Bezwinger des Windes

Erfindung lässt Windräder ruhiger und länger laufen

04.03.2020 von

Der Forscher Benjamin Lambie hat ein patentiertes Konzept zur Lastminderung bei Windkraftanlagen entwickelt, das mit Hilfe des Pioneer Fund nun auch wirtschaftlich ein Erfolg werden soll.

Ein einzelner Flügel mit den selbst-anpassenden Klappen im Windkanal der TU Darmstadt. Eine Modellwindkraftanlage wurde bereits mit diesen Flügel ausgestattet und erfolgreich in Kooperation mit der TU Berlin getestet.

Dass an den Tragflächen beim Start und der Landung Klappen ausgefahren werden, die den Auftrieb des Flugzeuges verändern, hat vermutlich jeder schon mal auf dem Weg in den Urlaub erlebt. Ein Prinzip, das sich Dr.-Ing. Benjamin Lambie in seiner Forschung zu Nutze macht. Die Luftfahrt hat den 39-Jährigen schon immer fasziniert. Ein Grund, warum sich der Geschäftsführer des Profilbereiches Thermo-Fluids & Interfaces der TU bereits im Studium für das Fachgebiet Strömungslehre und Aerodynamik entschied. Über die Aerodynamik landete er jedoch schließlich nicht im Flugzeugbau, sondern bei der Windkraft.

Seit 2009 befasst sich der Wissenschaftler – ebenso wie seither auch drei weitere Doktoranden am Fachgebiet – mit einer der großen Herausforderungen bei der Auslegung von Windkraftanlagen. Die Windräder können heute eine Gesamthöhe von bis zu 200 Metern erreichen. Ein Problem sind dabei die dynamischen Wechsel- und Extremlasten, hervorgerufen durch eine inhomogene Anströmung, und Windböen, die auf die gesamte Struktur der Anlage wirken. Je nachdem, welche Windgeschwindigkeiten in bodennahen oder höheren Bereichen auftreten, „erfahren die Rotorblätter an der Spitze eine Biegeamplitude von über drei Metern mit jedem Umlauf“, berichtet der TU-Forscher. Das führt zu hohen wechselnden Lagerkräften und Belastungen des Windrades. Ein Grund, warum bisher die Lager der Rotorblätter und der Turm relativ massiv gebaut werden müssen, um einer Dauerbelastung standzuhalten.

Patentgeschützte Erfindung

Das möchte Lambie ändern, weshalb er schon für seine Dissertation ein Konzept zur Lastminderung dynamischer Windlasten erarbeitet hat. Zusammen mit dem damaligen Leiter des TU-Windkanales, Klaus Hufnagel, hat Lambie ein Klappen-System entworfen – ähnlich dem an Flugzeug-Tragflügeln –, das die Wechsellast an den Rotoren mindert. Die Profilwölbung passt sich automatisch der Strömung an, ein System, das ohne Sensoren, elektrische Leitungen oder Aktuatorik auskommt. Dadurch werden die Lasten dort gemindert, wo sie entstehen, wie Modellversuche bewiesen haben. Die Anlage läuft dadurch insgesamt ruhiger, hält länger und muss auch nicht mehr so massiv wie bisher gebaut werden, erklärt Benjamin Lambie. Das spart Kosten. Seit 2010 hält die TU Darmstadt ein Patent auf die Erfindung, das für die großen Windkraft-Märkte China, Indien, USA und Europa gilt.

Mit der Förderung durch den Pioneer Fund will der TU-Wissenschaftler nun die wirtschaftlichen Vorteile seines Klappen-Konzeptes genauer quantifizieren und Verwertungsstrategien für das Patent entwickeln. Er hofft darauf, Partner in der Industrie zu finden, die das von ihm und Hufnagel entwickelte Prinzip der adaptiven Profilwölbung einsetzen wollen. Der Markt dafür ist groß, ist Lambie überzeugt. Mit der Förderung aus dem Pioneer Fund kann ein Jahr lang die Stelle des wissenschaftlichen Mitarbeiters Dipl.-Ing. Klaus Schiffmann finanziert werden. „Das hilft enorm“, sagt Lambie. Schiffmann hat die vierte Dissertation zu dem Patent abgeschlossen und gerade erst den Nachweis geliefert, dass das Klappen-Konzept an einer kleinen Modellwindturbine im Windkanal der TU Berlin funktioniert hat.

Pioneer Fund zur Förderung von Innovationen

Der Pioneer Fund, ein gemeinsames Innovationsförderprogramm der TU Darmstadt und der ENTEGA NATURpur Instituts GmbH, fördert die Überführung wissenschaftlicher Ergebnisse in die praktische Anwendung mit jährlich 600.000 Euro. Seit 2016 unterstützt der Fund in der nunmehr 5. Förderrunde Projekte in drei Förderlinien, unter anderem in der Programmlinie Activator und Booster, aus der die hier vorgestellten Projekte stammen. Robert Heitzmann vom IP- und Innovationsmanagement im Dezernat Forschung und Transfer der TU Darmstadt lobt den Pioneer Fund: „Er schafft die Voraussetzungen für die Weiterentwicklung von Forschungsergebnissen zu innovativen Produkten, Prozessen oder Dienstleistungen.“

Validierung von inäquidistanten Verzahnungen im Kontext des autonomen Fahrens

Fachbereich Maschinenbau (Fachgebiet Systemzuverlässigkeit, Adaptronik und Maschinenakustik SAM)

Mit der zunehmenden Autonomisierung der Mobilität rücken elektrische Antriebe sowohl für Fahrzeuge als auch etwa für Türen und Klappen in den Blick. Dabei werden Elektromotoren eingesetzt, die mit sehr hohen Drehzahlen und mehrstufigen Zahnradgetrieben arbeiten. Gerade bei den Zahnradgetrieben jedoch entsteht ein lästiges Geräuschphänomen, das so genannte Getriebeheulen, das den Komfort der Fahrgäste erheblich beeinträchtigt. An dieser Stelle setzt das Projekt von Masterstudent Philipp Neubauer ein: Die innovative inäquidistante Verzahnung soll zur Geräuschminderung an Zahnradgetrieben beitragen. Anhand eines elektrischen Verstell-Antriebes will er die tatsächliche akustische „Performance“ einer solchen Verzahnung validieren und an einem Demonstrator erlebbar machen.

Flexibel einsetzbares Dimensionierungstool für die Ladeinfrastruktur elektrisch betriebener Fahrzeugflotten

Fachbereich Maschinenbau (Institut für mechatronische Systeme im Maschinenbau IMS)

E-Mobilität ist gefragt. Immer mehr Fahrzeuge im Öffentlichen Nahverkehr werden mit staatlicher Förderung von Diesel- auf Elektroantrieb umgerüstet. Vergleichbare Umstellungen werden künftig wohl auch bei Logistikunternehmen oder Entsorgungsbetrieben folgen, woraus sich ein zunehmender Bedarf an optimierten Depots-Konzeptionen ergibt. Fahrzeugflotten können künftig Elektrofahrzeuge unterschiedlichen Typs umfassen – Busfahrzeuge, kleine Elektroautos oder auch Elektrotransporter. Unklar ist dabei unter anderem, ob Ladepunkte für die gesamte Flotte nötig oder eine geringere Anzahl an Ladepunkten ausreichend sein können. Masterstudent Georg Franke will ein Modell entwickeln, das die Anzahl der Ladepunkte für ein Depot unter Berücksichtigung der technischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen optimiert. Neben der Dimensionierung soll das Modell für die kontinuierliche Betriebsoptimierung einsetzbar sein.