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Digitale Forschungsdaten an der TU Darmstadt

16.03.2016 von

Die TU Darmstadt lenkt ihr Augenmerk auf systematisches Forschungsdatenmanagement (FDM) in Forschung und Lehre. Sie greift damit bundesweite Initiativen der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Hochschulrektorenkonferenz auf.

Zahlreiche Forschungsdaten müssen an der TU Darmstadt gespeichert werden. Bild: Katrin Binner
Zahlreiche Forschungsdaten müssen an der TU Darmstadt gespeichert werden. Bild: Katrin Binner

Wissenschaft erzeugt unentwegt (digitale) Daten – von einfachen Textdokumenten über komplexe Datenbanken bis hin zur Flut von Rohdaten, die ein modernes Messgerät im Labor im Sekundentakt generiert. Manche dieser Forschungsdaten sind nur kurzfristig interessante Momentaufnahmen oder Zwischenschritte, doch alle Forscherinnen und Forscher an der TU Darmstadt generieren auch einmalige Daten, die sich nur aufwändig oder sogar gar nicht reproduzieren lassen. Manche Daten liegen in sehr speziellen Dateiformaten vor, andere stellen hohe Anforderungen an die Datensicherheit und wieder andere müssen in internationalen Projekten gemeinsam verwendet werden können. Nicht selten treffen alle drei Punkte oder weitere Anforderungen zu.

Die nachhaltige Verarbeitung und langfristige Archivierung von hochspezifischen digitalen Daten ist daher zu einer zentralen Fragestellung in allen Bereichen der Wissenschaft geworden. Diese Herausforderung betrifft die modernen Geisteswissenschaften ebenso wie die Ingenieur- oder Naturwissenschaften. Ein großes Potenzial schlummert auch in der Nachnutzung von Forschungsdaten für neue Fragestellungen, die eine wissenschaftliche Veröffentlichung nicht nur von Ergebnissen, sondern auch von Daten voraussetzt. Ein gezieltes Management von Forschungsdaten hat also einen vielfachen Nutzen für aktuelle und zukünftige Forschungsprojekte.

Orientierung und Selbstverständnis

Die TU Darmstadt gehört zu den ersten Universitäten in Deutschland, die das Thema zentral verankern: Erstmals erarbeitete „Leitlinien zum Umgang mit digitalen Forschungsdaten an der TU Darmstadt“ (wird in neuem Tab geöffnet) geben eine erste Orientierung, adressieren Fragen und dokumentieren das Selbstverständnis der TU. Dies steht insbesondere im Einklang mit dem Engagement der TU für die Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis.

Seit Oktober 2015 gibt es an der Universitäts- und Landesbibliothek mit Gerald Langhanke einen zentralen Ansprechpartner für alle Fragen rund um das Forschungsdatenmanagement. In Kooperation mit dem Hochschulrechenzentrum und dem Dezernat Forschung und Transfer entsteht an der TU sowohl ein Beratungsangebot zu organisatorischen, technischen und rechtlichen Fragen als auch eine konkrete Unterstützung für die Erstellung von Datenmanagementplänen und passgenaue Archivierungs- und Veröffentlichungsstrategien. Zukünftig wird es dazu an der TU auch eine eigene Infrastruktur zur Archivierung und Veröffentlichung von Daten geben.



Stimmen aus der Wissenschaft

Prof. Dr. Andrea Rapp. Bild: Stefan F. Sämmer / JGU Mainz
Prof. Dr. Andrea Rapp. Bild: Stefan F. Sämmer / JGU Mainz

Prof. Dr. Andrea Rapp, Institut für Sprach- und Literaturwissenschaft, TU Darmstadt

Worum geht es in Ihrer Forschung?

Ich möchte eines von mehreren vergleichsweise lang laufenden Akademievorhaben herausgreifen, das Digitale Familiennamenwörterbuch Deutschlands (DFD). In dem Projekt wird ein Grundlagen- bzw. Nachschlagewerk erstellt, dessen Ergebnisse für mehrere Generationen von Forschenden gültige Verzeichnisse und Dokumentation darstellen. Es hat zudem eine Laufzeit von über 20 Jahren.

Welche Rolle spielen digitale Forschungsdaten für Ihre Projekte?

