Kooperation verhilft Roboterarm zu menschenähnlichem Design

Prof. Dr. Oskar von Stryk, TU Darmstadt, und thüringisches Unternehmen TETRA GmbH erreichen 3. Platz des 4. Hessischen Kooperationspreises

Ihre Herzen schlagen beide für eines: Roboter. Genau genommen: Humanoide, also menschenähnliche, Roboter. Da haben sich zwei zu einer Partnerschaft gefunden, die die gleiche Leidenschaft für ein Thema besitzen: Prof. Dr. Oskar von Stryk, Fachgebiet Simulation, Systemoptimierung und Robotik an der TU Darmstadt, und Dr.-Ing. Andreas Karguth, Geschäftsführer des mittelständischen Unternehmens TETRA GmbH im thüringischen Ilmenau, der einst in Robotik promoviert hatte. Für ihre beispielhafte Kooperation bei der Entwicklung eines bionischen Roboterarms gelangten sie auf den 3. Platz beim 4. Hessischen Kooperationspreis. Finanziert wurde das Projekt durch BMBF-Mittel.

Elastischer Roboterarm

BioRob, so der Name des markengeschützten Roboterarms, ist ausgestreckt etwa so lang wie ein menschlicher Arm und hat vier Gelenke, die von einer intelligenten Software gesteuert werden. Seine Geschwindigkeit und Genauigkeit ähneln der des Menschen. Der Roboterarm wird durch ein mechanisch-elektrisches System angetrieben, das an der Funktionsweise des elastischen und antagonistischen Muskel-Sehnen-Apparats orientiert ist. Statt Muskelfasern, Knorpeln und Sehnen hat BioRob dünne Federn, Seilzüge und elektrische Antriebe, die zusammen fast fließende, schwerelose Bewegungen ermöglichen. „So etwas war bisher undenkbar in der Industrierobotik“, so von Stryk. „Bis jetzt wurde alles Elastische in der Entwicklung von Robotern ausgeschlossen. Roboter mussten starr sein, um Lasten schnell und genau bewegen zu können. Elastizität in diesem Zusammenhang – das war unmöglich. Wir haben mit unserer elastischen und extremen Leichtbauweise die Robotik ein wenig auf den Kopf gestellt.“

Lernfähig

BioRob kann bis zu seinem Eigengewicht von 3 kg heben, ist kooperativ und lernfähig – beispielsweise weiß er nachzugeben, wenn ein Mensch oder Gegenstand ihm zu nahe kommt oder gar er mit ihm kollidiert. Schließlich ist BioRob nicht dafür gedacht, hinter einer teuren Abschirmung oder Lichtschranke zu arbeiten, sondern in unmittelbarer Arbeitsumgebung der menschlichen Kollegen. Macht man dem Roboterarm eine bestimmte Bewegung durch Führen intuitiv vor, kann er sie danach eigenständig ausführen. Beste Voraussetzungen also, um nach einer kurzen Einarbeitungszeit Routinearbeiten zu übernehmen. Innerhalb eines Jahres soll BioRob bereits für Testkunden arbeiten.

Der menschenähnliche Arm kann vielfältig eingesetzt werden: im flexiblen Handling von kleinen Aluminiumobjekten in einer Produktion mit kurzen Einrichtungszeiten oder beim automatisierten Setzen von Pflanzenstecklingen. Weil seine Installation nur sehr kurze Zeit in Anspruch nimmt, ist er besonders für die flexible Produktion in kleinen und mittelständischen Unternehmen geeignet.

Zusammenarbeit mit Hintergrund

Es scheint, als habe die Vergangenheit Meilensteine und Chancen parat gelegt, die das Unternehmen schrittweise in die Bionik und Leichtbaurobotik führte: 2004 bereits hatte Dr. Seyfarth vom Lauflabor der Friedrich-Schiller-Universität Jena TETRA mit Experimentiertechnik für elastische, zweibeinige Laufsysteme (der ausschlaggebende Punkt für bionische Systeme) beauftragt. Dies war der erste Schritt der Firma in die bionische Robotik.

Auch ein Bioroboterarm sollte aufgrund der Basisidee von Prof. Möhl (Saarbrücken) entwickelt werden, „aber die Idee wurde nie richtig aufgegriffen“, so Dr. Karguth. Eine Idee aber, die Oskar von Stryk zunächst in einer Machbarkeitsstudie gemeinsam mit Bernhard Möhl in einem computersimulierten BioRob-Roboterarm verfolgte.

