Zeitmaschine

60 Jahre Erweiterungsbauten auf dem Altstadtgelände

26.05.2021 von

Die Technische Hochschule Darmstadt sollte sich in den 1950er-Jahren architektonisch sowie strukturell gravierend verändern. Nach den ersten Wiederaufbaumaßnahmen in den späten 1940er-Jahren wurden im Rahmen eines Vierjahresplans bis 1959 für insgesamt 28 Millionen Deutsche Mark umfangreiche Baumaßnahmen umgesetzt, darunter der Bau des großen Physikhörsaals, diverser Versuchshallen, sowie grundlegender Institutsgebäude.

Das Altstadtgelände der damaligen TH Darmstadt.

Der stetige Anstieg der Studierendenzahlen stellte vor allem die Fakultät für Elektrotechnik – zu dieser Zeit mit über 800 Studierenden der zweitgrößte Fachbereich an der TH Darmstadt – vor große Herausforderungen. Lediglich 60 Prozent der Abiturienten, die sich zu einem elektrotechnischen Studium meldeten, konnten immatrikuliert werden. Das durch den Zweiten Weltkrieg zerstörte Altstadtgelände an der Landgraf-Georg-Straße bot hierbei genügend Platz, um eine Ausbreitung des Hochschulquartiers in der Innenstadt zu realisieren und somit den Studierenden ausreichend Räumlichkeiten bieten zu können.

Erweiterungen durch zweiten Vierjahresplan

In einem zweiten Vierjahresplan entstand bis 1961 unter der Leitung des Hessischen Hochschulbauamts ein Gebäudekomplex nach den Entwürfen der Architekten Gerhard Bartels, Karl-Heinz Schelling und Rolf Dreesen. Östlich des Schlossgrabens wurde ein sechseckiges Hörsaalgebäude gebaut, für dessen Keller insgesamt 3.500 Kubikmeter Felsmaterial herausgesprengt werden mussten. Aufgrund seiner Form erhielt das zweieinhalbstöckige Gebäude den inoffiziellen Beinamen Hexagon. Daran angrenzend wurde das fünfstöckige Institutsgebäude für die starkstromtechnischen Disziplinen errichtet, in dem auch diverse technische Geräte und Assistentenzimmer untergebracht wurden.

In den Hallen und Werkstätten, die heute aufgrund der typischen Architektur der 50er-Jahre unter Denkmalschutz stehen, konnten neben Dunkel- und Klimakammern auch Lager, Labore sowie Räumlichkeiten für Doktoranden und Praktikanten geschaffen werden. Den östlichen Abschluss bildete ein Gebäude der Institute für Anlagen und Netze, in dem zudem eine Energiestation sowie Elektromaschinen integriert wurden. Die Neubauten sollten sowohl räumliche Notwendigkeiten als auch technische Bedürfnisse der Institute befriedigen: Die in den Laboratorien hergestellten Anschauungsmaterialien konnten nun barrierefrei zu den Auditorien transportiert werden.

Im Mai 1961 wurde das Hörsaalgebäude eingeweiht, wodurch die Hörsaalnot jedoch nur temporär gelindert werden konnte. Für das Jahr 1962 wurden der TH Darmstadt von der Landesregierung insgesamt 16 neue Lehrstühle zugesprochen.

Somit konnten die deutschlandweit ersten Lehrstühle für Stromrichtertechnik sowie Elektromechanische Konstruktionen in Darmstadt etabliert werden. Während 1960 jeder zehnte Studienanfänger einer elektrotechnischen Disziplin in der Bundesrepublik seine akademische Laufbahn in Darmstadt begann, waren es 1970 bereits 18 Prozent. Ende der 1960er-Jahre wurde daher an der Merckstraße mit dem Bau des heutigen Hans-Busch-Instituts begonnen.

Der zweite Vierjahresplan umfasste insgesamt 75 Millionen Deutsche Mark. Neben den Bauten für den Fachbereich Elektrotechnik wurden zeitgleich unter anderem Ergänzungsbauten für verschiedene Fakultäten eingeleitet, Neubauten für die Materialprüfungsanstalt und das Institut für Nachrichtentechnik umgesetzt, der Wiederaufbau des Schlosses begonnen sowie das Auditorium maximum projektiert.

Die weiträumige Gebäudeanlage im Südteil des ehemaligen Altstadtgeländes prägt bis heute das Stadtbild an der Landgraf-Georg-Straße. Trotz dieser Verdichtung des Stadtviertels wurden Grünanlagen bewahrt und der Blick auf das ehemalige Residenzschloss aus östlicher Richtung nicht behindert. Das Schloss bleibt durch die Einhaltung eines Abstands von 80 Metern zum Hörsaalgebäude prävalent. Die auf dem ehemaligen Altstadtgelände vom Schloss zur Mathildenhöhe führende Erich-Ollenhauer-Promenade verläuft zwischen dem Darmstadtium (am Standort der abgerissenen Institutsbauten für Bauingenieurwesen) und den Fachbereichsbauten Elektrotechnik.

Der Autor ist Masterstudent am Institut für Geschichte und arbeitet als studentische Hilfskraft im Universitätsarchiv der TU Darmstadt.

Erschienen in der hoch³ 3/2021