Verständniskontrolle per Pausentaste

Online-Vorlesungen am Fachbereich Mathematik

21.04.2020 von

Seine Vorlesungen zur „Höheren Mathematik II“ hält Professor Robert Haller-Dintelmann erstmals komplett online. Aufzeichnungen am Laptop im Homeoffice sind für ihn dabei nicht praktikabel, denn in fast keinem anderen Fach spielt die Tafel eine so wichtige Rolle wie in der Mathematik. Derzeit hält der TU-Professor daher in einem leeren Hörsaal vor laufender Kamera seine Vorlesungen für das Sommersemester.

Ein bisschen merkwürdig ist es schon, vor leeren Rängen zu stehen und auf leere Sitzreihen zu schauen statt in die Gesichter seiner Studierenden. Live-Aufzeichnungen seiner Vorlesungen hat Professor Robert Haller-Dintelmann in früheren Semestern öfter praktiziert, aber noch nie in einer Situation wie der aktuellen. Ein Effekt der Lehrveranstaltung ohne Publikum: „Ich war zehn Minuten früher fertig als sonst, vermutlich, weil es keine Rückfragen gab“, sagt er und lächelt. Unter normalen Umständen sieht er an den Reaktionen seiner Zuhörenden, ob er einen Ansatz erneut und vielleicht etwas anders erklären muss. Diese Rückmeldung fehlt ihm nun – und auch den Studierenden. „Ich werde jedoch versuchen, das mit regelmäßigen Online-Sprechstunden aufzufangen“, verspricht der Mathematiker. „Nachfragen sind wichtig und wertvoll, sowohl für mich als auch für die Studierenden.“

Prof. Dr. Robert Haller-Dintelmann
Prof. Dr. Robert Haller-Dintelmann

OpenLearnWare

Die Vorlesung von Professor Robert Haller-Dintelmann ist auf der Plattform OpenLearnWare online abrufbar.

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Erfahrungen mit Vorlesungsaufzeichnungen hat Haller-Dintelmann schon in früheren Jahren gesammelt, als die ersten G8-Doppeljahrgänge zu überfüllten Hörsälen führten. Die Vorlesung zum Nachhören ins Netz zu stellen „war damals eine Notlösung, aber eine sehr fruchtbare“, findet er. Jeder und jede kann den Stoff so erneut im eigenen Verständnistempo in Ruhe anhören und nochmals durchgehen. „Das Beste und Wertvollste an einer Aufzeichnung ist die Pausentaste“, sagt der Professor. Anhalten, zurückspulen, nochmals anhören und das jederzeit. Oder als Vorbereitung für Klausuren die Vorlesungen zum Überblick im Schnelldurchgang laufen lassen. „Bei den Studierenden kommt das gut an, ich habe viele positive Rückmeldungen erhalten“, sagt Haller-Dintelmann.

In seinen Vorlesungen zur „Höheren Mathematik II“ sitzen im Sommersemester rund 50 Studierende unter anderem aus den Bachelorstudiengängen Angewandte Geowissenschaften, Sportinformatik oder auch angehende Berufsschullehrende etwa für Metalltechnik. Es sind Pflichtvorlesungen für Studierende, die „Mathematik fürs Studium brauchen, aber wenig“, beschreibt es der Professor. „Dennoch keine einfache Vorlesung“, betont er. Mathematische Formeln und Lösungswege an die Tafel schreiben zu können, ist für ihn dabei ein essentielles Element der Wissensvermittlung. „Die Tafel ist ein tolles Werkzeug, um Mathematik zu präsentieren.“ Und der wichtigste Grund, warum er seine Vorlesungen nun im leeren Hörsaal hält und eine studentische Hilfskraft der Hochschuldidaktische Arbeitsstelle (HDA) der Universität alles live aufzeichnet. Auf einem Tablet reicht der Platz nicht aus. „Da kriege ich nicht so viel Inhalt auf eine Seite. Auf einer Tafel muss ich nicht scrollen, der Stoff kann mit einem Blick erfasst werden und bleibt minutenlang stehen.“

„Bei den Studierenden kommt das gut an, ich habe viele positive Rückmeldungen erhalten.“

Um den Kontakt zu seinen Studierenden zu halten, wird der Professor regelmäßig nach der Vorlesung Online-Sprechstunden anbieten. „Je nach Rücksprache mit den Studierenden vermutlich auf Skype oder Zoom“, sagt er. Rückmeldungen auf schriftlichem Wege sind einfach „zu mühsam“, findet er. Auf der TU-Lernplattform „Moodle“ will er zuvor mit Hilfe eines Voting-Tools die Nachfragen sammeln und die Themen, über die seine Studierenden sprechen wollen. An der Sprechstunde selbst sollen dann möglichst alle 50 Studierenden gleichzeitig teilnehmen können – in Form einer Videokonferenz beispielsweise über Zoom.

Zurückhaltend ist der Mathematik-Professor nur in einem Bereich: Bei elektronischen Klausuren. Mündliche Prüfungen wird er online abhalten, aber bei Klausuren ist er skeptisch. Multiple Choice sei in der Mathematik keine Option. „Bei uns zählt der Lösungsweg oftmals mehr als das Ergebnis.“