Die Unermüdliche

Bundeskanzler-Stipendiatin forscht zu Architektur und pädagogischen Konzepten

05.02.2016 von

Seit Ende des Jahres 2015 ist Maria Ustinova als Bundeskanzler-Stipendiatin der Alexander von Humboldt-Stiftung zu Gast am Fachbereich Architektur an der TU Darmstadt. Die Russin möchte analysieren, wie Kindergärten und Schulen im Rhein-Main-Gebiet vor dem Hintergrund ihrer pädagogischen Konzepte architektonisch gestaltet werden.

Kindgerechte Architektur im Blick: Maria Ustinova. Bild: Katrin Binner
Kindgerechte Architektur im Blick: Maria Ustinova. Bild: Katrin Binner

Maria Ustinova hat eine Vision: Sie will Kindern eine bessere Kindergartenzeit ermöglichen – mittels Architektur. Sie ist für ein Jahr als Bundeskanzler-Stipendiatin am Fachgebiet Entwerfen und Stadtentwicklung. In dieser Zeit möchte sie an Bildungseinrichtungen im Rhein-Main-Gebiet untersuchen, wie sich deren Design positiv auf Leben und Lernen der Kinder auswirken kann.

Die Ergebnisse will sie dann in ihrer Heimat Russland umsetzen. Im Rückblick scheint der Lebenslauf der 33-Jährigen sie zielgerichtet immer näher zu diesem Projekt geführt zu haben. Eine Station war bereits einmal die TU Darmstadt. In Russland arbeitete Ustinova nach ihrem Abschluss in der öffentlichen Verwaltung zwei Jahre lang im Regionalministerium für die Region Moskau. Sie betreute öffentliche Wohnbaumaßnahmen. „Dort habe ich gesehen, wie viele verschiedene Gruppen in solche Projekte involviert sind“, sagt Ustinova: Baufirmen, die öffentliche Seite, künftige Nutzer. Ustinova wurde klar: Für solch komplexe Situationen braucht es ein umfangreiches Wissen in den verschiedensten Bereichen: Architektur, Recht, Wirtschaft, Sozialwissenschaften.

„Ich wollte mein Wissen dahingehend erweitern“, erinnert sich die Fachfrau für öffentliche Verwaltung. Da es in Russland bis vor einigen Jahren nur sehr theoretische und konventionelle Angebote gab, um sich im Bereich Stadtentwicklung weiterzubilden, dehnte Ustinova ihre Suche aus.

Die Wahl fällt auf Darmstadt

In Darmstadt wurde Ustinova 2008 fündig: Sie bewarb sich für das Masterprogramm „International Cooperation in Urban Development – Mundus Urbano“ – und wurde ausgewählt. „Mundus Urbano“ ist ein gemeinsam von vier europäischen Universitäten – TU Darmstadt, Université Pierre-Mendès-France in Grenoble, Universitat Internacional de Catalunya in Barcelona und Università di Roma Tor Vergata – angebotenes Programm, das den Schwerpunkt auf internationale Zusammenarbeit und Stadtentwicklung legt. Unterstützt wird es vom Exzellenzprogramm Erasmus+ der Europäischen Union.

2011 kehrte Ustinova nach Moskau zurück und begann im russischen Büro der World Bank/IBRD zu arbeiten – auch hier im Bildungs- und Sozialbereich: „Ich konzentrierte mich bei meinen Projekten auf meine zwei Lieblingsthemen: Architektur und Bildung.“

So landete sie bei der Planung von Kindergärten. „Dabei geht es nicht einfach darum, ein Haus für die Kinder zu bauen. Man muss dabei auch im Blick behalten, wie die Umgebung, in der sie so viel Zeit verbringen, die Entwicklung der Kinder beeinflusst.“

Doch der Status quo in Russland ist ein anderer: „Die Pädagogen, die einen Neubau für ihre Arbeit nutzen, müssen ihn nach ihren Bedürfnissen herrichten. Das Design reflektiert die spätere Nutzung nicht. Es fehlt die Zusammenarbeit aller Akteure bereits im Planungsprozess.“

Um den internationalen Stand der Forschung zu erfahren, besuchte Ustinova in dieser Zeit zahlreiche Bildungseinrichtungen in Skandinavien und auch in Deutschland.

