Mit ihm blühte der ­Botanische Garten auf

Direktor Dr. Stefan Schneckenburger verabschiedet sich in den Ruhestand

22.12.2021 von

Der Übergang im Amt des Direktors des Botanischen Gartens verläuft organisch: Dr. Stefan Schneckenburger, eigentlich schon seit einem Jahr pensioniert, aber auf vielfachen Wunsch vertraglich noch bis Anfang kommenden Jahres gebunden, kann seinem Nachfolger PD Dr. Simon Poppinga noch etliche Wochen zur Seite stehen. Anlass genug, aus persönlicher Perspektive auf bewegte Zeiten zurückzublicken.

Stefan Schneckenburger im blühenden Botanischen Garten der TU Darmstadt

Stefan Schneckenburger kam 1994 vom Palmengarten in Frankfurt am Main als neuer Direktor des Botanischen Gartens an die damalige TH Darmstadt – und hat ihr bis heute die Treue gehalten. Einen ehrenvollen Ruf an den Botanischen Garten in Bayreuth lehnte er 1995 ab. Als administrativer und wissenschaftlicher Leiter des Gartens stand er einem Stab von etwa 14 Gärtnerinnen und Gärtnern mit bis zu sieben Auszubildenden vor; das zu gestaltende Areal beträgt bis heute knapp fünf Hektar im Freiland und 1.100 Quadratmeter Fläche in Gewächshäusern mit etwa 8.000 verschiedenen Pflanzenarten. Der Garten ist einzigartig geeignet, Brücken zu schlagen zwischen der an der Natur interessierten Gesellschaft, der TU Darmstadt als Ganzes und den Mitgliedern des Fachbereichs Biologie. Stefan Schneckenburger hat mit seinem Wirken über all die Jahre entscheidend dazu beigetragen.

Kleine Garten-Geschichte

Der Botanische Garten wurde 1814 gegründet und im Schlossgraben in der Mitte Darmstadts angelegt. 1830 wurde er verlegt, bis er über verschiedene Stationen 1874 an der Schnittspahnstraße anlangte. Das 200-/140-jährige Jubiläum wurde 2014 mit einer Ausstellung und einer kleinen Veranstaltungsreihe begangen. Zuletzt wurde, unterstützt und beraten von Stefan Schneckenburger und seinem Team, die gärtnerische Landschaftsgestaltung des Schlossgrabens öffentlichkeitswirksam erneuert. Bei der Einweihungsfeier übernahm der stets bescheidene und humorvolle Gartendirektor einige Führungen in zeitgenössischer Kleidung von Erasmus, dem Großvater von Charles Darwin.

Vor 1994 stand der Garten unter technischer Leitung. Dann gelang es, die Position in eine akademische Stelle umzuwandeln und Stefan Schneckenburger zu gewinnen. Er sah sich der Herausforderung gegenüber, das wissenschaftliche Profil des Gartens stärker herauszuarbeiten. Sammler- und Herkunftsdaten zu Pflanzen mussten ermittelt werden. Vom Aussterben bedrohte Pflanzen überleben in Gärten, sodass der Genpool noch erhalten bleibt. Die Hauptaufgaben eines wissenschaftlichen Gartens an einer Universität sind aber die Verfügbarkeit von Pflanzen zur Anschauung in der Lehre sowie die Bereitstellung einer großen Pflanzenvielfalt und kontrollierte Anzucht für die Forschung. Stefan Schneckenburger hat sich auch ganz intensiv in der Lehre der organismischen Botanik engagiert.

Stefan Schneckenburger suchte immer den Kontakt zu interessierten Besucherinnen und Besuchern
Stefan Schneckenburger suchte immer den Kontakt zu interessierten Besucherinnen und Besuchern

Seine Kontaktfreudigkeit eröffnete ihm Wege, um den Botanischen Garten der TU Darmstadt und die botanische Bildung einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Mit Hingabe und Geschick hat er ein weitverzweigtes Netzwerk aufgebaut. Dazu gehörten regelmäßige und gut besuchte öffentliche Gartenführungen, jährliche Tage der offenen Tür mit meist 800 bis 1.000 Besucherinnen und Besuchern. Hier wurde auch deutlich, wie empathisch Stefan Schneckenburger die Gärtnerinnen und Gärtner motivieren konnte, die mit Begeisterung die Mehrarbeit für „ihren" Garten auf sich nahmen.

Vielbeachtete Ausstellungen

Die bei einschlägigen Pflanzen im Garten aufgestellten Begleittafeln (inzwischen fast 300) und eine Fülle thematischer Ausstellungen – etwa über Darwin oder Pflanzensammler – vermittelten wertvolle Informationen in konzentrierter Form; letztere wurden auch in Zusammenarbeit mit dem Verband Botanischer Gärten in Deutschland erarbeitet, dessen Geschäftsführer (1998–2009) und Präsident (2009–2015) Stefan Schneckenburger war. Mit großer Hingabe konzipierte er vielbeachtete Ausstellungen über Pflanzen in den Dichtungen von Goethe und Shakespeare (1999, 2016). Literarische Bezüge zu Pflanzen in der Weltliteratur sind eine besondere Vorliebe von Stefan Schneckenburger, und Shakespeare nimmt dabei eine besondere Stellung ein. Eine Ausstellung in der Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt (2019) widmete sich Alexander von Humboldt aus Anlass seines 250. Geburtstags.

Stefan Schneckenburger anlässlich der Wiedereröffnung des Schlossgrabens 2014 als ehemaliger Hofgärtner Johann August Schnittspahn
Stefan Schneckenburger anlässlich der Wiedereröffnung des Schlossgrabens 2014 als ehemaliger Hofgärtner Johann August Schnittspahn

Aufmerksame Pflege kam dem Freundeskreis Botanischer Garten zu, der mit den Beiträgen von etwa 250 Mitgliedern und Spenden den offiziellen Etat mit jährlich durchschnittlich etwa 10.000 Euro unterstützt. Mit einem Vermächtnis konnte ein neuer, architektonisch spannender Infopavillon errichtet werden. Bis zur Viruspandemie fanden monatlich Vorträge statt; inzwischen macht Stefan Schneckenburger aus der Not eine Tugend und versendet E-Mails mit reichen Bildanhängen. Schließlich fanden jedes Jahr botanische Exkursionen zu attraktiven Zielen – etwa Griechenland, Albanien, Bulgarien, Rumänien, Zypern und den Kapverden – statt. Stefan Schneckenburger ist es zu verdanken, viele Beiträge in Rundfunk, Fernsehen und in der Presse angestoßen und so den Garten überregional bekannt gemacht zu haben.

Neuer Leiter

PD Dr. rer. nat. habil. Simon Poppinga (geb. 1979) ist der künftige Leiter des Botanischen Gartens der TU Darmstadt. Nach dem Biologiestudium in Bonn wurde er 2013 an der Universität Freiburg promoviert. Seither war er im Botanischen Garten der Universität Freiburg in der „Plant Biomechanics Group„ wissenschaftlicher Angestellter und Kurator für fleischfressende Pflanzen (Arbeitsgruppenleiter: Bewegungen im Pflanzenreich, Bionik und elastische Architektur). 2020 schloss er seine Habilitation ab. Seit 2018 ist er Associate Editor des „American Journal of Botany“. Poppinga warb etliche Forschungsprojekte ein und erhielt Auszeichnungen für gute Lehre.