Das Fraunhofer Institut für Biomedizinische Technik in St. Ingbert suchte nach einer Lösung für einen Roboterarm, der bei extrem tiefen Temperaturen Laborproben aus mit Stickstoff gefüllten Behältern herausholen kann. Da kamen der Bioroboterarm, Oskar von Stryk und TETRA ins Spiel, und der Beginn einer „äußerst angenehmen Kooperation“. Der Wissenschaftler konnte auf die Erfahrung und Technologie des Unternehmens in der Fortsetzung der Möhl’schen Idee setzen.

„BioRob ist der erste Roboter, der ohne Schutzhülle in Temperaturbereiche bis -160°C greifen kann, also einsetzbar ist in der gesamten Tiefsttemperaturtechnik“, so Dr. Karguth, dessen Unternehmen seit 1991 im Bereich Medizin-und Labortechnik sowie Elektronik-Dienstleistungen tätig ist, aber auch eigene Produkte am Markt vertreibt.

Neues Geschäftsfeld Leichtbaurobotik

Für den Unternehmer stand bei der Zusammenarbeit mit der TU Darmstadt, die 2006 begann, im Vordergrund: „Endlich wieder Robotertechnik machen! Und eine Maschine bauen, die es vorher noch nicht gab. Es war für uns eine extreme Herausforderung, ein Lichtleiteroptisches System zu entwickeln, das bei Tiefsttemperaturen die Gelenkwinkel des Roboterarms kontrolliert.“ Dank BioRob kann TETRA jetzt nicht nur Kunden in der Medizintechnik mit einem neuen Produkt unterstützen, sondern auch ein neues Geschäftsfeld eröffnen: die Leichtbaurobotik.

Ausgründung geplant

Das Projekt ist nicht nur für TETRA vorteilhaft: Die TU Darmstadt bereitet derzeit eine Ausgründung vor. Hier soll die gesamte Steuerungs-und Bediensoftware anwendungsorientiert weiterentwickelt und vermarktet werden. „BioRob bietet auch der Forschung großes Potenzial. Die Entwicklung des Demonstrators ist abgeschlossen. Der nächste Schritt wird sein, ihm ein gutes Design zu geben, wobei die elastische Haut erhalten bleibt. In der Ausgründung, die innerhalb eines Jahres erfolgen soll, wird es darum gehen, die komplexe Software an neue Anforderungen und Anwendungen kommerzieller Anwendungen anzupassen und weiterzuentwickeln“, so von Stryk. In einem späteren Projekt soll der BioRob außerdem sehen, hören und sprechen lernen und mit mehr Intelligenz ausgestattet sein. So soll der Arm mit einer Kamera Gegenstände erkennen und diese selbst greifen können. „Außerdem wollen wir die dynamische Eigenschaft des Arms noch besser nutzen.“

„Wenn die Nachfrage nach BioRob wächst“, so Karguth, „können wir uns vorstellen, speziell eine Fertigungsfirma hierfür zu gründen.“ Und auch Oskar von Stryk hat seine Träume: in einem neuen DFG-Projekt, das er gemeinsam mit dem Lauflabor der Uni Jena durchführt, arbeiten er und seine Mitarbeiter schon an einem frei laufenden, zweibeinigen humanoiden Jogger-Roboter mit Elektroantrieb, Federn und Seilzügen statt Oberschenkelmuskeln und Patellasehne. Aber auch hier wird es nicht ohne die Sensorik und Mechatronik von TETRA in Ilmenau gehen.

Projekttitel: Entwicklung eines bionischen Roboterarms

• Unternehmenspartner TETRA GmbH Dr.-Ing. Andreas Karguth Gewerbepark Am Wald 4 98693 Ilmenau Tel. 03677 / 86590 www.tetra-ilmenau.de

• Wissenschaftlicher Partner Prof. Dr. Oskar von Stryk TU Darmstadt, FB Informatik, Fachgebiet Simulation, Systemoptimierung u. Robotik (SIM), Hochschulstraße 10 64298 Darmstadt Tel. 06151 / 162513

Weitere Infos zum Hessischen Kooperationspreis

http://www.ttn-hessen.de/index.php?id=71