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Vor 150 Jahren wurde der Darmstädter Chemieprofessor Lothar Wöhler geboren

27.10.2020

Am 27. Oktober 1870 wurde der spätere Darmstädter Chemieprofessor Lothar Wöhler in Bernburg an der Saale geboren. Nach seinem Chemiestudium von 1893 bis 1896 an der Technischen Hochschule Karlsruhe und der Universität Heidelberg promovierte er 1897 zum Verhalten von Argon. Es folgten eine Assistenzzeit an der TH Karlsruhe und 1902 seine Habilitation mit einer Arbeit zur pseudokatalytischen Sauerstoffaktivierung des Platins. Wöhler lehrte im Anschluss als Privatdozent und außerordentlicher Professor in Karlsruhe.

Bildnis von Lothar Wöhler, gemalt von August Gebhard.

Am 1. April 1911 wurde Lothar Wöhler an die Technische Hochschule Darmstadt berufen. Er war der Nachfolger von Wilhelm Staedel (1843–1919, seit 1881 Professor für Chemie an der TH Darmstadt).

Wöhler zeichnete sich insbesondere durch seine Arbeiten auf dem Gebiet der Chemie der Platinmetalle sowie seine Beiträge über die Knallsäure und über die Subhaloide des Schwefelsäurekontaktprozesses aus. Als Spezialist auf dem Gebiet der Sprengstoffchemie hatte er schon 1907 ein Patent für die Entdeckung des Bleiazids als Initialsprengstoff angemeldet. 1917 wurde Lothar Wöhler Ausschussmitglied der Kaiser Wilhelm-Stiftung für kriegstechnische Wissenschaft im Fachausschuss 2. Im selben Jahr wurde er aufgrund seiner Expertise auch bei der Aufklärung einer Knallgasexplosion in den Darmstädter Eisenbahnwerkstätten, die vier Personen tötete, zu Rate gezogen.

In seinen mehr als zwanzig Dienstjahren an der TH Darmstadt leitete Wöhler das Chemische Institut. Er lehrte insbesondere »Anorganische Experimentalchemie«, »Spezielle anorganische Chemie«, »Theoretische Chemie« und betreute das »Praktikum für anorganische und physikalische Chemie«. Auch in der Selbstverwaltung der Hochschule war er sehr aktiv. Insgesamt sechs Jahre lang (1916–1921 und 1927–1928) war er Abteilungsvorstand (= Dekan) für Chemie. Im Studienjahr 1930–1931 vertrat er die TH als Rektor.

Konflikt mit den Studierenden

Im Frühjahr 1933 geriet Lothar Wöhler in Konflikt mit den Studierenden. Schon länger bestanden zwischen Wöhler und Karl Jonas, Professor für Cellulosechemie, einerseits, und Ernst Berl, Professor für chemische Technologie und Elektrochemie, andererseits Differenzen über den Aufbau und die jeweiligen fachlichen Anteile des Chemiestudiums.

Als Berl, der aufgrund seiner jüdischen Herkunft durch das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums seinen Rücktritt angekündigt hatte, wegen der Nicht-Beantwortung seines Ruhestandsgesuchs im Sommersemester weiterhin lehren wollte, lehnten Wöhler und Jonas dies ab. Berl war bei den Studierenden sehr beliebt. Die Chemie-Fachschaft, die ebenfalls hinter ihm stand, veröffentlichte einen Bericht über die Tätigkeiten von Wöhler und Jonas, in dem den beiden Professoren mangelnde pädagogische Begabung, veraltete Unterrichtsmethoden sowie Desinteresse an der Lehre vorgeworfen wurden. Auch beinhaltete der Bericht den Vorwurf, dass Wöhler und Jonas den Abgang von Ernst Berl so erniedrigend als möglich gestalten wollten. Die Studierenden arbeiteten darauf hin, eine Entlassung Wöhlers im Rahmen des Berufsbeamtengesetzes zu erwirken – sowohl Wöhlers Mutter als auch seine Schwiegermutter waren jüdischer Herkunft. Bevor es zu einer Entlassung kommen konnte, bat der gesundheitlich schon lange angeschlagene Wöhler um seine Versetzung in den Ruhestand, welcher stattgegeben wurde.

Während des Zweiten Weltkrieges war Lothar Wöhler nach eigener Aussage als Berater für die Kriegsindustrie tätig – als Sachverständiger der Sprengstoffchemie und Spezialist der Initialzündung.

Im Jahr 1947 erhielt er das goldene Doktor-Diplom der Universität Heidelberg. Lothar Wöhler starb am 7. Mai 1952 im Alter von 81 Jahren in Backnang.

Aaron J. Henze, stud. iw. der Hochschule Darmstadt, Praktikant im Universitätsarchiv der TU Darmstadt.