Vor 100 Jahren: Die erste Ingenieurin Deutschlands

Jovanka Bontschits schloss 1913 ihr Architektur-Studium an der TH Darmstadt ab

26.06.2013 von

Vor genau 100 Jahren schloss erstmals in Deutschland eine Frau ihr Studium als „Dipl.-Ing.“ ab: Am 18. Juli 1913 verlieh die Technische Hochschule Darmstadt den Titel „Diplom-Ingenieur“ an Jovanka Bontschits. Eine zeitgenössische Illustrierte hob sie auf der Titelseite als „Fräulein Ingenieur“ hervor.

„Fräulein Dipl.-Ing.“: Jovanka Bontschits auf dem Titel der Berliner Illustrierten Zeitung, August 1913. Bild: Archiv TU Darmstadt

Jovanka Bontschits (geb. 5. Juli 1887) war aus Serbien zum Architekturstudium nach Darmstadt gekommen. Hier studierten vor dem Ersten Weltkrieg sehr viele ausländische Studierende, besonders aus Osteuropa. Zu dieser Gruppe gehörten auch einige Frauen, neben Jovanka Bontschits zum Beispiel auch Irena Galewska-Kielbasinski, die ihre Diplomprüfung in Chemie nur ein Semester später ablegte.

Für diese Frauen bedeutete der Besuch einer deutschen Hochschule, einem doppelten Fremdheitsgefühl ausgesetzt zu sein. Zum einen, weil sie in einem fremden Land studierten, und zum anderen, da sie in ihren Fächern absolute Ausnahmeerscheinungen waren. Die Studienbedingungen und ihre Absicht, nach dem Studium in ihre Heimatländer zurückzukehren, stärkte ihre Durchsetzungskraft offenbar, schließlich zählen sie zu den ersten Frauen, die in Deutschland reguläre Diplomprüfungen bestanden haben.

Nach sieben Semestern an der Universität in Belgrad wechselte Jovanka Bontschits zum Wintersemester 1909/10 an die TH Darmstadt. Bis zum Sommer 1913 studierte sie hier Architektur. Bis zu ihrer Diplom-Vorprüfung im April 1911 musste Bontschits ebenso wie alle ihre 357 männlichen Kommilitonen und ihre eine weibliche Kommilitonin (WS 1909/10) neben naturwissenschaftlichen Kenntnissen (zum Beispiel Mathematik, Physik, Chemie) auch Grundkenntnisse zum Beispiel in Hochbaukonstruktion, Bürgerlicher Baukunst, Ornamentzeichnen und Kunstgeschichte erwerben.

Die folgenden vier Semester dienten der Vertiefung und Spezialisierung im Fach Architektur. Unterrichtsgegenstände waren einerseits die „klassischen“ Hochbau-Fächer wie Hochbaukonstruktion, Wohnbaukunst, Entwerfen von Gebäuden oder Ornamentik, weitere Schwerpunkte konnten im Bereich Kirchenbau oder Innendekorationen sowie im Städtebau gesetzt werden.

Karriere im serbischen Bauministerium

Jovanka Bontschits am Zeichentisch. Erschienen 1913 in "Das Kränzchen", Illustrierte Mädchenzeitung. Bild: Archiv TU Darmstadt.

Diplomurkunde von Jovanka Bontschits, ausgestellt am 18. Juli 1913 durch die Technische Hochschule Darmstadt. Bild: Archiv TU Darmstadt.

TU Darmstadt würdigt Jovanka Bontschits

Ihr Name bleibt in Erinnerung: Mit dem „Jovanka-Bontschits-Preis“ ehrt der Fachbereich Material- und Geowissenschaften der TU Darmstadt jährlich herausragende Leistungen von Promovendinnen und Absolventinnen des Fachbereichs (mit 1.000 und zwei Mal 500 Euro dotiert). Und Ende 2013 wird eine Straße auf dem Campus TU-Lichtwiese nach Jovanka Bontschits benannt.