Warum Atomkerne aus der Form geraten
Präzisionsmessungen an TU belegen theoretische Arbeiten japanischer Forscher
27.10.2016 von Kremer / feu
Ein Team aus Experimentalphysikern der TU Darmstadt hat in Zusammenarbeit mit theoretischen Quantenphysikern der Universität Tokio die Ursachen der Verformung von Atomkernen erforscht. Die Forschungsergebnisse wurden nun in dem Fachjournal Physical Review Letters der American Physical Society in New York veröffentlicht.
Ein Atomkern besteht aus einer bestimmten Anzahl von Protonen und Neutronen, je nachdem welches Isotop eines chemischen Elements er darstellt. Seit langem ist bekannt, dass Atomkerne verschiedene Gestalten annehmen können. Viele sind kugelförmig, andere sind geformt wie ein Rugby-Ball oder wie eine Diskusscheibe. Einige Atomkerne können sogar ihre Form spontan ändern. Bei einer solchen Formänderung geben sie entweder Energie ab oder nehmen welche auf, wobei sie wegen der Äquivalenz von Masse und Energie dabei ein wenig leichter oder schwerer werden. Bisher waren die Ursachen des Formwechsels von Atomkernen, genauso wie die Ursachen vieler anderer Kerneigenschaften, weitgehend unklar.
Physiker um den haben eine Theorie entwickelt, die die Eigenschaften eines Atomkerns auf die Kräfte zwischen den vielen im Kern befindlichen Protonen und Neutronen zurückführt und es ermöglicht, etwa die Gestalt eines Atomkerns in einem Groß-Computer zu berechnen. Die Berechnungen am Forschungszentrum RIKEN in Tokio wurden für verschiedene Isotope des Metalls Zirkon mit 40 Protonen und Neutronenzahlen von 50 bis 70 durchgeführt, wobei mehr als 1023 (Einhunderttrilliarden) unterschiedliche Quantenzustände berücksichtigt werden mussten, ein Weltrekord. Die mehrwöchigen Berechnungen ergaben, dass das Isotop 96Zr mit 56 Neutronen im leichtesten Zustand kugelförmig und in einem nur wenig schwereren Quantenzustand Rugby-Ball-artig deformiert sein müsse. Tokioter Professor Takaharu Otsuka
Die TU Darmstadt verfügt mit ihrem , die die Theorien der japanischen Physiker testen können. Ein Team von Experimentalphysikern um den Elektronenbeschleuniger über eines der präzisesten Messinstrumente, führte Präzisionsmessungen durch, bei denen hochenergetische Strahlen von Elektronen an einer Folie aus Zirkon gestreut und ihre Energieabgabe an die darin enthaltenen Kerne des Isotops 96Zr präzise vermessen wurden. So wird die Gestalt der Atomkerne wie in einem hochauflösenden Elektronenmikroskop nachweisbar. „Unsere Messungen bestätigen die Theorie der Kollegen aus Tokio“, sagt Pietralla. Damit liege nun das Verständnis vor, um nicht nur die Gestalt von Atomkernen sondern viele weitere Eigenschaften dieser komplexen Quantenobjekte zu berechnen und verlässlich vorherzusagen. Direktor des Instituts für Kernphysik der TU Darmstadt, Professor Norbert Pietralla
Publikation
First Measurement of Collectivity of Coexisting Shapes Based on Type II Shell Evolution: The Case of Zr96
C. Kremer, S. Aslanidou, S. Bassauer, M. Hilcker, A. Krugmann, P. von Neumann-Cosel, T. Otsuka, N. Pietralla, V. Yu. Ponomarev, N. Shimizu, M. Singer, G. Steinhilber, T. Togashi, Y. Tsunoda, V. Werner, and M. Zweidinger Phys. Rev. Lett. 117, 172503