Zeitmaschine: Die TH in der NS-Zeit

Diskriminierende Maßnahmen der NS-Bürokratie gegen politisch und „rassisch“ missliebige Personen

25.05.2020 von

Beni Herzfeld, der an der damaligen TH Darmstadt promovierte, war einer von etwa 2.000 Doktoren in Deutschland, die in der NS-Zeit aufgrund von Ausbürgerung oder durch ein politisches Strafverfahren ihren akademischen Grad verloren.

Die „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten veränderte nahezu alle sozialen und gesellschaftlichen Bereiche in Deutschland. Auch deutsche Hochschulen waren von starken Regulierungen und Umgestaltungen geprägt. Auf der Grundlage neuer Gesetze wurden politisch sowie „rassisch“ missliebige Personen sukzessive aus dem Hochschulwesen verdrängt.

Auch in Darmstadt waren Lehrende, Studierende und Absolventen von den diskriminierenden Maßnahmen der nationalsozialistischen Ideologie betroffen. Diverse Gesetze und Verordnungen der NS-Bürokratie waren für eine Umgestaltung nach rassischen Vorstellungen verantwortlich. Auch wenn die vorgeschriebene Höchstzahl an „nichtarischen“ Studierenden in Darmstadt kaum zum Tragen kam, wurden viele Immatrikulationen jüdischer Bewerber abgelehnt. Dennoch wurde selbst in den Jahren 1943 und 1944 noch vereinzelt Juden der Studienbeginn erlaubt. Vier Studierende des Fachbereichs Maschinenbau wurden exmatrikuliert, drei von ihnen bereits 1933 aufgrund von „Betätigung im kommunistischen Sinne“.

Titelblatt der Doktorarbeit von Beni Herzfeld.
Titelblatt der Doktorarbeit von Beni Herzfeld.

Des Weiteren wurde im selben Jahr Karl Jakob Mayer der Grad des Ehrensenators aberkannt und der Lehrkörper einer „rassischen Säuberung“ unterzogen. Vier Absolventen der Fakultät Elektrotechnik wurde der Doktorgrad entzogen.

Rapider Anstieg von Depromotionen

Eine Emigration, die von der NS-Diktatur als unwürdiges Verhalten deklariert wurde und zur Ausbürgerung führte, begründete neben dem Täuschungsversuch einen zweiten Grund für eine Aberkennung eines akademischen Titels. Die politische Instrumentalisierung dieser Maßnahmen führte zu einem rapiden Anstieg der Depromotionen unter der NS-Diktatur.

Der Darmstädter Beni Herzfeld (geb. 1880) war der Letzte, der von solch einem politischen Verfahren betroffen war. Zwischen 1897 und 1901 studierte er Elektrotechnik an der TH Darmstadt. 1903 schloss er seine Promotion bei Karl Wirtz und Adolf Sengel mit der Arbeit „Über die Abhängigkeit des Hysteresisverlustes im Eisen von der Feldwechselzahl“ erfolgreich ab.

Herzfeld wurde erst 1941 als Folge seiner Auswanderung in die USA sein Titel durch einen Beschluss des Rektors Karl Lieser vom 29.04.1941 entzogen – was aufgrund der rechtlichen Lage schon früher möglich gewesen wäre.

Auch die Tatsache, dass die nationalsozialistische Umstrukturierung lediglich bei vier von über 20 jüdischen Promotionen, die vor 1934 verliehen wurden, im Verlust des akademischen Grads gipfelte, zeigt, dass die Maßnahmen gegen jüdische Akademiker nicht als Darmstädter Initiative bezeichnet werden können, obwohl die Anzahl durchaus im Durchschnitt Technischer Hochschulen lag.

Herzfeld floh bereits 1938 mit seiner Frau und zwei Kindern von Straßburg aus in die USA, wo er den Namen Beni Hervey annahm und bis zu seinem Tod im Februar 1953 in Kalifornien lebte. Ob Herzfeld über die Depromotion benachrichtigt wurde, kann aufgrund der schlechten Aktenlage nicht nachvollzogen werden. Es blieb den Hochschulen überlassen, die Betroffenen in Kenntnis zu setzen. Er war einer von etwa 2.000 Doktoren in Deutschland, die aufgrund von Ausbürgerung oder durch ein politisches Strafverfahren ihren akademischen Grad verloren. Im Rahmen des Projekts zur Aufarbeitung der Vergangenheit der Universität mit dem Titel „TH Darmstadt und Nationalsozialismus“ wurden die Opfer des NS-Unrechts an der Technischen Hochschule Darmstadt im Januar 2015 rehabilitiert.

Der Autor ist Student der Geschichtswissenschaft an der TU Darmstadt sowie studentische Hilfskraft im Universitätsarchiv.