Studieren an den Rhein-Main-Universitäten (Teil 2)

Die Allianz der Rhein-Main-Universitäten hat ein gemeinsames Studienprogramm gestartet

16.12.2020

David Botschek, Masterstudent für Informationssystemtechnik an der TU Darmstadt, schnuppert an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz in Fächer herein, die so ganz anders sind als die Ingenieurwissenschaften. Dass er seinen verschiedenen Interessensgebieten an gleich zwei Universitäten nachgehen kann, verdankt er dem RMU-Studium, mit dem die Rhein-Main-Universitäten ein offenes Studienangebot mit ausgewählten Lehrveranstaltungen für ihre mehr als 100.000 Studierenden geschaffen haben. RMU-Studierende können sich an den Unis in Darmstadt, Mainz und Frankfurt gleichzeitig einschreiben.

David Botschek und Ceylan Dogan

Ingenieurwissenschaften und englische Poesie

Ganz bewusst hat David Botschek sich für ein kleines, und wie er findet, „verrücktes Fach“ entschieden. An der TU Darmstadt liegt sein Schwerpunkt auf einer Disziplin, die die Informatik mit der Elektrotechnik verbindet. An der Mainzer Johannes Gutenberg-Uni besucht er nun Vorlesungen in Englischer Poesie. Dem 22-Jährigen geht es dabei nicht um die Verfeinerung seiner Sprachkenntnisse. Ein Großteil seiner Vorlesungen und Seminare in Darmstadt sind bereits auf Englisch. „Ich wollte mich einfach mal auf etwas Anderes einlassen“, sagt er. Auch in der Wirtschaftsgeografie hat sich Botschek für eine Lehrveranstaltung angemeldet. „Mich interessiert die Atmosphäre. In Mainz sind ganz andere Studierende, nicht nur Ingenieure. Ich möchte eine andere Art der Universität kennenlernen“, sagt er.

Das RMU-Studium hat er gerade deshalb gewählt, weil es neue Bereiche eröffne, die eine technische Universität nicht anbiete, betont der Student. Im nächsten Sommersemester will er sich daher zusätzlich noch an der Frankfurter Goethe-Universität immatrikulieren. „Mal schauen, was mich da so anspricht.“ Botschek ist vielseitig interessiert. Schon seit seinem Bachelorstudium nutzt er auch an der TU Darmstadt die Möglichkeit des „Studium Generale“, bei dem Fächer und Creditpoints außerhalb der eigenen Disziplin angerechnet werden. Während seiner ersten Semester als Bachelorstudent in Darmstadt hat er neben Informationssystemtechnik daher auch in Politikwissenschaften und Recht reingeschnuppert, jetzt im Masterstudium besuchte er zusätzlich Vorlesungen und Kurse in Wirtschaft, Pädagogik, wissenschaftlichem Schreiben und die Ringvorlesung über Startup-Gründungen. „Ich probiere viel aus, habe Spaß an der Interdisziplinarität“, sagt er.

David Botschek,
Masterstudent für Informationssystemtechnik an der TU Darmstadt

„Ich wollte mich einfach mal auf etwas Anderes einlassen.“

David Botschek
Bild: Claus Völker

Auf das RMU-Studium wurde er aufmerksam, weil er nebenher auch in dem TU-Projekt „Student@school“ mitmacht und als Botschafter in Schulen geht. Er hat an einem Podcast für Schülerinnen und Schüler über das RMU-Studium mitgearbeitet und dabei selbst Feuer gefangen. Besonders gefällt ihm, dass er als RMU-Student die Bibliotheken aller drei Hochschulen nutzen kann. An zwei oder drei Unis gleichzeitig zu studieren sei zumindest im digitalen Corona-Semester einfacher zu koordinieren und zeitlich weniger aufwändig als zu Präsenzzeiten. „Ich kann mich jetzt bequem von zuhause in alle Vorlesungen reinschalten“, sagt er. David Botschek legt ohnehin ein schnelles Lerntempo vor. Seinen Bachelor- und Masterabschluss will er in zehn Semestern schaffen. Und danach? „Vielleicht promoviere ich.“ Auf was genau er sich später spezialisieren will, weiß er noch nicht. Auch da hofft er, dass das RMU-Studium eine Orientierungshilfe sein wird.

