„Skalierung ab dem ersten Tag“

Die TU-Ausgründung NanoWired ist bereit für den Durchbruch am Markt

20.01.2021

PCs, Mobiles, Fernseher, Autos, Herzkatheter oder Waschmaschinen: Die NanoWired GmbH – kürzlich „Winner“ bei der Falling Walls-Konferenz – zielt mit ihren Produkten auf alles, was Verbindungen braucht. Dabei setzt das 2017 gegründete Start-up auf nanometerkleine leitfähige Metalldrähte. Geschäftsführer Olav Birlem erklärt, warum das Unternehmen damit so erfolgreich ist und wie es am Markt wachsen will. Der Elektroingenieur und Berater schaut trotz Coronakrise optimistisch in die Zukunft.

KlettWelding realisiert die Verbindung zweier mit NanoWiring vorbereiteter Substrate bei Raumtemperatur.

TU Darmstadt: Herr Birlem, kurz zum Einstieg: Wie funktioniert das NanoWiring?

Olav Birlem: Herzstück dieser Technologie sind Nanodrähte aus Kupfer, Gold, Silber, Nickel, Zinn, Zink, Indium und Platin. Hiermit züchten wir gezielt Strukturen, die wir wie einen Rasen auf verschiedene Oberflächen aufbringen können. Presst man diese Oberflächen zusammen, verweben sich die Nanodrähte so ineinander, dass eine superfeste Verbindung entsteht, die elektrisch leitend ist. Wir vergleichen das gerne mit einem Klettverschluss.

Worin liegt das besondere Potenzial dieser Erfindung?

Theoretisch können wir mit unseren „Klettverschlüssen“ alle herkömmlichen Verbindungstechnologien wie Löten, Schweißen, Schrauben oder Kleben ersetzen. NanoWiring eignet sich für mechanische, thermische und elektronische Verbindungen. Irgendwann werden wir vielleicht alle diese Technologie mit uns oder sogar in uns tragen – zum Beispiel in biosensorischen Geräten wie Herzkathetern oder Hörgeräten. Diese vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten sind Teil unserer Erfolgsstory, aber im Moment ist das natürlich der ganz weite Blick.

Irgendwann werden wir vielleicht alle diese Technologie mit uns oder sogar in uns tragen – zum Beispiel in biosensorischen Geräten wie Herzkathetern oder Hörgeräten.

Und was peilen Sie kurzfristig an?

Momentan fokussieren wir uns auf den Bereich Elektrotechnik, weil wir uns dort am besten auskennen. Wenn Sie zum Beispiel die Bauteile einer Computerplatine nicht mehr zusammenlöten müssen, verbrauchen Sie weniger Strom und weniger Material, sie sparen Zeit und Platz und es entsteht weniger Wärme – also ein insgesamt ressourcen- und umweltschonendes Verfahren.

Ihr erster Kunde kommt aus dem Bereich E-Mobilität. Was ist Ihr Verkaufsargument?

Wir wollen Produkte mit einem gesamtgesellschaftlichen Nutzen auf den Markt bringen. Um das zu schaffen müssen wir aber in harten ökonomischen Kategorien denken. Es reicht nicht aus, umwelttechnologisch cool drauf zu sein. Unseren Kunden erklären wir also vor allem den wirtschaftlichen Mehrwert: leistungsfähigere Geräte, die mit einer deutlich besseren Energiebilanz hergestellt werden können.

Was ist das Geschäftsmodell dahinter?

Wir bieten einzelne Leistungen und Produkte an, aber auch das Rundum-Paket aus allem. Das heißt, wir verkaufen Ingenieursdienstleistungen, übernehmen hier vor Ort in Gernsheim die Produktion von kleinen Serien, bieten aber auch Hardware an – NanoWiring-Maschinen und unser Klettwelding-Tape. Davon können wir mittlerweile rund 20 Kilometer herstellen. Die Kunden können dann selbst entscheiden, was sie brauchen und wie sie es in ihre Produktion integrieren.

Sie haben sich schnell von der TU Darmstadt abgenabelt, die GmbH schon 2017 gegründet und viel Geld in die Infrastruktur investiert. Wie finanziert sich NanoWired?

Natürlich profitieren wir von öffentlichen Fördermitteln, etwa aus dem EXIST-Forschungstransfer oder dem LOEWE-Programm des Landes Hessen. Das kann man gar nicht genug betonen. Aber auch Preise wie der Venture Cup von Science4Life oder der Hermes Award haben uns wertvolle Starthilfen gegeben. Für die Produktionsinfrastruktur sind zwei Investoren mit eingestiegen. Unser Finanzierungsmodell steht im Moment auf drei Säulen. Investoren zahlen für die Infrastruktur, unsere Maschinen finanzieren wir aus Fördermitteln und das Geld, das wir mit den Kunden verdienen, soll in die Technologieentwicklung fließen.

Wie wollen sie sich am Markt durchsetzen?

Wir müssen in die Massenproduktion kommen. Das setzt voraus, dass wir niedrige Preise halten können und das funktioniert wiederum nur, wenn viele Kunden viel von unseren Produkten kaufen. Ich gehe davon aus: Wenn die ersten sehen, dass unsere Technologie im industriellen Maßstab anwendbar und skalierbar ist, kommen immer schneller auch neue Firmen hinzu.

Wir müssen in die Massenproduktion kommen.

Sind Sie gewappnet, falls der Markt beginnt richtig zu boomen?

Ja. Der springende Punkt ist, dass wir das weitere Wachstum jetzt absichern müssen. Indem wir nicht nur die Infrastruktur ausbauen, sondern uns auch strategisch weiterentwickeln, neue Skills aufbauen, Menschen dazu holen mit einem großen Erfahrungsschatz in den Märkten, in denen wir aktiv sein wollen. Schließlich wollen wir irgendwann die Kurve kriegen und uns komplett selbst finanzieren.

Was ist Ihr Erfolgsrezept?

Skalierung ab dem ersten Tag, Kreativität, hoch-professionelles Management, und Tempo. Und dieses Tempo müssen wir versuchen beizubehalten – auch in Krisenzeiten.

Das Gespräch führte Dr. Jutta Witte

Die Technologie dahinter

Die NanoWired-Mitgründer Sebastian Quednau, Farough Roustaie und Florian Weißenborn haben das NanoWiring am Fachgebiet Mikrotechnik der TU Darmstadt entwickelt. Es wird in drei Prozessen eingesetzt: KlettWelding, KlettSintering und KlettGlueing. KlettWelding realisiert die Verbindung zweier mit NanoWiring vorbereiteter Substrate bei Raumtemperatur. KlettSintering erlaubt die Verbindung mit nur einem mit NanoWiring vorbereitetem Substrat ab 170° C. KlettGlueing ermöglicht die Ankontaktierung fragiler Bauteile unter Verwendung eines Klebstoffes. Durch den Einsatz von KlettWelding-Tape können sogar unbehandelte Substrate miteinander verbunden werden.