Beschleunigter Partikel-Selbstantrieb
Funktionalisierte Oberflächen machen selbstschwimmende Partikel schneller
14.07.2020
Das Schwimmverhalten halbseitig mit Gold beschichteter Mikrokügelchen kann durch nahe funktionalisierte Oberflächen beeinflusst werden. Das haben Forscherinnen der Arbeitsgruppe Weiche Materie an Grenzflächen (Professorin Regine von Klitzing) der TU Darmstadt gemeinsam mit Kollegen der Universität Leipzig herausgefunden. Erkenntnisse über den Selbstantrieb von Partikeln sind etwa beim Wirkstofftransport relevant, tragen aber auch zum Verständnis biologischer Systeme bei.
![Arbeitsgruppe Weiche Materie an Grenzflächen/TU Darmstadt](/media/daa_responsives_design/01_die_universitaet_medien/aktuelles_6/news_1/medien_news_aelter/2020_2/Partikel_Selbstantrieb_web_870x0.jpg)
Für die Versuche haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sogenannte Januspartikel – hier halbseitig mit Gold beschichtete Polystyrolpartikel (Durchmesser ca. 1µm) – zwischen zwei Glasträgern in Wasser verteilt. Diese wurden dann von unten mit grünem Laserlicht beleuchtet. Die Partikel begannen sich daraufhin fortzubewegen – angetrieben durch die asymmetrische lokale Erwärmung.
Mit lasermikroskopischen Methoden konnten die Forscherinnen und Forscher nachweisen, dass die Beschaffenheit der Oberflächen der Glasträger einen entscheidenden Einfluss auf die Geschwindigkeit der Teilchen hat. Über einer reinen, elektrisch negativ geladenen Glasoberfläche kommt es aufgrund der durch Wärmestrahlung von der Goldkappe verursachten Temperaturgradienten auf der Oberfläche zu einem Konzentrationsgradienten der Ionen innerhalb der EDL (electric double layer). Die Folge: Weitere lokale Mikroströmungen sorgen für ein Kippen der Partikel über die Goldkappe. Die lateral resultierende Geschwindigkeit wird damit geringer und die Partikel werden insgesamt langsamer.
Gezielter Transport von Arzneistoffen möglich
Wird der Glasträger hingegen mit einer Struktur aus ungeladenen Polymerbürsten funktionalisiert, so ist die Ionenkonzentration an der Grenzfläche Bürste/Wasser niedriger, die lokalen Mikroströmungen sind deutlich geringer und folglich ist die Partikelgeschwindigkeit höher. Zusätzlich haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler herausgefunden, welchen Einfluss die Kettenlänge („Höhe“) der Polymerbürsten auf die Geschwindigkeit der Teilchen hat.
Die Ergebnisse sind unter anderem relevant im Kontext des gezielten Transports von Arzneistoffen in biologischen Systemen, wo die Schwimmer häufig mit komplexen Oberflächen in Kontakt kommen. Sie legen aber auch einen Grundstein zu zukünftigen experimentellen Untersuchungen des kollektiven Vielteilchenverhaltens von Mikroschwimmern in komplexen Umgebungen, für das sich etwa die um Professor Benno Liebchen, ebenfalls am Arbeitsgruppe Theorie weicher Materie, interessiert. Entsprechende Untersuchungen könnten als Brücke zwischen experimentell kontrollierbaren künstlichen Systemen und funktionaler biologischer Materie dienen. Fachbereich Physik
Der Artikel wurde im Fachjournal Langmuir als „supplementary cover“ veröffentlicht und zeigt ein Beispiel, wo die Forschungsrichtungen aus zwei TU-Profilbereichen (und TFI – Thermo-Fluids & Interfaces ) ineinandergreifen. PMP – Vom Material zur Produktinnovation
Sebastian Keuth/Regine von Klitzing/mho