Zeitenwende durch Erhöhung der Verteidigungsausgaben?

Studie zu Militärbudget von NATO-Ländern seit der Krim-Annexion 2014

2025/03/12

Die Professoren Jens J. Krüger und Michael Neugart von den Fachgebieten Empirische Wirtschaftsforschung sowie Finanzwissenschaft und Wirtschaftspolitik am Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der TU Darmstadt haben in einer Studie untersucht, wie die Anteile der Militärausgaben am BIP der NATO-Länder sich entwickelt hätten, wenn Russland die ukrainische Halbinsel Krim 2014 nicht annektiert hätte. Dies ist auch interessant im Lichte der Ankündigung von Union und SPD, die Verteidigungsausgaben Deutschlands künftig deutlich zu erhöhen und damit die Schuldenbremse aufzuweichen.

NATO-Länder und Russland auf der Europakarte.

Der in den Sondierungsgesprächen von Union und SPD vereinbarte Vorschlag zur Reform der Schuldenbremse sieht vor, dass Verteidigungsausgaben, die über einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) liegen, von der Schuldenbremse freigestellt werden sollen. Das wäre ein grundlegender Politikwechsel und ein Bruch mit dem bisherigen Ausgabeverhalten. Selbst nach der Krim-Annexion hat Deutschland die Militärausgaben im Verhältnis zum BIP kaum erhöht – ganz im Gegensatz zu NATO-Ländern mit einer Landesgrenze zur Ukraine oder Russland, wie Krüger und Neugart in einer jüngst erschienenen Studie zeigen.

Beeinflussen Landgrenzen die Militärausgaben?

Die Autoren haben sich gefragt, wie die Anteile der Militärausgaben am BIP der NATO-Länder sich entwickelt hätten, hätte Russland die Krim 2014 nicht annektiert. Um die Frage zu beantworten, teilen sie die NATO-Länder in zwei Gruppen ein: Solche Länder, die eine Landgrenze zu Russland oder der Ukraine haben, und Länder, die keine Landgrenze zu Russland oder der Ukraine haben, sich somit also nach 2014 vielleicht weniger bedroht fühlten als Polen oder die baltischen Staaten. Haben NATO- Länder mit Landgrenze zu Russland oder der Ukraine ihre Militärausgaben nun stärker erhöht als der Rest der NATO-Länder?

Um das festzustellen, nutzen Krüger und Neugart die Methode sogenannter synthetischer Kontrollgruppen. Hierbei wird mit den Ländern aus der Gruppe weniger stark bedrohter Staaten ein synthetisches Vergleichsland gebildet, das es so nicht gibt, das aber vor der Krim-Annexion über einen längeren Zeitraum möglichst ähnliche Wirtschaftsdaten und Militärausgaben hatte. Mit diesen synthetischen Vergleichsländern lässt sich nun abschätzen, wie hoch die Militärausgaben in den Ländern mit einer Grenze zu Russland oder der Ukraine gewesen wären, wäre es nicht zur Annexion der Krim gekommen.

Ergebnis ist, dass im Mittel die Militärausgaben der NATO-Länder, die sich einer größeren Bedrohung durch Russland gegenübersahen, im Jahr 2022 relativ zum BIP um einen Prozentpunkt höher waren. Deutschland hat also relativ zu NATO-Ländern mit einer Landgrenze zu Russland oder der Ukraine weniger zum Verteidigungsbündnis beigetragen. Es hat seine Militärausgaben aber auch nicht reduziert, während die stärker bedrohten NATO-Länder ihre Beiträge erhöhten. Das zeigt ein Vergleich mit einer Gruppe von Ländern, die zur Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) gehören, jedoch nicht in der NATO sind und ebenfalls keine Landgrenze mit Russland oder der Ukraine haben.

Würde es also zu einer Reform der Schuldenbremse in Deutschland kommen, um die Militärausgaben erhöhen zu können, wäre das allein noch keine Zeitenwende – es würde aber Deutschlands Beiträge zur NATO auf ein Niveau mit Ländern wie Polen oder den baltischen Staaten bringen.

Zur Studie

Jens J. Krüger & Michael Neugart (published online 18 Dec 2024): Contributing to the global public good: the case of NATO, Applied Economics Letters

DOI: https://doi.org/10.1080/13504851.2024.2442484

Neugart/Krüger/bjb