffen gegen Stress-Krankheiten

Forschende der TU Darmstadt legen zwei neue Veröffentlichungen vor

10.11.2023

Depressionen, Diabetes, Fettleibigkeit oder Störungen der embryonalen Entwicklung – all dies kann durch Stress ausgelöst oder befördert werden. Forschende der TU Darmstadt zeigen in zwei aktuellen Veröffentlichungen in renommierten Fachjournalen neue Wege für die Behandlung von stressbedingten Erkrankungen auf.

Gruppenbild

In einer aktuellen Veröffentlichung in der Zeitschrift „Nature Structural and Molecular Biology“ hat die Arbeitsgruppe um Professor Felix Hausch (Fachbereich Chemie sowie Centre for Synthetic Biology/Forschungsfeld Matter+Materials der TU Darmstadt) die Architektur und Funktionsweise der Proteine FKBP51 und FKBP52 im Komplex mit dem Glucocorticoidrezeptor und dem Chaperon Hsp90, dem Protein, das für die Aktivierung des Glucocorticoidrezeptor notwendig ist, aufgeklärt.

Die beiden Proteine steuern die Steroidhormonrezeptoren (zum Beispiel den Glucocorticoidrezeptor), die unter anderem Stress- und Hormonsignale des Körpers verarbeiten. So spielen sie eine Schlüsselrolle bei stressbedingten Störungen und bei der korrekten Embryonalentwicklung. Wie FKBP51 und FKBP52 auf Steroidhormonrezeptoren wirken, war bisher unbekannt.

„Durch den systematischen Einbau photoreaktiver Aminosäuren konnten wir erstmals direkte Kontakte von FKBP51 und FKBP52 mit dem Glucocorticoidrezeptor in lebenden menschlichen Zellen abbilden“, erklärt Asat Baischew, der in der AG Hausch promovierte und Erstautor der Veröffentlichung ist. „Dies ermöglicht es uns, eine Momentaufnahme des Glucocorticoidrezeptors in dem bisher schwer fassbaren Zustand vor der Aktivierung zu rekonstruieren“, fügt Sarah Engel, Doktorandin und zweite Schlüsselautorin der Publikation, hinzu.

Diese Studien zeigen, wie FKBP51 und FKBP52 unterschiedlich mit dem Glucocorticoidrezeptor interagieren, erklären die differenzielle Pharmakologie von FKBP51-bindende Substanzen (Liganden) und liefern eine strukturelle Grundlage für die Entwicklung von FKBP-Liganden mit höherer Wirksamkeit. Die gewonnenen Erkenntnisse eröffnen neue Ansätze für die Entdeckung verbesserter Medikamente zur Behandlung von Depressionen, diabetesbedingter Fettleibigkeit oder chronischen Schmerzen.

Besseres Verständnis der Immunophilin-Glucocorticoid-Rezeptor Interaktion ermöglich Wirkstoffentwicklung für Stress-assozierte Krankheiten: Aufklärung des Multiproteinkomplex aus FKBP51 (pink), HSP90 (blau) und Glucocorticoidrezeptor (gelb) durch ortsspezifischen Einbau der unnatürlichen Aminosäure para-Benzoyl-phenylalanin und Photocrosslinking in humanen Zellen (Vergrößerung rechts, modelliert basierend auf PDB-ID 7krj und 7l7i).
Besseres Verständnis der Immunophilin-Glucocorticoid-Rezeptor Interaktion ermöglich Wirkstoffentwicklung für Stress-assozierte Krankheiten: Aufklärung des Multiproteinkomplex aus FKBP51 (pink), HSP90 (blau) und Glucocorticoidrezeptor (gelb) durch ortsspezifischen Einbau der unnatürlichen Aminosäure para-Benzoyl-phenylalanin und Photocrosslinking in humanen Zellen (Vergrößerung rechts, modelliert basierend auf PDB-ID 7krj und 7l7i).

Protein FKBP51 im Fokus einer weiteren Veröffentlichung

Induzierte Degradation von FKBP51 ermöglicht effizientere Wirkstoffe zur Kontrolle der Stresshormon-Antwort: Das PROTAC-Molekül SelDeg51 (blaue Stäbe) induzieren einen Komplex aus dem Protein FKBP51 (hellbraun) und den Proteinen VCB (grün), was die gezielte Degradation von FKBP51 in humanen Zellen ermöglicht (Struktur basierend auf PDB-ID 8PC2).
Induzierte Degradation von FKBP51 ermöglicht effizientere Wirkstoffe zur Kontrolle der Stresshormon-Antwort: Das PROTAC-Molekül SelDeg51 (blaue Stäbe) induzieren einen Komplex aus dem Protein FKBP51 (hellbraun) und den Proteinen VCB (grün), was die gezielte Degradation von FKBP51 in humanen Zellen ermöglicht (Struktur basierend auf PDB-ID 8PC2).

Mit der Frage, wie diese Behandlungswege konkret beschritten werden können, befasst sich eine zweite aktuelle Veröffentlichung der AG Hausch in der renommierten Zeitschrift „Angewandte Chemie“.

Die Forschenden befassten sich hier speziell mit dem Protein FKBP51. Es ist ein wichtiger Regulator von Stresshormon-Rezeptoren und ein potentielles Angriffsziel zur Behandlung von Depression, Fettleibigkeit oder Diabetes. Jüngste biochemische Befunde zeigten jedoch, dass bisher verfügbaren Wirkstoffe zwar an FKBP51 binden, nicht aber dessen regulatorische Wirkung auf Stresshormon-Rezeptoren blockieren.

Die Studie eröffnet einen fundamental neuen Ansatz, um die molekularen Funktionen von FKBP51 zu treffen. Dieser soll nun in weiterführenden Arbeiten unter anderem im Rahmen des GOBio inital-geförderten Verwertungsprojektes MoProX zu verbesserten Medikamenten für stressbedingte Krankheiten weiterentwickelt werden.

Hintergrund

Die Forschungen zur Veröffentlichung „Large-scale, in-cell photocrosslinking at single-residue resolution reveals the molecular basis for glucocorticoid receptor regulation by immunophilins“ wurden teilweise durch den Schwerpunkt TRABITA (Transiente Bindungstaschen für die Wirkstoffentwicklung) des hessischen Forschungsförderprogramms LOEWE finanziert.

Die Studie „Discovery of a Potent PROTAC Enables Targeting of FKBP51’s Scaffolding Functions” wurde teilweise über den Zukunftscluster PROXIDRUGS vom Bundesforschungsministerium finanziert.