Ein Kraftakt

TU-Vizepräsident Heribert Warzecha zum digitalen Sommersemester

15.04.2020 von

Professor Heribert Warzecha, Vizepräsident für Studium und Lehre sowie Diversität, erklärt, wie sich die Corona-Krise auf das am 20. April beginnende Sommersemester auswirkt.

Professor Heribert Warzecha, Vizepräsident für Studium und Lehre sowie Diversität.

Heribert Warzecha ist Pharmazeut und Botaniker, spezialisiert auf Pflanzenbiotechnologie und Synthetische Biologie. Mit Viren und Impfstoffen kennt sich der Professor aus. Pandemien waren jedoch bisher reine Theorie. „Keiner von uns war je mit einem solchen Szenario konfrontiert“, sagt er. Als der 51-Jährige im Januar 2020 sein Amt als TU-Vizepräsident für Studium und Lehre antrat, hätte er sich nicht träumen lassen, „dass die ersten Maßnahmen daraus bestehen würden, die komplette Universität auf den Kopf zu stellen“. Die Mitarbeit als Vize im Präsidium ist eigentlich ein Nebenamt – aus dem ein Fulltime-Job wurde, seit das Coronavirus das öffentliche Leben lahmlegt.

Erstmals in ihrer Geschichte wird die TU Darmstadt ein überwiegend digitales Sommersemester anbieten. Ab 20. April sind Lehrveranstaltungen online für die rund 24.000 Studierenden abrufbar. Die TU hat einen Krisenstab gebildet, viele Angehörige der TU haben umgestellt auf mobile Arbeit, Campus und Universitätsgebäude sind derzeit weitgehend geschlossen. Wie lange?

„Bis Juni fahren wir erst einmal auf Sicht“, so der Vizepräsident. Danach entscheidet die Universität in Abstimmung mit dem Ministerium und je nach Lage, welche Lehrveranstaltungen, die nicht oder nur sehr bedingt digital abgebildet werden können, unter strengen Vorgaben wieder den Präsenzbetrieb aufnehmen. „Lehre bedeutet auch begreifen. Gerade in den Natur- oder auch den Ingenieurwissenschaften sind Laborerfahrungen und Experimente wichtig und die lassen sich nicht gänzlich virtuell umsetzen. Das gilt auch für Exkursionen etwa in der Architektur“, so Heribert Warzecha.

Die TU baut bereits seit Jahren ihr digitales und E-Learning-Angebot aus. „Das jedoch nun flächendeckend zu organisieren, ist ein Kraftakt. Ein Aufwand für alle Lehrenden und Studierenden“, so der Professor. Als Vizepräsident zuständig für den Bereich Studium und Lehre betont er: „Wir versuchen, die bestmögliche Qualität auch unter diesen Bedingungen zu liefern. Ein reduziertes Angebot, aber mit hoher Qualität.“ Und der Flexibilität, Versäumtes nachholen zu können. In dieser besonderen Situation ist Pragmatismus gefragt, „wir müssen jetzt Alternativen finden“, so der Vizepräsident.

Der Forschungsbetrieb an der TU läuft weiter, jedoch mit Schichtdiensten in den Laboren, um das Personalaufkommen zu reduzieren und Abstand halten zu können. Das gilt auch für Prüfungen, die auf mehrere Räume verteilt werden sollen. Mündliche Prüfungen, weiß Warzecha aus eigener Erfahrung, können auch per Videokonferenz abgehalten werden. „Die Lehrenden“, so die Rückmeldungen bisher, „sind hochmotiviert und aufgeschlossen gegenüber der neuen Situation.“

„Wir versuchen, die bestmögliche Qualität auch unter diesen Bedingungen zu liefern. Ein reduziertes Angebot, aber mit hoher Qualität.“

Mit dem Land befindet sich die Universität in einem ständigen Austausch. Denn eines ist auch bereits absehbar: Die Umstellung auf ein komplettes digitales Semester bedeutet nicht nur einen enormen organisatorischen, sondern auch erheblichen finanziellen Mehraufwand. Die Kosten für neue technische Ausstattungen und Software-Programme, die nun angeschafft werden müssen, gehen schnell in die Hundertausende Euro. Zwar gibt es den „Digitalpakt Hochschulen“, für den das Land Hessen von 2020 bis 2024 insgesamt 150 Millionen Euro bereitstellen will, aber das waren Planungen vor der Corona-Pandemie. „Einen Notfall-Fonds wie in der Wirtschaft gibt es für die Hochschulen noch nicht, aber Gespräche laufen“, so der Vizepräsident.

Wie der Lehrbetrieb ab Juni an der TU aussehen wird, soll situationsbedingt entschieden werden. Einen Normalbetrieb erwartet Heribert Warzecha nicht. „Wir werden sicherlich erst langsam wieder hochfahren.“