Virtuelle Beziehungsarbeit

E-Learning-Tipps von Alexandra Stang

28.04.2020 von

Erfahrung mit digital gestützter Lehre erwarb Alexandra Stang schon in der eigenen Studienzeit. Seit knapp zwei Jahren arbeitet sie am Zentrum für Interkulturelle Kompetenz (ZIKK), das dem Sprachenzentrum der Universität zugeordnet ist. Dort organisiert sie unter anderem ein interkulturelles Planspiel-Projektseminar zu standortübergreifender virtueller Zusammenarbeit in heterogenen Teams und befasst sich ausführlich mit Webinaren und studentischen Medienprodukten. Hier gibt sie viele anschauliche Tipps.

Online-basiertes Lernen setzt bei Studierenden viel Selbstorganisation und Selbstlernkompetenz voraus (Symbolfoto).

Themenschwerpunkt „Digitales Sommersemester“

In diesem Sommersemester ist vieles anders: Digitale Lehre und Online-Studium prägen den Campus-Alltag. Experimentierfreude und Neugierde, aber auch Pragmatismus sind in Corona-Zeiten gefragter denn je. Wie hat sich die TU Darmstadt auf die Herausforderungen vorbereitet, auf welche Erfahrungen im E-Learning setzt sie und was bietet sie an? Ein Themenschwerpunkt. Eine Serie.

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Studien zum e-Learning zeigen, dass die Abbruch-Quote im Vergleich zu Präsenzveranstaltungen überdurchschnittlich hoch ist – und auf bis zu 70 bis 80 Prozent emporschnellen kann. „Das rückt die Frage des „Warum?“ in den Fokus“, sagt Alexandra Stang. Oftmals liege es an fehlender Struktur, also einem roten Faden, an schlechten Videoaufzeichnungen, mangelnden Partizipationsmöglichkeiten und unklaren, intransparenten Arbeitsanweisungen. Die Chancen der digital unterstützten Lehre blieben so ungenutzt, die Motivation der Teilnehmenden können nachlassen. Die Umstellung sei nicht nur rein technischer Natur, „es geht auch um digitale soft skills“, erklärt die Fachfrau. Erfolgreiche Online-Veranstaltungen lebten vor allem davon, dass es Lehrenden gelinge, Beziehungen zu Studierenden und Gruppendynamiken aufzubauen. Wenn Lehrende ein paar Regeln und Empfehlungen befolgen, lässt sich die Dropout-Quote erheblich verbessern, sagt Stang. Hier eine Auswahl:

Studierende und sich selbst am Anfang nicht überfordern

Das Coronavirus und die Entscheidung für ein digitales Sommersemester zwingen zu neuen Konzepten. Online-basiertes Lernen setzt viel Selbstorganisation und Selbstlernkompetenz voraus, die bei Studierenden unterschiedlich ausgebildet ist. Wichtig ist, betont die TU-Mitarbeiterin, Inhalte so auszuwählen, dass neben der Vermittlung genügend Zeit für Erfahrungsaustausch und Übungsphasen bleibt. Meist ist eine didaktische Reduktion des Stoffes nötig. „Man muss nicht seine ganze Lehrveranstaltung innerhalb von zwei Wochen komplett auf digital umstellen.“ Sie rät, zunächst zwei bis drei Veranstaltungen fertig zu konzipieren und dann von Woche zu Woche das Konzept vor dem Hintergrund realistischer Erwartungen anzupassen. Stang empfiehlt, eine anonyme Feedback-Funktion einzubauen, über die Studierende Rückmeldungen geben können. „So helfen wir uns gegenseitig.“

Auch in der Online-Lehre gilt: Learning by doing. „Wir müssen uns auf einen kreativen Prozess einlassen und die Veranstaltung agil an die gegebenen Rahmenbedingungen der Studierenden anpassen.“ Mit Unbestimmtheit und Unsicherheit, die durch medientechnologische Lehr- und Lernsettings entstehen, müsse man lernen, konstruktiv umzugehen. Der Organisationsaufwand digitaler Lehrveranstaltungen ist hoch. Stang wünscht sich, dass das in Zukunft entsprechend auf das Lehrdeputat angerechnet werde. Auch als Anreiz, sich über Corona-Zeiten hinaus zu engagieren und neue Lehr- und Lernformate zu entwickeln.

