Der Schatz urbaner Rohstoffe

Urban Mining: Metropolregionen als oberirdische Rohstofflager

09.07.2013

Im Gebäudebestand der Bundesrepublik lagern 110 Millionen Tonnen Metalle. Mit einer digitalen „Rohstoffschatzkarte“ lässt sich dieser Bestand erkunden und die zukünftige Nutzung analysieren.

Experten für Urban Mining: Prof. Liselotte Schebek, Prof. Christoph Motzko und Prof. Hans-Joachim Linke (v. li. n. re.). Bild: Katrin Binner

Rohstoffe sind ein knappes Gut und müssen mit viel Aufwand in Bergwerken abgebaut werden. Ein großer Teil der weltweit vorhandenen Kupfervorkommen lagert bereits im aktuellen Gebäudebestand. Statt in der Natur zu schürfen, können Kupfer und andere Metalle auch beim Abbruch von Immobilien zurückgewonnen werden.

Urban Mining heißt dieses Konzept, das Metropolregionen als oberirdisches Rohstofflager betrachtet. Sein Potenzial lässt sich mit zwei Zahlen verdeutlichen: Allein die 2,6 Millionen Tonnen Kupfer, die bislang in der Bundesrepublik verbaut worden sind, haben einen Verkehrswert von rund 19 Milliarden Dollar.

Die systematische Rückgewinnung von Rohstoffen aus abbruchreifen Gebäuden würde Deutschland mehr Unabhängigkeit vom Weltmarkt geben. Ein Team um Professorin Liselotte Schebek vom Fachgebiet Industrielle Stoffkreisläufe der TU Darmstadt wird Rohstoff-Inventur im Rhein-Main-Gebiet machen und Kriterien und Hilfsmittel für die Bewertung der Rohstoffgehalte und für die Planung von Umbau oder Abriss von Immobilien entwickeln.

Das Forschungsvorhaben mit dem Titel „Techno-Ökonomische Potenziale der Rückgewinnung von Rohstoffen aus dem Industrie- und Gewerbegebäude-Bestand – PRRIG“ wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. „Es gibt in Deutschland keine präzisen Angaben darüber, welche Rohstoffe in den Altbeständen verbaut worden sind und wie viel dort lagert. Auch über die mögliche Schadstoffbelastung ist wenig bekannt“, sagt Schebek.

Industrie- und Gewerbeimmobilien im Fokus

Wie viele Rohstoffe lagern in Alt-Immobilien? Darüber gibt es keine präzisen Daten. Bild: Wolf Hertlein
Wie viele Rohstoffe lagern in Alt-Immobilien? Darüber gibt es keine präzisen Daten. Bild: Wolf Hertlein

„Deshalb fällt es vielen Eigentümern schwer, den ökonomischen Wert ihrer Immobilie genau zu beziffern und zu entscheiden, was bei einem Leerstand zu tun ist.“ Schebek kooperiert bei dem Verbundprojekt mit Professor Hans-Joachim Linke vom Fachgebiet Landmanagement und Professor Christoph Motzko vom Institut für Baubetrieb sowie der Adam Opel AG und dem Dienstleister Re2areaGmbH. Unterstützt wird das Forschungsvorhaben von assoziierten Partnern wie der Fraport AG und dem Regionalverband Frankfurt/Rhein-Main.

Bei der Rohstoff-Inventur konzentrieren sich die Forscher auf Industrie- und Gewerbeimmobilien. Diese Gebäude sind technisch hochwertiger ausgestattet und haben einen kürzeren Nutzungszeitraum als andere Immobilien. „Bei Industrie- und Gewerbeimmobilien fallen technische und wirtschaftliche Nutzungsdauer auseinander“, erklärt Linke. „Wenn sie nicht mehr den Bedürfnissen und Anforderungen der Betreiber entsprechen, werden sie aufgegeben, obwohl sie technisch noch in Ordnung sind. Dann muss über die Zukunft der Immobilie entschieden werden.“

Weil Kommunen zunehmend im aktuellen Bestand bauen lassen müssen, brauchen Eigentümer empirische Daten für die Nutzungsentscheidung. „Es fehlt an strukturierten Bewertungsalgorithmen und Dienstleistungskonzepten für die Revitalisierung solcher Immobilien“, sagt Motzko. „Wir brauchen Daten, um die technischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Umnutzung, Rückbau oder Abbruch eines Gebäudes kalkulieren zu können.“

Seite 1 von 2




Lesen Sie weiter auf der nächsten Seite: Die Grenzen der Rohstoff-Inventur und die Zukunft von Industriedenkmälern

[zur Seite 2]