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Otto Roquette: Prominenter Lyriker und prägender Geisteswissenschaftler an der TH Darmstadt

07.04.2021 von

Über die Grenzen der Region hinaus als streitbarer Preuße geschätzt und bekannt, lehrte und wirkte Otto Roquette im großherzoglichen Darmstadt und drückte der noch jungen TH seinen Stempel als Geisteswissenschaftler auf.

Geboren wurde Roquette am 19. April 1824 in Krotoschin, Provinz Posen, Königreich Preußen, als Sohn eines Landgerichtsrats hugenottischer Abstammung. Ab 1833 besuchte er das Gymnasium in Bromberg, wechselte vor seinem Abschluss jedoch nach Frankfurt/Oder.

Er studierte Geschichte, Philosophie und Philologie in Heidelberg, Berlin und Halle. 1851 promovierte er in Halle zur Geschichte des deutschen Dramas, abgefasst in Latein. Von 1853 an führte ihn seine Lehrtätigkeit nach Dresden und Berlin, ehe er 1869 ans Polytechnikum in Darmstadt berufen wurde.

Roquette übernahm die Professur für deutsche Sprache, Geschichte und Literatur am Polytechnikum und unterrichtete alle Schüler der technischen und naturwissenschaftlichen Fächer. Zwei Mal übernahm er nebenamtlich (1878–1881/1894–1896) die Leitung der Hauptbücherei.

Neben seiner Lehrtätigkeit produzierte Roquette einige literaturhistorische Abhandlungen sowie zahlreiche Erzählungen, Dramen und einen umfassenden lyrischen Corpus. Roquette, der bereits vor Antritt seiner ersten Lehrstelle 1851 als Schriftsteller und Dramatiker durch seine Erzählung »Waldmeisters Brautfahrt« über Landesgrenzen hinaus zu einiger Prominenz gelangt war, verfasste in seiner Darmstädter Lebenshälfte 15 Erzählungen, fünf Romane und mehrere Theaterstücke – von denen zwei im Großherzoglichen Hoftheater uraufgeführt wurden – sowie zahlreiche lyrische Erzeugnisse.

Künstler mit streitbarer Natur

Seine pseudoromantische Lyrik und sein märchenhafter Erzählstil machen ihn retrospektiv zu einem prototypischen Vertreter der sogenannten Butzenscheibenlyrik. Wie seine Zeitgenossen wandte er sich mit seiner Modepoesie demonstrativ von der politischen Lyrik des Vormärz ab und fokussierte sich stattdessen auf eine Reminiszenz an die Romantik, womit seine Werke sich insbesondere in konservativen Kreisen größter Popularität erfreuen konnten. Seine wenigen Versuche, sich vom Stil seiner ersten und populärsten Erzählung zu emanzipieren, scheiterten.

Als Produzent von Theaterstoffen trat seine streitbare Natur am prononciertesten in den Vordergrund. Sein Widerstand gegen die Überladung der Aufführungen seiner Stücke am Staatstheater in Darmstadt mit dem zu der Zeit so populären Ballett, extensiver Bühnenbildnerei und neuesten Spezialeffekten führte zu einigen, teils öffentlich ausgetragenen Konflikten mit den Verantwortlichen von Stadt und Theater. Trotz allen Protests musste er als Produzent von Populärunterhaltung immer wieder künstlerische Positionen konzedieren.

In den Jahrzehnten in Darmstadt scharte Roquette stets eine Entourage vielversprechender junger Talente um sich. Im Kreis um seine Person entstand eine Fülle von Gelegenheits- und Mußelyrik, welche nur teilweise überliefert ist. So dichtete Roquette auch für die 50-Jahr-Feier der TH/des Polytechnikums 1886 ein Festgedicht in neun Strophen zu acht Versen.

Roquette verstarb vor 125 Jahren, am 18. März 1896, unter großer überregionaler Anteilnahme in Darmstadt. Zu seinen Ehren fand eine vielbesuchte Trauerfeier in den Hallen der TH statt. Bestattet ist er auf dem Alten Friedhof in Darmstadt in einem Ehrengrab.

Der Autor studiert Geschichte an der TU Darmstadt.

Erschienen in der hoch³ 2/2021