Von der Idee zur Umsetzung

Aus all diesen Erfahrungen erwuchs eine Projektidee: Ustinova möchte die Gestaltung von Kindergärten und Schulen in Deutschland vor dem Hintergrund ihrer pädagogischen Konzepte evaluieren. Um die Idee in die Tat umzusetzen, erhielt Ustinova ein Bundeskanzler-Stipendium der Alexander von Humboldt-Stiftung.

Am Fachgebiet Entwerfen und Stadtentwicklung arbeitet Ustinova – als erste Bundeskanzler-Stipendiatin an der TU Darmstadt – nun mit Unterstützung ihrer Gastgeberin Prof. Dr.-Ing. Annette Rudolph-Cleff an ihrem Vorhaben. „Das Rhein-Main-Gebiet eignet sich für meine Untersuchungen gut, weil es hier im Bildungsbereich viele Neubauten gibt, die sich architektonisch sowohl mit pädagogischen Zielen als auch mit Energie-Effizienz auseinandersetzen.“

Um die Weiterbildungsmöglichkeiten russischer Verwaltungsmitarbeiter, die mit der Planung von Bildungseinrichtungen betraut sind, zu erhöhen, möchte Ustinova Case Studies von beispielhaften Kindergartenkonzepten aus dem Rhein-Main-Gebiet auf Russisch veröffentlichen.

Und die eigenen Zukunftspläne? „Ich hoffe, mich im Laufe des Stipendiums zu einer Spezialistin im Bereich der Bildungsarchitektur zu entwickeln. Dann möchte ich zurück nach Russland und mein Wissen dort einbringen.“ Nun ist sie aber erst einmal zurück in Darmstadt. Und hat viel zu tun.

Drei Fragen an …

.. Annette Rudolph-Cleff, Professorin am Fachbereich Architektur, Fachgebiet Entwerfen und Stadtentwicklung.

TU Darmstadt: Warum passt Frau Ustinovas Projekt gut an die TU Darmstadt und an Ihr Fachgebiet?

Rudolph-Cleff: Mit ihrem Thema findet Maria Ustinova an meinem Fachgebiet eine hohe Anschlussfähigkeit: Mit der Forschungsgruppe Fondation Kybernetik begleiten wir selbst den Bau eines Kindergartens in Frankfurt aus energetischer Sicht. Mit der Forschungsgruppe Bewegungsraum Stadt und Juniorprofessor Dr. Martin Knöll

für „UrbanHealth Games“ untersuchen wir Aktivitäts- und Bewegungsmuster. Ich selbst habe vor meiner Berufung einen Kindergarten und eine Schule als freie Architektin geplant und gebaut.

Doch es besteht nicht nur die Möglichkeit, Einblick in unsere Forschungsprojekte zu gewinnen, sondern wir können durch die Stadtforschung an der TU Darmstadt, die räumliche und institutionelle Nähe zu der Graduiertenschule URBANgrad und das M.Sc.-Programm „International Cooperation in Urban Development – Mundus Urbano“ sicher anregendes Arbeitsumfeld für Frau Ustinova und ihr Projekt bieten.

Warum ist Frau Ustinova als Bundeskanzler-Stipendiatin besonders geeignet?

Frau Ustinova ist meiner Einschätzung nach schon immer Impulsgeberin und eine starke Persönlichkeit. Ich persönlich kann mir für sie sowohl eine akademische als auch eine nicht-akademische Karriere vorstellen.

Wie sieht Ihre Zusammenarbeit konkret aus?

Maria Ustinova arbeitet sehr eigenständig, gleichzeitig ist uns der Dialog über Qualitätskriterien in Planung und Bau von Kindergärten wichtig.

In wenigen Bauaufgaben zeigt sich der Zusammenhang von räumlichem Umfeld und pädagogischem Konzept so unmittelbar. Gerade wenn Fragen der (Energie-)Effizienz und der Betriebskosten im Vordergrund stehen, ist es wichtig, die soziokulturellen Fragen, die hinter dem Raum- und Nutzungskonzept stehen, zu beleuchten. Wir diskutieren über gebaute Beispiele und Expertenbeiträge. In diesem Jahr könnte daraus neben ihrer Studie auch die erste gemeinsame Publikation entstehen. Das Thema ist spannend!

Die Fragen stellte Bettina Bastian

Bild: privat
Bild: privat

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