„Klimahysterie“ – so lautet das Unwort 2019

Jury verkündet Unwort an der TU Darmstadt

14.01.2020 von

Die Jury der sprachkritischen Aktion wählte „Klimahysterie“ zum Unwort des Jahres 2019. Das gab die Sprecherin der Jury an der TU Darmstadt bekannt. Außerdem kritisiert die Jury die Ausdrücke „Umvolkung“ und „Ethikmauer“. Als jährlich wechselndes Mitglied war in diesem Jahr der Kabarettist Urban Priol Teil der Jury.

In der Begründung der Jury heißt es:

Mit dem Wort „Klimahysterie“ werden Klimaschutzbemühungen und die Klimaschutzbewegung diffamiert und wichtige Debatten zum Klimaschutz diskreditiert. Der Ausdruck wurde 2019 von vielen in Politik, Wirtschaft und Medien – von der F.A.Z. über Unternehmer bis hin insbesondere zu AfD-Politikern – verwendet. Er pathologisiert pauschal das zunehmende Engagement für den Klimaschutz als eine Art kollektiver Psychose. Vor dem Hintergrund wissenschaftlicher Erkenntnisse zum Klimawandel ist das Wort zudem irreführend und stützt in unverantwortlicher Weise wissenschaftsfeindliche Tendenzen. Der Ausdruck „Klimahysterie“ wurde neunmal eingesandt.

Außerdem wurden von der Jury als Unwörter kritisiert:

„Umvolkung“: Der Ausdruck „Umvolkung“ erhielt 2019 durch ein ZDF-Interview mit dem neuen AfD-Vorsitzenden Tino Chrupalla größere Aufmerksamkeit. Es handelt sich um einen Schlüsselbegriff einer rechtsextremen Verschwörungstheorie. Diese behauptet, dass es einen geheimen Plan (der sogenannten Eliten) gebe, die weiße Mehrheitsbevölkerung in Europa, Australien/Neuseeland und den USA durch (vornehmlich muslimische) Flüchtlinge und andere nicht-weiße Einwanderer auszutauschen. Sie ist fester Bestandteil der Ideologie der AfD und bildet die Grundlage für ein politisches Programm, das auf die kulturelle Homogenität der Bevölkerung zielt und zugewanderte Menschen insofern diskriminiert, als sie als gefährliche, sich schnell vermehrende „Austausch“-Masse dargestellt werden.

Zudem diente die mit dem Wort auf einen Begriff gebrachte Verschwörungstheorie im Jahr 2019 auch dem Massenmörder von Christchurch als Legitimationsgrundlage für sein Verbrechen. Sein Manifest zu der Tat trägt den Titel „The Great Replacement“ („Der große Austausch“). Dennoch erklärte Chrupalla, er halte das Wort „Umvolkung“ „nicht für rechtsextrem“. Der Ausdruck „Umvolkung“ wurde zweimal eingesandt.

„Ethikmauer“: Der Ausdruck „Ethikmauer“ steht (wie z.B. auch „Moralkeule“) exemplarisch für Ausdrücke, die jede moralisch-ethische Argumentation als ein Zeichen naiver Fortschrittsverweigerung diskreditieren. Er wurde in einem Kommentar der Zeitung „Die Welt“ am 1. August 2019 verwendet. Der Kommentar bezog sich auf eine Meldung über japanische Forschungen zur Züchtung menschlicher Organe in Tieren zu therapeutischen Zwecken. Gegenüber der Kritik an solcher Forschung vermerkt der Autor: „Bei dieser Forschung zum Wohl des Menschen kann man sich nicht hinter einer Ethikmauer verstecken.“

Mit der Wahl dieses Ausdrucks – so der Einsender/die Einsenderin des Unwortes – werde „jede ernsthafte Auseinandersetzung mit ethischen Grundsatzfragen als Fortschrittsverweigerung diskreditiert“. Zudem negiere diese Wortwahl, auf welch hohem ethischen Niveau in der Gesellschaft um grundsätzliche Zukunftsfragen gerungen werde. Der Ausdruck „Ethikmauer“ wurde einmal eingesandt.

Eine Fotoausstellung zum Unwort des Jahres ist ab 20. März im Kunstforum der TU Darmstadt zu sehen.

Unwort-Statistik 2019

Die Jury erreichten 2019 insgesamt 671 Einsendungen. Darunter waren 397 verschiedene Ausdrücke, von denen knapp 50 den Unwort-Kriterien der Jury entsprachen.

Zu den häufigsten Einsendungen (10 und mehr), die allerdings nicht zwingend den Kriterien der Jury entsprechen, zählen Verschissmus (22x), Deals (16x), Umweltsau (16x), Alte weiße Männer (13x), Verschmutzungsrechte (11x), Klimaleugner (11x), LKW-Vorfall (10x), Flugscham (10x).

Die Jury der institutionell unabhängigen und ehrenamtlichen Aktion „Unwort des Jahres“ besteht aus folgenden Mitgliedern: den vier SprachwissenschaftlerInnen Prof. Dr. Nina Janich/Sprecherin (TU Darmstadt), Prof. Dr. Kersten Sven Roth (Universität Magdeburg), Prof. Dr. Jürgen Schiewe (Universität Greifswald) und Prof. Dr. Martin Wengeler (Universität Trier) sowie dem Autor und freien Journalisten Stephan Hebel.

Als jährlich wechselndes Mitglied war in diesem Jahr der Kabarettist Urban Priol beteiligt.