DFD wird auf der Basis digitaler Daten (Namenverzeichnisse aus Telefonbuchdaten) erstellt. Der gesamte Workflow der Artikelerstellung geschieht in einem digitalen Redaktionssystem und der primäre Publikationsort ist das Netz, es handelt sich also um ein hundertprozentig digitales Projekt. Die Langlebigkeit der Daten, ihre Interoperabilität für weitere Kontexte, gleichzeitig die Möglichkeiten, flexible Annotationen für neue Forschungsfragen einbringen zu können sowie Technologiewandel mitmachen zu können, sind für den Erfolg des Projekts essentiell.

Was erwarten Sie sich vom Angebot der TU rund um Forschungsdaten?

Konzepte für ein professionelles Forschungsdatenmanagement werden zum entscheidenden Standortvorteil für die Forschung auch in den Geistes- und Kulturwissenschaften. Eine Beratung im Hinblick auf aktuelle technologische Entwicklungen sowie verlässliche Infrastrukturangebote für Langfristarchivierung und -verfügbarkeit sind für diesen Bereich entscheidend. Einerseits sind genau definierte und beschriebene Serviceangebote von Bibliotheken und Rechenzentren (ggf. auch Kooperationsverträge mit anderen Infrastrukturanbietern), die eine Einschätzung von Kosten und Aufwand ermöglichen, notwendig, andererseits Hilfestellung und Tools bei der Erfassung von Metadaten und Einspeisung in Registrys.

Auch die rechtliche Komponente, unter anderem im Hinblick auf Lizenzmodelle, ist wichtig. Ich erwarte mir ebenfalls ein forschungspolitisches Engagement der TU, etwa indem bei Förderinstitutionen und Geldgebern darauf hingewirkt wird, dass Forschungsdatenmanagement Teil von Projektförderung sein kann, darüber hinaus, dass in der Politik darauf aufmerksam gemacht wird, dass hier zentrale Infrastruktur aufgebaut und finanziert werden muss, die zur Grundausstattung einer Forschungseinrichtung ebenso gehört wie Bibliotheken, Rechenzentren, Labore. Hier müssen auch föderale und nationale Grenzen benannt und überwunden werden.

Wo sehen Sie das Forschungsdatenmanagement an der TU in zehn Jahren?

Der Aufgabenbereich ist komplex und für die Forschung zentral, daher würde ich mir wünschen, dass er konsequent und professionell auf- und ausgebaut wird und dass die TU hier in Deutschland und international anschlussfähig agiert. Die Forschenden sollten entsprechende Services von der TU als Selbstverständlichkeit in ihre Forschungsaktivitäten integrieren können – das Können ist dann auch den Studierenden als Kompetenzen weiterzuvermitteln.

Prof. Dr.-Ing. Peter Stephan. Bild: Sandra Junker
Prof. Dr.-Ing. Peter Stephan. Bild: Sandra Junker

Prof. Dr.-Ing. Peter Stephan, Fachgebiet Technische Thermodynamik, TU Darmstadt

Worum geht es in Ihrer Forschung?

Es gibt zahlreiche Projekte aus dem Bereich der Thermofluidik. Derzeit bereiten wir auch einen Antrag für einen DFG-Sonderforschungsbereich zum Thema Transport- und Benetzungsprozesse vor.

Welche Rolle spielen digitale Forschungsdaten für Ihre Projekte?

Digitale Forschungsdaten entstehen in verschiedenen Bereichen – vor allem in großem Umfang in Experimenten, aber auch bei numerischen Simulationen inklusive sämtlicher Programme und Codes zur Auswertung. Die Daten sind schlicht Grundlage für die Ableitung unserer wissenschaftlichen Erkenntnisse.

Was erwarten Sie sich vom Angebot der TU rund um Forschungsdaten?

Beratung und Unterstützung bei der Sicherung, Archivierung und gemeinsamen Nutzung der Daten, zunächst einmal innerhalb der am Sonderforschungsbereich beteiligten Arbeitsgruppen.

Wo sehen Sie das Forschungdatenmanagement an der TU in zehn Jahren?

In zehn Jahren sind hoffentlich ein größeres Bewusstsein und mehr Klarheit für den Umgang mit Daten vorhanden, und Arbeiten hierzu sind ein normaler Bestandteil des Forschens. Wichtig dabei sind möglichst schlanke Prozesse. Die Wissenschaftler können und sollen nicht wesentliche Zeit für die Administration von Daten investieren. Vor allem die sicher besonders aufwändige Aufbereitung von Daten für die freie Nutzung anderer soll auf besondere Fälle beschränkt und nicht der Regelfall sein.