Pausetaste für Lichtteilchen

TU-Forschungsteam lässt Photonen und Atome interagieren

16.06.2020 von

Forschende der TU Darmstadt stoppen einzelne Photonen und können sie auf Knopfdruck wieder loslassen. Das Werkzeug könnte etwa für abhörsichere Kommunikation genutzt werden. Oder für etwas bislang Unmögliches.

Dr. Thorsten Peters beim experimentellen Aufbau zur Abbremsung einzelner Lichtteilchen in einer mit ultrakalten Atomen gefüllten Lichtleitfaser.

Wie stoppt man etwas, das schneller ist als alles andere, nicht greifbar und von Natur aus immer in Bewegung? Ein Team um die Physiker Dr. Thorsten Peters und Professor Thomas Halfmann tut das unmöglich Erscheinende. Sie stoppen Licht für winzige Sekundenbruchteile. Auf Knopfdruck beenden sie den Zwischenhalt, sodass der Lichtpuls seine Reise fortsetzt. Die Forschenden halten sogar einzelne Lichtteilchen an.

Was nach einer physikalischen Spielerei klingt, könnte für künftige Anwendungen nützlich sein. Die so genannte Quantentechnologie versucht, bizarre Effekte der Quantenphysik für schnellere Computer, präzisere Sensoren oder abhörsichere Kommunikation zu nutzen. Photonen spielen dabei eine entscheidende Rolle. Sie werden in der Quantentechnologie als Informationsträger genutzt. Dafür braucht man in der Physik zum Beispiel Lichtquellen, die auf Knopfdruck einzelne Photonen abgeben. Um die auf Lichtteilchen gespeicherte Information zu verarbeiten, wäre es zudem wichtig, wenn einzelne Photonen miteinander wechselwirken würden. Dies tun sie normalerweise nicht. In Quantencomputern der Zukunft sollen Lichtteilchen ihre Information auf Atome übertragen und umgekehrt. Auch dafür muss die Interaktion zwischen den beiden Teilchenarten verstärkt werden. Die von der Gruppe aus der TU Darmstadt gestoppten Photonen könnten das ermöglichen.

Falle für Atome

Doktorandin Antje Neumann am Versuchsstand.
Doktorandin Antje Neumann am Versuchsstand.

Wie funktioniert die Vollbremsung für Licht? Zwar gelingt es schon länger, Photonen gleichsam einzufrieren und auf Kommando wieder loszuschicken. Während des Zwischenstopps existieren die Lichtteilchen aber nicht als solche. Sie werden von einer Atomwolke geschluckt, die dabei einen so genannten angeregten Zustand annimmt. Dieser speichert das Photon gleichsam als Information. Erst auf ein Signal hin wandelt sich die Anregung wieder in ein Lichtteilchen um, das nun weiterfliegt. Die Darmstädter Forscher machen es ähnlich, doch mit einem wesentlichen Unterschied: Bei ihnen bleiben die Photonen als solche erhalten.

Das Licht steht buchstäblich still. Das Darmstädter Team nutzt eine besondere Glasfaser. Diese hat in der Mitte einen hohlen Kanal von weniger als zehn Tausendstel Millimetern Durchmesser. Um den Kern herum besitzt die Faser eine poröse Struktur, die Licht von sich fernhält. Dadurch konzentriert sich ein Laserstrahl in der Mitte des hohlen Kanals. Sein Querschnitt verengt sich auf rund einen Tausendstel Millimeter. Das Lichtbündel dient den Forschenden als eine Art Falle für Atome. Sie bringen RubidiumAtome in die Hohlfaser. Diese sammeln sich aufgrund elektromagnetischer Kräfte in der Mitte des Laserstrahls. Nun schicken die Fachleute die Photonen in den Kanal, die sie stoppen wollen. Grob gesagt, gelingt die Vollbremsung durch zwei weitere Laserstrahlen, die beidseitig in die Hohlfaser geführt werden. Diese halten die Photonen, bildlich gesprochen, zwischen sich gefangen, wie zwei Fußballer, die den Ball hin- und her kicken.

