Digitalisierung und Geschlechterfragen
Virtuelle Frauenvollversammlung 2021 an der TU Darmstadt
09.03.2021
Was hat Digitalisierung mit Geschlechterfragen zu tun? Mit dieser Frage beschäftigten sich gestern, am Internationalen Frauentag, über 400 weibliche Beschäftigte der TU Darmstadt im Rahmen der Frauenvollversammlung 2021. Thema der Veranstaltung war „Digitalisierung und Geschlechterfragen – Gestaltungsmöglichkeiten im Universitätskontext“.

Traditionell veranstaltet das Büro der Gleichstellungsbeauftragten jedes Jahr rund um den Internationalen Frauentag eine Frauenvollversammlung an der TU Darmstadt. Die diesjährige Key Note hielt Professorin Dr. Ulrike Klinger, Professorin für Politische Theorie und Digitale Demokratie an der Europa-Universität Viadrina sowie assoziierte Forscherin am Weizenbaum Institut für die vernetzte Gesellschaft. In ihrem Vortrag „Zwei Schritte vorwärts, ein Schritt zurück? Ein kritischer Blick auf Digitalisierung und Geschlechterfragen“ erläuterte Klinger, warum die Digitalisierung mehr Fortschritt verspricht als sie hält und weshalb Algorithmen nicht neutral sind, sondern diskriminieren und Diskriminierung fortschreiben.
Klinger vertrat zudem die These, Digitalisierung könne Geschlechterunterschiede verstärken. Ihre Argumentation stützte sie unter anderem auf Zahlen, die zeigen, dass digitale Technologien hauptsächlich von Männern gemacht werden. „Diejenigen, die Technologien produzieren, schreiben in diese Technologien auch gleich soziale Verhältnisse mit hinein.“ Geschäftsmodelle, Normen, Werte, Weltvorstellungen, Vorurteile seien in digitalen Technologien enthalten und reproduzierten bestehende Machtstrukturen und soziale Ungleichheiten. „Algorithmen arbeiten mit Datensätzen, die nicht neutral sind. Denn diese Datensätze bilden in Zahlen soziale Realität ab.“ Digitalisierung sei ein gesellschaftlicher und kein rein technologischer Prozess. In ihrem Fazit sprach sie sich für digitalen Kompetenzerwerb in allen Altersgruppen, insbesondere auch Algorithmenkompetenz, aus und warb dafür, Machtasymmetrien vor und hinter den Benutzeroberflächen gezielt in den Blick zu nehmen.
In der anschließenden, von der TU-Gleichstellungsbeauftragten Dr. Uta Zybell moderierten, Podiumsdiskussion sprach TU-Präsidentin Professorin Dr. Tanja Brühl unter anderem über die Digitalisierungsstrategie der TU Darmstadt und beschrieb ihre Vision einer digitalen Universität: „Wir müssen Digitalisierung und Diversität unbedingt zusammendenken. Wir werden beide Strategien in diesem Jahr entwickeln – unter Beteiligung der gesamten Universität, damit die Strategien auch zu uns passen.“
Dorothee Krohberger-Stock, Leiterin der Stabstelle IT- und Prozesskoordination, gab einen Einblick in die Entwicklung digitaler Verwaltungsprozesse und sprach sich dafür aus „gemeinsam und im Dialog mutige Lösungen“ zu entwickeln. Klinger ging in der Diskussion unter anderem auf die Auswirkungen der Corona-Maßnahmen auf Geschlechtergleichstellung ein und betonte: „Digitalisierung ist ein gesellschaftlicher Großprozess, der unseren Alltag grundlegend verändert. Wir müssen ihn alle mitgestalten und diverse Perspektiven einbringen.“
Marija Schultheis / bjb