Interaktive Lernspiele, pädagogische Agenten

„Der Vortrag im Hörsaal ist flüchtig"

30.04.2020 von

Josef Wiemeyer hat dieser Tage einen großen Punktvorsprung. Der TU-Professor für Sportwissenschaft befasst sich schon seit fast 20 Jahren mit elektronischen Lernformaten. Im digitalen Sommersemester kann er auf einen großen Schatz an Materialien, Tipps und Erfahrungen zurückgreifen – für seine Studierenden, aber auch für die Kollegen und Kolleginnen. Er macht sich vor allem für interaktive Angebote stark.

Professor Josef Wiemeyer bei der Aufzeichnung seiner Vorlesung.

Das digitale Sommersemester trifft Professor Josef Wiemeyer nicht unvorbereitet. Vorlesungsaufzeichnungen, Moodle-Übungen, interaktives Lernen – damit befasst sich der Sportwissenschaftler schon lange und er hat die verschiedenen Spielarten in sein eigenes Lehrprogramm aufgenommen. 1996 kam er an die TU Darmstadt und seit den Anfangszeiten des E-Learning erforscht er die Formate und Möglichkeiten des Online-Lernens. Zuweilen auch mit einem Schuss Skepsis. „E-Learning ist kein Wundermittel“, findet er. „Es gilt das passende digitale Format für die jeweilige Lehrveranstaltung zu finden.“ Ein Kernproblem stelle sich immer: „Ich muss die Studierenden beim Online-Lernen aktivieren und begeistern.“ Daher plädiert der Sportwissenschaftler und Sportmediziner vor allem für interaktive Formate.

Seit rund zehn Jahren zeichnet Wiemeyer seine Vorlesungen auf. „Der Vortrag im Hörsaal ist flüchtig. Die Studierenden müssen ihn verstehen und gleichzeitig Fragen für sich formulieren. Da geht so manches verloren“, so seine Erfahrung. Daher hat er seine Lehre schon vor Jahren nach dem Prinzip des „Umgedrehten Unterrichts – Inverted Classroom“ ausgerichtet. Das heißt, er stellt seine Vorlesungsaufzeichnung, Folien, Gliederungen, e-Tests, Glossare oder Videos auf der Uni-Lernplattform Moodle ein und seine Studierenden können sich diese Informationen vor dem Vorlesungstermin herunterladen. Bei der eigentlichen Präsenzveranstaltung dann können die Studierenden Fragen stellen, Themen diskutieren. „Dadurch ergeben sich viel mehr Möglichkeiten in der Präsenzveranstaltung; ich bemerke ein deutlich vertieftes Lernen und einen intensiveren Austausch“, betont der Professor.

Live-Chat als Ersatz

Im digitalen Sommersemester verfährt er weiterhin mit seinen Aufzeichnungen so und ersetzt die Präsenztermine durch einen Live-Chat. Jeden Montag und Dienstag ist er im Sommersemester nun zu den Vorlesungszeiten für Fragen seiner Studierenden erreichbar. Ergeben sich außerhalb dieser Zeiten Fragen, hat er ein Forum dafür eingerichtet, geplant sind bei Bedarf auch Online-Sprechstunden. Seminare mit 20 bis 40 Teilnehmenden hält er per Zoom-Konferenz ab, wo alle live zusammenkommen, sich sehen, hören und auch Dokumente austauschen können.

Auf der TU-Lernplattform Moodle finden die Studierenden Übungen, Lernspiele oder Videos. Für seinen Lehrschwerpunkt Bewegung und Training gibt es eine Vielzahl an Filmsequenzen, die Bewegungsabläufe wie etwa für den Hochsprung zeigen. „Die sind sehr anschaulich“, betont er. Ein Vorteil, den die Sportwissenschaft gegenüber abstrakteren Fächern hat.

„Didaktisch wertvolle“ Spiele

In seine Vorlesungen, Seminare und Übungen streut Josef Wiemeyer interaktive Elemente ein. Studierende können Bewegungsabläufe anhand von Bildern sortieren oder auch Lernspiele ausprobieren. Bei „Wer wird Millionär“ denkt sich der Professor Fragen und Antworten aus. „Wie bei Günther Jauch“, scherzt er. Das ist aufwändig, denn die Antworten, vor allem die nicht korrekten, müssen Denkfehler beinhalten, über die Wiemeyer anschließend mit seinen Studierenden ins Gespräch kommen will. „Sie sollen nicht nur Spaß haben, sondern auch fachlich von den Lernspielen profitieren. Es soll didaktisch wertvoll sein.“

Professor Wiemeyer arbeitet mit vielen verschiedenen Elementen.
Professor Wiemeyer arbeitet mit vielen verschiedenen Elementen.

„Tutor Tom“

Gemeinsam mit einer einstigen Diplom-Studentin hat er sich auch „Tutor Tom“ ausgedacht. Der sieht aus wie eine Comic-Figur und kann von Studierenden für Übungen aktiviert werden. Tom kommentiert mit Audio-Sequenzen oder auch Sprechblasen, gibt Tipps oder Korrekturvorschläge. „Tutor Tom“ ist ein sogenannter Pädagogischer Agent. Um Sporthochschüler anzusprechen, trägt er Turnschuhe und „spricht wie ein Student, nicht wie ein Dozent“, betont Wiemeyer.

Des Professors „Lieblingsinstrument“ heißt ARS – Audience Response System. Das Projekt gibt es in einer von der EU-geförderten Version namens ARS-Nova. Dort kann man sich als Dozent kostenlos anmelden und Fragen einstellen. In der Vorlesung oder Lehrveranstaltung dann loggen sich die Studierenden mit ihren Smartphones, Tablets oder Notebooks ein und können in Echtzeit Fragen beantworten, ankreuzen oder kleine Texte schreiben. Anschließend werden die Ergebnisse gemeinsam ausgewertet. „Alle müssen antworten. Keiner wird bei einer falschen Antwort bloßgestellt. Als Dozent erhalte ich so einen sehr repräsentativen Überblick über den Wissenstand meiner Studierenden“, begeistert sich Wiemeyer für ARS. Und auch seine Studierenden finden es toll und verlangen nach Wiederholungen.