Gleich zwei Heinz Maier-Leibnitz-Preise

Erfolge in der Energietechnologie-Forschung

02.03.2020

Zwei der diesjährigen Heinz Maier-Leibnitz-Preise der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gehen an die TU Darmstadt – an die Juniorprofessorin Ulrike Kramm (40) und an den Assistenzprofessor Michael Saliba (36). Kramm, seit März 2015 Juniorprofessorin an der TU Darmstadt, entwickelt edelmetallfreie Katalysatoren für Energieanwendungen, wie etwa die Brennstoffzelle. Die Katalysatoren sind preisgünstig in der Herstellung, da sie auf teure und schlecht verfügbare Edelmetalle verzichten. Saliba lehrt und forscht seit April 2019 an der TU Darmstadt auf dem Feld der perowskitbasierten Solarzellenentwicklung, einer kostengünstigen und einfach herzustellenden Alternative zur klassischen Siliziumtechnologie. Die Preise sind mit je 20.000 Euro dotiert.

„Ich freue mich über die Würdigung zweier beeindruckender Persönlichkeiten, die wichtige Herausforderungen für die Gesellschaft und künftige Lösungen für nachhaltiges Wirtschaften im Blick haben“, sagte TU-Präsidentin Professorin Tanja Brühl. „Die TU Darmstadt ist stolz darauf, dass sie den bedeutendsten Preis zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses in Deutschland in diesem Jahr gleich zweimal erhält“, betonte die TU-Vizepäsidentin für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs, Professorin Barbara Albert.

Juniorprofessorin Ulrike Kramm, Fachbereich Chemie sowie Material- und Geowissenschaften
Juniorprofessorin Ulrike Kramm, Fachbereich Chemie sowie Material- und Geowissenschaften

Kramms Forschung

Niedertemperatur-Brennstoffzellen sind für einen CO2-freien Transportsektor essenziell. Ein Problem, das die breite Kommerzialisierung verhindert, ist der Preis des Platins, welches in der Brennstoffzelle als Katalysator zum Einsatz kommt. Ulrike Kramm, Juniorprofessorin in den Fachbereichen Chemie sowie Material- und Geowissenschaften der TU Darmstadt, arbeitet daran, möglichst ganz auf teure und knappe Edelmetalle zu verzichten.

Auf der Suche nach einem Ersatz für die Edelmetalle orientiert sich Kramm an einem Vorbild aus der Natur: dem Blutfarbstoff Hämoglobin. In seinem Zentrum sitzt ein Eisenatom, umgeben von vier Stickstoffatomen. Anders als beim Hämoglobin, bei dem die Eisen-Stickstoff-Einheit als molekulares Zentrum in ein organisches Molekül eingebunden ist, sind die von Kramm entwickelten molekularen Zentren in reinen Kohlenstoff in Form von Graphen integriert. Je nach zu katalysierender Reaktion, kann das Eisenatom auch durch andere Übergangsmetalle wie Kobalt, Kupfer oder Mangan ausgetauscht werden. Der Bedarf an Metall für die Katalyse wird durch die Einbindung der Metalle in das molekulare Zentrum stark reduziert. Mit ihrem Team an der TU Darmstadt arbeitet Kramm an drei Schwerpunkten: Herstellung und Stabilisierung edelmetallfreier Katalysatoren, Aufklärung der Struktur sowie der Katalysemechanismen und Übertragung der Konzepte auf andere Reaktionen. „In der Forschung ist es oft so, dass man zwar ein Problem löst, sich dabei aber viele neue Fragen stellen“, sagt Kramm, die immer versucht, das große Ganze im Blick zu behalten.

Bereits mehrfach ausgezeichnet

Ulrike Kramm hat bereits mehrere Auszeichnungen erhalten: 2018 erhielt sie den mit 50.000 Euro dotierten Preis der Hans-Messer-Stiftung, den höchstdotierten Preis der TU Darmstadt für hervorragende Leistungen des wissenschaftlichen Nachwuchses. Im vorigen Jahr wurde ihr der Curious Mind Award Energie und Mobilität vom Manager Magazin und dem Unternehmen Merck KGaA zuerkannt. Kürzlich wurde zudem eine Abschlussarbeit der Arbeitsgruppe von Kramm ausgezeichnet: Carolin Prössl erhielt auf der Darmstädter Energiekonferenz für ihre Masterarbeit „Stabilization of Fe-N-C catalysts for the Application in Proton Exchange Membrane Fuel Cells (PEM-FC)“ den Sonderpreis des House of Energy.

