Wie groß ist ein Kohlenstoffkern?
TU-Forschende setzen neuen Maßstab
2025/07/08
Mithilfe präziser optischer Spektroskopie ist es einem Forschungsteam der TU Darmstadt gelungen, den Ladungsradius des Isotops 13C – eines stabilen Kohlenstoffisotops – deutlich genauer zu bestimmen als bisher. Die Ergebnisse der Studie sind nun im renommierten Journal „Nature Communications“ erschienen.

Die elektrische Kraft zwischen Elektronen und Atomkernen ermöglicht die Bestimmung des mittleren Radius der Ladungsverteilung eines Atomkerns. Dieser sogenannte Kernladungsradius ist die genaueste Größenangabe, die die Forschung für einen Atomkern erhalten kann. Die Kerngröße lässt sich aus der Winkelverteilung von Elektronen, die mit hoher Energie auf einen Kern geschossen werden, direkt bestimmen. Dagegen eignen sich präzise Messungen einer Spektrallinie in verschiedenen Isotopen besonders für die Bestimmung der Differenzen der zugehörigen Ladungsradien. Forschende der TU Darmstadt haben nun erstmals diese Methode genutzt, um den Größenunterschied der stabilen Kohlenstoffisotope 12C und 13C zu bestimmen, und konnten damit die Kenntnis des Ladungsradius des Isotops 13C gegenüber der direkten Elektronenstreuung um den Faktor sechs verbessern. Die Ergebnisse wurden mit neuen theoretischen Berechnungen basierend auf modernen Zwei- und Dreiteilchen-Wechselwirkungen zwischen den Neutronen und Protonen im Atomkern verglichen.
Die präzisesten Methoden, um den Ladungsradius eines Atomkerns zu bestimmen, sind die Streuung von Elektronen am Kern und die Spektroskopie gewöhnlicher oder myonischer Atome. Bei der zweiten Methode ist ein Myon statt eines Elektrons an den Atomkern gebunden. Das Myon besitzt eine größere Masse und hält sich im Mittel viel dichter am Kern auf als ein Elektron. Mit zunehmender Genauigkeit der verschiedenen Verfahren zeigten sich in jüngster Zeit Unterschiede im ermittelten Radius, die besonders im Falle des Protons zu einer signifikanten Diskrepanz führten. Diese konnten größtenteils ausgeräumt werden, einige Messungen weichen jedoch immer noch von dem inzwischen akzeptierten Wert ab. Auch bei den beiden Isotopen des Heliums, ³He und ⁴He, gab es Widersprüche zwischen den Messungen an myonischen und solchen an gewöhnlichen Atomen. Für die nachfolgenden Elemente von Lithium bis Neon gibt es noch keine vergleichbar präzisen Messungen – mit einer einzigen Ausnahme: Kohlenstoff. Für die beiden Kohlenstoffisotope 12C und 13C wurden die Ladungsradien sowohl mittels Elektronenstreuung als auch mit myonischen Atomen sehr genau gemessen. Dabei ergab sich eine leichte Diskrepanz zwischen den ermittelten Radien für 12C, während die des Isotops 13C innerhalb der etwas größeren Unsicherheiten übereinstimmten.
Neue Messungen sorgen für größere Genauigkeit
In der nun in „Nature Communications“ erschienenen Studie präsentiert das Team der TU Darmstadt präzise laserspektroskopische Messungen der Übergangsenergien in heliumartigen Kohlenstoff, d. h. an Kohlenstoffionen, denen man die äußersten vier Elektronen entrissen hat (¹²C⁴⁺ bzw. ¹³C⁴⁺). Daraus lässt sich die Differenz der Ladungsradien zwischen den beiden Isotopen 12C und 13C präzise ermitteln. Die Forschenden kombinierten ihr Ergebnis dann mit dem sehr genau bekannten Ladungsradius von 12C aus der Elektronenstreuung und erhielten so einen Ladungsradius für das Isotop 13C. Dieser ist sechsmal genauer als der Wert aus der direkten Elektronenstreuung an 13C und weicht von dem Ergebnis ab, das aus Messungen an myonischem 13C gewonnen wurde. Die Größe dieser Abweichung ist vergleichbar mit der in 12C gefundenen Abweichung. Tatsächlich ist die neue laserspektroskopische Messung der Ladungsradiendifferenz mit der Differenz der beiden myonischen Messungen in 12C und 13C vereinbar.
„Im Vergleich zu unseren früheren Messungen an 12C4+, mussten bei 13C aufgrund der hier auftretenden Hyperfeinstruktur deutlich mehr Resonanzlinien gemessen werden, die sich überdies noch durch quantenphysikalische Prozesse stark gegenseitig beeinflussen. Dies führt zu Verschiebungen der Linien, die in einem Fall etwa 1.000-mal größer waren als die angestrebte Genauigkeit und sorgfältig aus den Messungen eliminiert werden mussten,“ erläutert Dr. Patrick Müller, Erstautor der Studie, der die Messungen und deren Auswertungen im Rahmen seiner Doktorarbeit durchführte. Trotz dieser Schwierigkeiten konnte er die Unsicherheit des Ladungsradius von 13C durch die Kombination der Differenzmessung mit den Elektronenstreudaten von 12C um den Faktor sechs reduzieren. Das Ergebnis für 13C zeigt eine ähnliche Abweichung zum mit Myonen gemessenen Ladungsradius wie bei dem Isotop 12C. Die Ursache dieser Abweichung ist unklar und wird Gegenstand weiterer Untersuchungen sein.
Neben den experimentellen Messungen präsentiert das Team in der Studie auch theoretische Berechnungen der Ladungsradien mit modernsten ab initio Methoden. „Alle unsere Berechnungen ergeben einen kleineren Ladungsradius für 13C als für 12C, wie es auch im Experiment beobachtet wird,“ erklärt Dr. Matthias Heinz, der im Rahmen seiner Doktorarbeit die theoretischen Berechnungen ausgeführt hat. „Sie überschätzen jedoch das ‚Schrumpfen' des Ladungsradius durch das Hinzufügen des Neutrons.“ Da dies für alle verwendeten Wechselwirkungspotentiale beobachtet wird, ist davon auszugehen, dass die Ursache in fehlenden Beiträgen der Vielkörper-Korrelationen zu suchen ist. Die gemessene Differenz der Ladungsradien stellt daher einen wichtigen Referenzpunkt für die Verbesserung der ab initio Methoden dar.
Nörtershäuser/mho