Organische Flüssigkristalle: Überraschendes Verhalten im Magnetfeld
TU-Forschende veröffentlichen in Macromolecules
03.03.2021 von Dr. Uta Neubauer
Spiralförmige Flüssigkristalle aus der Klasse der Polypeptide liegen je nach Temperatur als rechts- oder linksgedrehte Helix vor und ändern in einem Magnetfeld zudem ihre Ausrichtung. Darüber berichten Chemikerinnen und Chemiker der TU Darmstadt jetzt in der Fachzeitschrift Macromolecules.
Flüssigkristalle sind außergewöhnliche Materialien: Sie fließen wie eine Flüssigkeit, obwohl ihre Moleküle wohlgeordnet wie in einem festen Kristall vorliegen. Diese ungewöhnliche Kombination macht die Substanzen technisch so interessant, etwa für die Anwendung in Bildschirmen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Professorin Christina Thiele aus dem verwenden Flüssigkristalle als Lösungsmittel. Der Vorteil: Darin gelöste Substanzen nehmen eine bestimmte Ausrichtung an, denn sie orientieren sich in diesen Flüssigkristallen. Praktisch ist das für gewisse chemische Reaktionen sowie für spezielle spektroskopische Untersuchungen. Fachbereich Chemie der TU Darmstadt
Die meisten Flüssigkristalle sind langgestreckte Moleküle. Das gilt auch für jene flüssigkristallinen Polymere, über die Thiele und ihr Team jetzt in der Fachzeitschrift Macromolecules berichten. Konkret geht es in dem Artikel um Copolyaspartate, eine Unterklasse der Polypeptide, die in Form einer Helix vorliegen. „Ob die Helix rechts- oder linksgedreht ist, hängt sowohl von der Zusammensetzung des Polymers als auch von der Temperatur ab“, erklärt Max Hirschmann, der Erstautor der Studie. Bei einer bestimmten Übergangstemperatur, die je nach Polypeptid bei Raumtemperatur oder darüber liegt, kommt es zu einer Umkehr der Schraubrichtung. Aus einer rechtsgedrehten Spirale wird dann eine linksgedrehte (oder andersherum). Dieser Effekt ist schon länger bekannt.
Eine weitere, bislang unverstandene Zustandsänderung der Flüssigkristalle tritt bei Anlegen eines Magnetfeldes auf. Dieses Phänomen konnten die Chemikerinnen und Chemiker der TU Darmstadt jetzt aufklären: Im Magnetfeld ändern die länglichen Polypeptide ihre Ausrichtung und rotieren simultan um 90 Grad. Mit einer raffinierten Untersuchungsmethode – der NMR-Spektroskopie an verschiedenen deuterierten Polypeptiden – wiesen die TU-Chemiker diese Umorientierung eindeutig nach. Andere Forschende hatten den Effekt zumindest indirekt auch schon beobachtet, aber falsch gedeutet. Eine Neuausrichtung der Flüssigkristalle im Magnetfeld zogen sie nicht in Betracht. „Das hat in der Vergangenheit zu falschen Interpretationen von Messdaten geführt“, sagt Hirschmann. Dieses Problem hat er mit seiner kürzlich abgeschlossenen Doktorarbeit, zu der die aktuelle Publikation gehört, nun behoben.