Voneinander lernen

Die jetzige Studierendengeneration ist größtenteils mit digitalen Medien und Tools aufgewachsen. Lehrkräfte können die Ideen und Anregungen der Studierenden gewinnbringend für alle nutzen. Wichtig findet Stang, dass Lehrende und Studierende sich gleich zu Beginn einigen, welche digitalen Plattformen, Konferenztools sie gegebenenfalls neben der Moodle-Plattform einsetzen möchten, sodass alle Zugang dazu haben. Nur dann sind Studierende motiviert, teilzunehmen und sich einzubringen.

Virtuelle Beziehung aufbauen

Der Erfolg von Online-Veranstaltungen hängt von der nachhaltigen Beziehung zwischen Lehrenden und Studierenden ab. Die Expertin empfiehlt daher beispielsweise, Studierende in kleineren Webinaren mit ihrem Namen anzusprechen, so fühlen sie sich mit Beiträgen wertgeschätzt und ernstgenommen. Das bewirke einen Motivationsschub. Stang schlägt vor, Brücken zu bauen mit kleinen Übungen auf Moodle. Studierende und Lehrende können dort ein Foto von sich im Homeoffice einstellen und berichten, welche fachlichen und persönlichen Expertisen sie mitbringen. Damit verschwinde die Anonymität des virtuellen Raums. Stattdessen stünden nun Gesichter und persönliche Geschichten vor Augen. „So lernen sich alle Teilnehmenden kennen und virtuelle Gruppendiskussionen und -arbeiten werden erleichtert“, sagt Stang.

Wahl des richtigen Formates

Auch für die digitale Lehre ist es wichtig, Lehr-/Lernformen, Prüfungsformen und Lernziele gezielt aufeinander zu beziehen. Die Umsetzungsformen unterscheiden sich je nach Fachdisziplin und Veranstaltungstyp. „Es macht einen Unterschied, ob ich kognitiv Wissen abfragen muss oder handlungsorientiert arbeite“, so Stang. Bei der Umsetzung helfen Leitfragen: Welche Learning-Outcomes werden in der Lehrveranstaltung erwartet? Welche Lehr- und Lernmethoden sowie Lernaktivitäten sollen eingesetzt werden, um die Lernziele zu erreichen? Oder durch welche e-basierten Prüfungsformen können Lernziele sinnvoll abgefragt werden. Je nach Veranstaltungstyp können Medienprodukte, die Studierende selbst erstellen, als Prüfungsleistung anerkannt werden. Bei einer gelungenen Umsetzung können diese nachfolgenden Studierendengenerationen zur Verfügung gestellt werden. Studierende investieren häufig sehr viel Zeit und Engagement in solche Medienartefakte, wenn sie wissen, dass diese auch danach genutzt werden.

Klare Regeln und was sonst noch sinnvoll ist

Es ist sinnvoll, Kollegen und Kolleginnen oder auch fachfremde Personen vorher einmal das eigene e-basierte Veranstaltungs- und Prüfungskonzept lesen zu lassen. Ist es verständlich und transparent, funktionieren alle gesetzten Links? Das sollte vorher getestet werden, um Frust zu vermeiden.

Eindeutige Regeln sollten miteinander vereinbart werden: Bis wann müssen Aufgaben eingereicht werden? Um ständige Rückfragen zu vermeiden, sollten dabei Arbeitsanweisungen klar formuliert sein. Gibt es Online-Sprechstunden etwa über Skype oder Zoom? Diese sollten zu festen Zeiten angeboten werden. Für geboten hält Stang zudem ein zeitnahes Feedback auf Fragen. „Spätestens innerhalb von drei Tagen, denn den Studierenden brennen die Fragen auf den Nägeln.“

Auch mal offline gehen

Digitales Lehren und Lernen kostet Kraft. Studierende und Lehrende müssen eine gesunde Balance zwischen on- und offline finden. Fragen und Regeln sollten klar kommuniziert und für alle transparent sein. „Dann kann man auch mit gutem Gewissen offline gehen“, findet die Dozentin.