Motorisierte Tröpfchen dank Rückkopplung
Veröffentlichung in Nature Communications
14.10.2021
Ein deutsch-schwedisches Physikerteam um Erstautor Jens Christian Grauer von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU) und Letztautor Benno Liebchen von der TU Darmstadt untersuchte ein spezielles System kolloidaler Teilchen, das sie mit Laserlicht anregten. Darin bilden sich selbst angetriebene Tröpfchen, die die Forschenden „Droploids“ nannten und in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Nature Communications genauer beschreiben.
Das Ganze ist oft mehr als die Summe der Teile – diese Weisheit ist Allgemeingut. Ein Sandwich schmeckt auch besser als die Einzelteile Brot, Salat und Mayonnaise. Dass dies auch in der Physik gilt und aus der Kombination einzelner Teile etwas qualitativ Neues entsteht, fand nun ein Team von Physikern von der HHU, der TU Darmstadt und der Universität Göteborg in Schweden heraus.
Im Forschungsprojekt ging es um die Kombination verschiedener Atome und größerer Teilchen und wie sich diese gegenseitig beeinflussen – letztlich ein typisches Beispiel, wie die uns umgebende Materie komponiert ist. Die Forscher erweiterten das Kombinationsprinzip um zusätzliche Rückkopplungsprozesse und schufen so neuartige dynamische Strukturen. Es handelt sich dabei um sogenannte „positive Rückkopplungsschleifen“.
Konkret kombinierten sie zwei verschiedene Typen von Kolloidpartikeln – Teilchen oder Tröpfchen in einem Dispersionsmedium – in einem Flüssigkeitsbad. Dieses Bad bestrahlten sie mit Lasern, deren Licht in der Nähe der Teilchen die Flüssigkeit an den kritischen Punkt brachte. Dort sind die Fluktuationen besonders stark, wodurch sich tröpfchenartige Strukturen ausbilden können, die wiederum die Partikel einschließen.
Entstehung von Droploids
Innerhalb der Tröpfchen heizen sich die beiden Kolloidteilchensorten unterschiedlich stark auf. Hieraus resultieren letztlich effektive Kräfte, die das fundamentale Newtonsche Prinzip (actio = reactio) verletzen und so die Tröpfchen vorwärts schieben. Die Kolloidpartikel bewirken also zum einen die Ausbildung von Tröpfchen, die die Kolloide einsperren und die zum anderen von den Teilchen angetrieben werden. Durch diese Rückkopplungsschleife entstehen neuartige Superstrukturen mit einem selbstorganisierten kolloidalen Motor; die Forscher tauften sie „Droploids“, ein Portmanteau aus den Wörtern droplets und colloids.
am Fachbereich Physik der TU Darmstadt, entwickelte mit seinen Kooperationspartnern ein neuartiges Modell zur Beschreibung der Droploide. Dieses Modell erläutert die wechselseitige Beeinflussung der Dynamik von Temperaturfeld, binärem Fluid und Kolloiden und kann alle Aspekte der Experimente, von der Entstehung der Droploide bis hin zu ihrem Antriebsmechanismus und ihrer Geschwindigkeit mit erstaunlicher Genauigkeit vorhersagen. Professor Dr. Benno Liebchen, Leiter der Arbeitsgruppe Theorie weicher Materie
Das Forschungsteam kombinierte theoretische und experimentelle Ansätze: Während in Düsseldorf und Darmstadt das System modelliert wurde, konnten die Kollegen aus Göteborg die Ergebnisse am realen Experiment verifizieren und damit die theoretischen Modelle bestätigen.
an der HHU, betont: „Es ist wichtig, dass der Vorgang komplett durch Laserbeleuchtung kontrolliert wird. So kann das System für verschiedene Anwendungsmöglichkeiten flexibel von außen gesteuert werden.“ Prof. Dr. Hartmut Löwen, Leiter des Instituts für Theoretische Physik II
Prof. Dr. Benno Liebchen,
Leiter der AG „Theorie weicher Materie“ FB Physik der TU Darmstadt
„Neben der Begründung eines neuartigen Konzepts für Mikromotoren könnten die Droploide und die beteiligten Wechselwirkungen als wichtige Zutaten zur Erzeugung zukünftiger biomimetischer Materialien dienen.“
Arne Claussen/KM