„Nichtlineare Optik“ nutzen

„Es ist auch ähnlich zu einer Kammer, in der Licht zwischen zwei Spiegeln hin- und hergeworfen wird“, erklärt Thorsten Peters. „Nur eben ohne Spiegel.“ Das TU-Team ist das erste, dem es gelungen ist, Photonen in einer so engen Kapillare auf diese Art abzubremsen. Leicht war das nicht. Eine optische Eigenschaft namens „Doppelbrechung“ macht es sehr kompliziert. Durch aufwändige Analyse der Doppelbrechung konnte das Team seine Methode so verfeinern, dass das Stoppen einzelner Photonen gelang.

Mit dem Stoppen des Lichts an sich geben sie sich aber nicht zufrieden. „Unser Ziel war es, dass Photonen stärker mit Atomen wechselwirken als normalerweise“, sagt Peters. Insbesondere soll es gelingen, dass jeweils zwei Lichtteilchen gleichzeitig mit einem Atom in Interaktion treten. Das würde ein nützliches Phänomen hervorrufen, das in der Physik „nichtlineare Optik“ genannt wird. Dabei dringen Photonen in ein Medium, etwa einen speziellen Kristall, ein. Wenn zwei Lichtteilchen gleichzeitig auf eines der Atome des Kristalls treffen, interagieren sie untereinander. Dadurch verändert sich die Frequenz, sprich die Farbe, des Lichtes. Die neue Frequenz kann zum Beispiel die Summe der Frequenzen der eingestrahlten Photonen sein.

Kristall aus Lichtteilchen

Technische Anwendungen solcher Effekte gibt es viele, zum Beispiel in Laserpointern. Die Methode hat einen Nachteil: Um zu garantieren, dass genügend Paare von Photonen jeweils simultan auf ein Atom im Medium treffen, braucht man Laser hoher Intensität. „Mit unserer Methode hingegen könnte eine schwache Lichtintensität reichen“, sagt Peters. Das gelingt, weil die Atome auf den gleichen engen Bereich in der Hohlfaser eingezwängt sind wie der Laserstrahl. Das Licht hat somit maximalen Kontakt mit der Atomwolke. Die Wahrscheinlichkeit, dass zwei Photonen simultan auf ein Atom treffen, ist somit schon bei kleiner Intensität des Lichtes relativ hoch. Der gleiche technische Kniff, der das Stoppen der Lichtteilchen ermöglicht, soll also eine neue Methode für die nichtlineare Optik schaffen.

Das Darmstädter Team hat mehr Ideen, sein neues Verfahren zu nutzen. Eine schaltbare Quelle für einzelne Photonen ist eine davon. Eine weitere: Ein Kristall aus Lichtteilchen. Kristalle bestehen normalerweise aus absolut regelmäßig angeordneten Atomen, aufeinander geschichteten Kugeln vergleichbar. Eine große Anzahl gestoppter Lichtteilchen könnte ebenfalls ein geordnetes Gitter ausbilden. „Wir könnten damit einen Festkörper simulieren“, sagt Peters. Die Physik der festen Materialien ist ein aktives Forschungsgebiet. In der Forschung werden theoretische Modelle verwendet, um sie zu verstehen – oft durch Simulation in Computern. Doch die Modelle sind derart komplex, dass sie Rechner schnell überfordern. Daher suchen Forscher und Forscherinnen nach Möglichkeiten, Kristalle auf andere Weise nachzuahmen. Ein simulierter Festkörper aus Lichtteilchen wäre eine Art.

„Wir arbeiten weiter intensiv daran“, sagt Peters. Die Zusammenarbeit mit anderen Forschungsgruppen sei für den Erfolg entscheidend, so der Physiker. Die aktuelle Arbeit hat das Team zusammen mit Gruppen aus Taiwan und Bulgarien im Rahmen eines EU-geförderten Projektes erzielt. Auch Partner aus der Industrie sind an dem Forschungsprojekt beteiligt, das innovative Techniken für die Interaktion von Licht mit Materie entwickeln will. „Der Austausch ist sehr rege“, freut sich Peters. Die nächsten Erfolge werden nicht lange auf sich warten lassen.

Weiterführende Infos

Thorsten Peters et. al.: Singlephoton-level narrowband memory in a hollow-core photonic bandgap fiber, Optics Express, Vol. 28, No. 4, 5340 (2020)

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