Städtebauer, Visionär und Kosmopolit

Todestag des Architekten Ernst May jährt sich am 11. September zum 50. Mal

11.09.2020 von

Das Städtebauprojekt »Neues Frankfurt«, der Wiederaufbau Wiesbadens und die »Siedlung Kranichstein« sind eng mit dem Namen Ernst Georg May verbunden. Auch an der TH Darmstadt hinterließ er als Dozent für Städtebau in der Fakultät für Architektur seine Spuren. Er starb am 11. September 1970.

Ernst May (rechts) im Gespräch mit Max Guther, Professor für Städtebau an der damaligen TH Darmstadt

Am 11. September 2020 jährt sich der Todestag von Ernst Georg May zum 50. Mal. Geboren wurde er am 27.7.1886 in Frankfurt am Main. Sein Vater war Lederfabrikant, seine Mutter stammte aus einer jüdischen Düsseldorfer Familie. Er besuchte das Klinger Realgymnasium in Frankfurt und ab 1906 ein Kasseler Internat, wo er 1907 das Abitur bestand. Sein Architekturstudium begann er am University College in London, bevor er von Oktober 1907 bis September 1908 seinen Militärdienst in Darmstadt absolvierte. Zugleich war May seit 1907 als Student an der TH Darmstadt eingeschrieben. Hier lernte er Joseph Maria Olbrich kennen. Ab 1908 studierte May an der TH München weiter.

Neben dem Studium arbeitete er am Projekt der Frankfurter Festhalle mit und absolvierte ein Praktikum in einem Architekturbüro in London. Das Studium beendete May vermutlich 1913 in München und reiste anschließend nach Italien. Bereits ein Jahr zuvor machte er sich mit Clemens Musch als Partner in Frankfurt selbstständig. Ab August 1914 war er im Kriegsdienst an der West- und Ostfront. Im Frühjahr 1916 wurde er zum Beauftragten für das Anlegen von Kriegerfriedhöfen ernannt.

1918 kehrte May nach einem längeren Lazarettaufenthalt nach Hause zurück. Im Februar 1919 wurde May Leiter der Bauabteilung, ab 1921 Technischer Direktor der neu gegründeten gemeinnützigen Siedlungsgesellschaft »Schlesische Heimstätte« in Breslau. 1924 reiste er nach Holland, Amerika und Kanada. Im September 1925 trat er die Stellung als Stadtbaurat in Frankfurt an.

Während seiner Amtszeit entwickelte und baute er unter dem Motto »Bauen für ein neues Leben« das »Neue Frankfurt «: neue, autonom funktionierende Siedlungen – »Trabanten« – im Umland der Frankfurter Kernstadt. Das Konzept bezog alle Bereiche des modernen Lebens innerhalb einer Großstadt ein.

Nach einer Vortragsreise im Mai 1930 in die UdSSR nahm May ein Angebot der Regierung an und wurde Chefingenieur für den gesamten Städte- und Siedlungsbau in der Sowjetunion. Von den Nationalsozialisten diffamiert, reiste May im Dezember 1933 von Moskau aus ins Exil nach Ostafrika, wo er ab 1935 als Architekt mit eigenem Büro arbeitete. Von April 1940 bis August 1942 wurde May in Kenia und Südafrika interniert.

Im Anschluss arbeitete er erneut als Architekt in Nairobi. Vortragsreisen führten ihn 1950 und 1953 auch nach Deutschland. Daraufhin versuchte er – vergeblich – in den städtischen Dienst in Frankfurt zu gelangen. Nach seiner endgültigen Rückkehr nach Deutschland Ende 1953 war May zwischen 1954 und 1956 Planungsleiter für die Wohnungs- und Siedlungsgesellschaft »Neue Heimat« in Hamburg, u.a. zuständig für die städtebauliche Planung von Neu-Altona. Von 1958 bis 1960 plante er den Wiederaufbau von Mainz, ab 1961 den von Wiesbaden.

Seit dem 29. Juli 1957 war Ernst May Honorarprofessor für Städtebau an der Technischen Hochschule Darmstadt. 1965 erhielt er von der Stadt Darmstadt die planerische Oberleitung des Neubaugebietes Neu-Kranichstein im Nordosten der Stadt. Hier sollte unter dem Motto »Wohnen in der Landschaft« ein Trabant mit 18.000 Einwohnern und 6.000 Arbeitsplätzen entstehen. Das von May geplante Bauprojekt eines städtischen Wohnbezirks mit Gemeinschaftseinrichtungen war äußerst umstritten und wurde nur in Teilen umgesetzt bzw. abgewandelt. Heute hat die »Siedlung Kranichstein« 10.000 Bewohnerinnen und Bewohner.

Bis zu seinem Tod blieb Ernst May Honorarprofessor an der TH Darmstadt. May starb am 11.9.1970 in Hamburg und wurde auf dem Frankfurter Hauptfriedhof begraben. May selbst prägte bereits in den 20er-Jahren die Begriffe »Trabantenstädte« und »Nachbarschaften«, welche für ihn die soziale Grundlage des modernen Städtebaus waren. Er war ab 1959 Gründungsmitglied der Akademie der Künste in Berlin. 1951 erhielt er die Ehrendoktorwürde der Technischen Hochschule Hannover und 1954 das Große Bundesverdienstkreuz. 1957 folgte die Ehrendoktorwürde der Universität Freiburg.

Seit 1988 wird der Ernst-May-Preis der Nassauischen Heimstätte Frankfurt für Studierende am Fachbereich Architektur der TH/TU Darmstadt verliehen, die sich besonders mit innovativem, sozial orientierten Siedlungs-und Wohnungsbau beschäftigt haben.