Astrid Ludwig

Es passt genau

Ceylan Dogan studiert im 5. Semester an der Goethe-Universität Geschichte und Islamische Religion auf Lehramt. Im ersten RMU-Semester an der Technischen Universität Darmstadt hat sie Kurse in Kurdisch und Alte Geschichte belegt.

Dass Ceylan Dogan seit dem laufenden Semester RMU-Studentin an der TU Darmstadt ist, hat sich für die Erfinder der Strategischen Allianz der Rhein-Main-Universitäten schon gelohnt: Denn die Frankfurter Studentin hat bereits zwei Kommilitoninnen für das Studium hinzugewonnen – auch diejenige, die Dogan selbst auf den Flyer zum RMU-Studium aufmerksam gemacht hatte. „Sie bezahlte doppelte Studiengebühren, um an zwei Unis zu studieren, wusste also gar nicht, dass das im RMU-Studium gar nicht nötig ist!“ Weit mehr Studierende pendelten im Rhein-Main-Dreieck, ist Dogan überzeugt, wäre ihnen das RMU-Uniprojekt bekannt. „Es hat sehr viele Vorteile. Man kann neue Erfahrungen machen und auch Kurse wiederholen“, erklärt Dogan. „Definitiv“ habe sich ihre Einschreibung gelohnt, auch wenn der Start stressig gewesen sei: Als die digitale Anmeldung einfach nicht klappen wollte und Dogan unter Zeitdruck in Dauerschleife mit den Organisatoren telefonierte, reagierten diese zu ihrer Überraschung nicht genervt, sondern hilfsbereit. „Ich fühlte mich direkt sehr aufgenommen.“

Ceylan Dogan,
Studentin der Geschichte und der Islamischen Religion auf Lehramt

„Ich fühlte mich direkt sehr aufgenommen.“

Ceylan Dogan
Bild: Uwe Dettmar

Attraktiv ist das RMU-Studium für die Frankfurter Studentin mit den Fächern Geschichte und Islamische Religion, weil sie jetzt mit einer guten Freundin, die an der TU Darmstadt studiert, gemeinsame Sache machen kann. „Wir tauschen uns über Themen aus, besprechen Aufgaben, sind einfach mehr in Kontakt.“ Und: In Darmstadt wird, anders als in Frankfurt, Kurdisch angeboten. Die Freundinnen haben den einzigen Kurs – einen Anfängerkurs – belegt. Für ihr Studium brauchen sie diese Sprache nicht: Das Zertifikat erhöht aber ihre Chancen, als Dolmetscherinnen tätig zu werden. In einem Schulpraktikum und in Flüchtlingsheimen hat Ceylan Dogan ihre Kurdisch-Kenntnisse schon einbringen können. Den anspruchsvolleren Fortsetzungskurs hat sie für das kommende Semester deshalb schon eingeplant.

So überzeugt die Studentin von dem RMU-Angebot ist: Sie hat auch einen Verbesserungsvorschlag. Anders als in Frankfurt werden im Darmstädter Seminarangebot die Prüfungsverfahren nicht immer mitaufgeführt. Portfolios, Klausuren, regelmäßige Übungsaufgaben – warum dies nicht gleich im Seminarangebot vermerken, anstatt auf die Studienordnung verweisen? Es hat deshalb etwas gedauert, bis Dogan in Darmstadt ein zum Frankfurter Studium passendes Seminar in Alter Geschichte gefunden hat. Jetzt aber passt es ganz genau.

(alu/pb)

Insgesamt 332 Studierende haben sich in das RMU-Studium im Wintersemester 2020/2021 eingeschrieben – nahezu gleich viele von jeder der drei Universitäten.