Ameisen zeigen an, wie sich der Regenwald erholt

Internationales Team forscht unter Führung der TU an komplexen Ökosystemen

04.03.2022

Kann sich zerstörter Regenwald wieder regenerieren? Daran forscht das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte Konsortium „Reassembly“ unter Leitung der TU Darmstadt. Am Beispiel von Ameisen lässt sich dabei beurteilen, ob und wie gut sich Regenwald nach einer landwirtschaftlichen Nutzung wiederherstellen lässt. Die Ergebnisse wurden nun in der internationalen Fachzeitschrift „Ecological Applications“ vorgestellt.

Eine von insgesamt 284 Ameisenarten im regenerierenden Regenwald: Ectatomma tuberculatum an einer Nektardrüse eines jungen Baums (Inga).

Regenwälder haben ein hohes Potenzial sich zu regenerieren – eine Art der natürlichen Selbstheilung nach Störungen wie Stürmen oder Feuer. Diese Reparatur kann sogar nach einer landwirtschaftlichen Nutzung noch funktionieren. Wie steht es aber um die vielen kleineren, doch wichtigen Bestandteile des komplexen Ökosystems Regenwald? Zur Waldregeneration gehört auch, dass sich die Populationen von dutzenden Säugetierarten, hunderten Vogelarten und tausenden Insektenarten, die zum Aufwachsen der Wälder beitragen oder davon anhängig sind, wieder erholen.

Die Arbeitsgruppe „Ökologische Netzwerke“ an der TU Darmstadt konnte nun erstmals die Regeneration von Ameisen-Gemeinschaften in einem Regenwald im Nordwesten Ecuadors vermessen. Philipp Hönle, ein ehemaliger Doktorand am Fachbereich Biologie der TU Darmstadt, sammelte und identifizierte 284 Ameisenarten auf 61 Untersuchungsflächen unterschiedlicher Stadien der Regeneration im Rahmen seiner inzwischen erfolgreich abgeschlossenen Doktorarbeit. Einige der Arten waren noch unbekannt und wurden von Hönle wissenschaftlich neu beschrieben.

„Die Analysen zeigen, dass sich die Ameisenarten auf ehemaligen Weiden nach etwa 29 Jahren, in alten Kakaoplantagen sogar nach 21 Jahren erholen, und die Zusammensetzung der Arten dann nicht mehr von ungenutzten Wäldern der Gegend zu unterscheiden ist“, fasst Hönle seine Arbeit zusammen. Die schnelle Erholung und Resilienz zeigte sich an verschiedenen Parametern, beispielsweise der Verteilung funktioneller Merkmale der Ameisenarten. Die Studie ist nun in der internationalen Fachzeitschrift „Ecological Applications“ erschienen.

Auftakt für weitreichende Forschungen

Eine der 64 Untersuchungsflächen: Eine ehemalige Kuhweide, auf der seit drei Jahren Regenwaldbäume natürlich nachwachsen. In Hintergrund ist der ursprüngliche Regenwald zu sehen.
Eine der 64 Untersuchungsflächen: Eine ehemalige Kuhweide, auf der seit drei Jahren Regenwaldbäume natürlich nachwachsen. In Hintergrund ist der ursprüngliche Regenwald zu sehen.

Die Untersuchung der Ameisen bildet den Auftakt einer umfangreichen Erforschung der natürlichen Regeneration komplexer Artengemeinschaften und Nahrungsnetze im tropischen Regenwald im Rahmen der DFG-Forschungsgruppe „Reassembly“. Nico Blüthgen, Professor für Ökologische Netzwerke am Fachbereich Biologie der TU Darmstadt, leitet diese Forschungsgruppe, die sich intensiv mit den Wechselwirkungen zwischen Tieren und Pflanzen und der Regeneration von Störungen im Regenwald Ecuadors befasst. Dafür wurde eine neue Forschungsstation etabliert, die auch mit Mitteln der TU Darmstadt unterstützt wird.

Die Ecuadorianische Naturschutzorganisation Jocotoco betreibt die Station und das zugehörige Waldreservat. Seit über 20 Jahren wurden dort nicht nur Urwaldflächen für das Reservat hinzugekauft, sondern auch verlassene Weiden und Kakaoplantagen, die sich seitdem in sehr hohem Tempo regenerieren. Angesichts der hohen Abholzungsrate tropischer Wälder, die oft nur noch in kleinen Resten vorhanden sind, sind solche neu aufwachsenden Sekundärwälder für den Naturschutz sehr wichtig geworden.

Die bisherigen Ergebnisse zeigen, dass die Renaturierung von Wäldern gelingen kann – allerdings nur unter bestimmten Bedingungen. „Eine solche natürliche Regeneration funktioniert nicht, wenn Wälder industriell abgeholzt werden und großflächig ausgeräumten Agrarlandschaften weichen, wie es leider vielerorts der Fall ist“, sagt Blüthgen. Neue Regenwälder brauchen demnach alte Regenwälder in naher Umgebung – als Reservoir für die tausenden Arten, die zur Regeneration beitragen. Wie das im Detail funktioniert, soll in der Forschungsgruppe nun untersucht werden.

Die Veröffentlichung

Philipp O. Hoenle, David A. Donoso, Adriana Argoti, Michael Staab, Christoph von Beeren, Nico Blüthgen: „Rapid ant community reassembly in a Neotropical forest: Recovery dynamics and land-use legacy“, Ecological Applications, e2559
doi.org/10.1002/eap.2559

Hintergrund: Projekt Reassembly

Die Forschungsgruppe Reassembly untersucht anhand des stark von Menschenhand geschädigten Chóco-Tieflandregenwaldes im Nordwesten Ecuadors die Regenerationsfähigkeit der ehemaligen Weide- und Kakaoplantagen in einem Waldreservat. Dazu werden die Interaktionsnetzwerke zwischen Tier- und Pflanzenarten und deren Funktionen im Ökosystem Regenwald in unterschiedlich regenerierten Sekundärwäldern betrachtet. So soll herausgefunden werden, wie gestörte Ökosysteme sich wieder erholen können. Sprecher ist TU-Professor Nico Blüthgen. Gefördert die Forschungsgruppe von der DFG. Vor Ort wird das Konsortium von der gemeinnützigen Stiftung Fundación Jocotoco und zwei Universitäten des Landes unterstützt. Die Stiftung kauft seit 20 Jahren Flächen in der Region, die dann sich selbst überlassen werden.

Projekt Reassembly

Ecological networks/cst