Kurzbiografie Kramm

Kramm studierte an der Fachhochschule Zwickau Physikalische Technik mit dem Schwerpunkt Umwelttechnik und beschäftigte sich anschließend in einer Kooperation zwischen dem Helmholtz-Zentrum Berlin (HZB) und Toyota mit der Optimierung neuer Brennstoffzellen-Katalysatoren. In ihrer Doktorarbeit am HZB, die sie im Jahr 2009 abschloss, untersuchte Kramm die Struktur der edelmetallfreien Katalysatoren. Während ihrer Postdoc-Aufenthalte am kanadischen Forschungsinstitut INRS-EMT in Varennes, am HZB und an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg verfolgte sie die Strukturaufklärung weiter und entwickelte zudem ein Reinigungsverfahren, das die Katalysatorleistung steigert.

Prof. Dr. Michael Saliba, Fachbereich Material- und Geowissenschaften
Prof. Dr. Michael Saliba, Fachbereich Material- und Geowissenschaften

Salibas Forschung

Der Materialwissenschaftler Michael Saliba zählt international zu den einflussreichsten Forschern auf dem Gebiet der Perowskite und hat hier insbesondere Materialstrukturen für die Fotovoltaik entscheidend mitentwickelt. Perowskite haben sich in den vergangenen zehn Jahren als vielversprechende Materialien für Solarzellen herauskristallisiert. Sie bestehen aus kostengünstigen Komponenten und lassen sich mit preiswerten Prozessen industriell verarbeiten, die mit Techniken aus dem Zeitungsdruck vergleichbar sind.

Solarzellen, die auf Perowskiten basieren, haben Wirkungsgrade erreicht, die mit etablierten, kommerziellen Technologien vergleichbar sind, deren Optimierung Jahrzehnte gedauert hat. Daher werden Perowskit-Solarzellen als besonders vielversprechende Kandidaten für eine nachhaltige Energieproduktion mit niedrigen CO2-Emissionen gehandelt.

Etablierte Technologien können äußeren Witterungseinwirkungen über viele Jahrzehnte widerstehen, ohne sich dabei nennenswert zu verschlechtern. Nun da sich die Perowskit-Solarzellen ihrem theoretischen Leistungsmaximum nähern, ist die zentrale Frage der Langzeitstabilität über viele Jahrzehnte noch immer unbeantwortet. Andererseits ist die Perowskit-Forschung noch relativ jung und konnte daher noch keine verbindlichen Protokolle zu Stabilitätsmessungen etablieren. Damit die Perowskit-Technologie bald zur Marktreife gebracht werden kann, müssen jedoch beschleunigte Alterungsparameter gefunden werden, um die langfristige Degradation bei deutlich kürzerer Alterung unter Laborbedingungen zu extrapolieren.

Kurzbiografie Saliba

Michael Saliba leitet an der TU Darmstadt das Fachgebiet Materialien der Elektrotechnik und parallel eine Nachwuchsgruppe am Forschungszentrum Jülich. Saliba hat an der Universität Stuttgart Physik (Diplom) und Mathematik (Vordiplom) studiert. Seine Diplom-Arbeit fertigte er am Max-Planck-Institut für Festkörperforschung in Stuttgart an. Mit Perowskiten befasst er sich seit seiner Doktorarbeit, die er 2014 an der Oxford University abschloss. Als Marie Curie Fellow forschte er von 2015 bis 2017 an der Ecole polytechnique fédérale de Lausanne (EPFL) in der Gruppe von Professor Michael Grätzel. Anschließend war er Gruppenleiter an der Universität Fribourg in der Schweiz.

Vielfach ausgezeichnet

Saliba erhielt bereits mehrere Auszeichnungen: 2016 kürte ihn der Deutsche Hochschulverband zum Nachwuchswissenschaftler des Jahres, 2017 setzte ihn das MIT Technology Review auf die internationale Liste der Top 35 Innovatoren unter 35. Das Magazin „Times Higher Education“ zählt ihn zu den drei einflussreichsten Wissenschaftlern der Perowskit-Forschung weltweit, laut Thomson Reuters ist er seit 2018 ein „Highly Cited Researcher“. Saliba verweist auf 90 wissenschaftliche Publikationen und ist an vier Patenten beteiligt. Er ist außerdem Mitglied der Jungen Akademie und der Global Young Academy.

feu/cst