Gemeinsam in einem Boot

Nikos Moraitakis hat an der TU und der Tongji-Universität promoviert

20.06.2017 von

Nikos Moraitakis ist der erste Student, der seinen Doktortitel gleichzeitig an der TU Darmstadt und der Tongji-Universität in Shanghai abgelegt hat. Fünf Jahre hat der Wirtschaftsingenieur mit Schwerpunkt Maschinenbau an seiner Doppelpromotion gearbeitet und dabei die meiste Zeit an der chinesischen Partneruniversität verbracht.

Nikos Moraitakis. Bild: Claus Völker

Man braucht viel Durchhaltevermögen, sagt Nikos Moraitakis. „Das chinesische Universitätssystem ist viel kleinteiliger, es gibt viel mehr Kurse und Prüfungen zu bestehen als in Deutschland.“ Hinzu kämen der so ganz andere Alltag in der 30-Millionen-Stadt Shanghai, kulturelle Unterschiede und die fremde Sprache. „Am heftigsten war der Lärm, das Hupen und der Verkehr, 24 Stunden am Tag. Da ist es nicht einfach, zur Ruhe zu kommen“, erzählt der 31-Jährige. Doch gerade die Dynamik der Chinesen und das quirlige Leben in einer chinesischen Großstadt haben Nikos Moraitakis gereizt. „Ich wusste, was auf mich zukommt“, sagt er. Bereits 2009 war er als Student bei Prof. Hans-Christian Pfohl von der Einheit „Supply Chain und Netzwerkmanagement“ am Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der TU schon einmal am Chinesisch-Deutschen Hochschulkolleg der Tongji-Universität in Shanghai gewesen. Damals ging es um eine Studienarbeit über Logistiksysteme in China. „Das war eine super-spannende Erfahrung“, sagt der gebürtige Frankfurter, dessen Familie selbst ein Logistikunternehmen führt.

Die TU Darmstadt ist eine der wenigen Hochschulen, die eine strategische Partnerschaft mit der Universität in Shanghai unterhalten. „Tongji“ ist Mandarin und heißt auf Deutsch „gemeinsam in einem Boot“. Das passt gut zur Idee der deutsch-chinesischen Zusammenarbeit, findet Nikos Moraitakis. In Darmstadt kam er bereits während seines Diplomstudiums mit zwei früheren Promovenden der TU in Kontakt, die zeitweise auch als wissenschaftliche Mitarbeiter an der Tongji tätig waren. Die Idee, selbst den Doktortitel an der TU und in China zu erwerben, reifte heran. Schon 2009 hatte Moraitakis erste Sprachkenntnisse in Mandarin erworben, im chinesischen Alltag fand er sich also zurecht. Die Wissenschaftssprache während des Studiums war Englisch.

Doktorarbeit zu technischen Kunststoffen

2011 schloss der Wirtschaftswissenschaftler sein Diplomstudium ab und wurde Mitarbeiter bei Professor Pfohl. 2012 wechselte er dann als wissenschaftlicher Mitarbeiter an den BOSCH-Lehrstuhl für Global Supply Chain Management am Chinesisch-Deutschen Hochschulkolleg der Tongji. Seine Doktorarbeit – in Kooperation mit dem Unternehmen Bosch – befasste sich mit technischen Kunststoffen in der Automobilindustrie und Einkaufsstrategien in globalen Liefernetzen. Professor Pfohl und dessen chinesischer Kollege, Professor Jiazhen Huo, wurden seine Doktorväter. Einige Kurse, die er zu TU-Zeiten belegt hatte, wurden in Shanghai anerkannt.

Grundsätzlich, sagt Nikos Moraitakis, dauere die Promotionszeit aber etwas länger, weil man sich mit zwei akademischen Systemen auseinandersetzen müsse. „Man braucht Geduld und auch eine gewisse Frustrationstoleranz“, sagt er lachend. „Aber ich habe gelernt dranzubleiben und nicht aufzugeben.“ Letzten Endes, bilanziert Nikos Moraitakis, „war es die gute Beziehung meiner beiden Doktorväter zueinander und mein Vertrauen in sie, die die erfolgreiche Abstimmung beider Systeme und den erfolgreichen Abschluss ermöglichten.“ Insgesamt dreieinhalb Jahre blieb Moraitakis in Shanghai. Nur zum Schreiben der Doktorarbeit kam er zurück nach Darmstadt – „da hatte ich einfach mehr Ruhe“, erzählt der 31-Jährige. Die Verteidigung seiner Promotion fand in Darmstadt statt. Die Prüfungskommission bestand aus Professoren des Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der TU und aus Professoren der School of Economics and Management (SEM) der Tongji. Die chinesischen Professoren waren per Videokonferenz zugeschaltet.

China fasziniert den Wirtschaftswissenschaftler: „Die Dynamik ist riesig. Wenn sich derzeit etwas bewegt, dann in China. Was sich dort in einem Jahr verändert, verändert sich bei uns in zehn Jahren nicht.“ Die Marktbewegungen seien im bevölkerungsreichsten Land der Erde einfach viel rasanter als andernorts. Trotz seiner Asien-Affinität will Moraitakis jetzt jedoch erst einmal in Deutschland bleiben und sich auf Jobsuche begeben. Seinen Nachfolgern beim deutsch-chinesischen Doppeldoktor – Pascal Wolff und Weidi Wang – kann er jedoch gute Tipps geben.