Von Jutta Witte
Und obwohl mit dem Umstieg auf erneuerbare Energien sowie steigender Anforderungen an die Effizienz und Nachhaltigkeit die Komplexität der technischen Systeme steigt, werden auch weiterhin überwiegend konventionelle Regelstrategien zur Steuerung eingesetzt. „Das sind einfache, regelbasierte und gut erprobte Steuerungskonzepte, aber sie sind alles andere als optimal“, berichtet etalytics-Geschäftsführer Dr.-Ing. Niklas Panten. So berücksichtigen die bislang eingesetzten Verfahren zeitvariable und stochastische Störgrößen wie Außen- und Rücklauftemperaturen oder die relative Luftfeuchtigkeit oft nicht, obwohl sie – zum Beispiel bei einem Kühlturm – großen Einfluss auf die Effizienz haben können. Sie berücksichtigen auch nicht die Wirkungsgradverluste, die in der Versorgungskaskade bis zum Verbraucher bei jeder Energieumwandlung eintreten.Um die Energieversorgung effizienter und in „near real-time“ zu steuern machen sich Panten und seine Mitgründer Thomas Weber und Björn Scheurich die Daten zunutze, die in den technischen Systemen laufend produziert werden. Eine Vielzahl von Sensoren erzeugen riesige Datenmengen, die Aufschluss geben über Temperaturen, Drücke, Volumenströme und andere Parameter, die man für die Systemoptimierung braucht. Ein kleiner Industriecomputer greift diese Daten ab und streamt sie in die Cloud. Dort werden sie von Lücken bereinigt, verrechnet und ausgewertet. Schlussendlich werden anhand der aufgenommenen Daten die optimalen Steuersignale für die Aktoren in den Energiesystemen berechnet. Die optimierten Steuerungsdaten gehen von der Cloud direkt zurück ins System, fließen unter anderem aber auch in visualisierte Handlungsempfehlungen ein. Manuelle Eingriffe in die Steuerungssoftware sind nicht mehr zwingend notwendig – ein neuartiges, flexibles und hochautomatisiertes Verfahren, das Energiebeauftragte bei ihrer Arbeit unterstützen soll.
Ohne KI-Lösungen, an denen Panten und Weber schon viele Jahre in der ETA-Forschungsfabrik arbeiten, würde es nicht funktionieren. „Hier steht uns ein ganzer Werkzeugkasten an Möglichkeiten zur Verfügung“, sagt Weber. Zum Einsatz kommen nicht nur mathematische Optimierungen und Verfahren, die auf überwachtem Lernen basieren, sondern auch lernende Systeme, die Prognosen über das zukünftige Verhalten eines Energiesystems ermöglichen.
Von der Idee zur Gründung
Wie groß der Bedarf an Innovationen im Bereich des Energiemanagements ist hat Niklas Panten am eigenen Leib erfahren, als er mit seiner Forschungsgruppe von 2014 bis 2019 am Aufbau der ETA-Fabrik auf dem Campus Lichtwiese mitgearbeitet hat. Die seinerzeit am Markt erhältlichen Softwarelösungen für datenbasiertes Energiemanagement erwiesen sich alle als zu kompliziert und unflexibel. Panten war überzeugt: „Das muss einfacher, mit mehr Funktionalität gehen“. Anfang 2019 beschlossen er und Thomas Weber eine bessere, KI-basierte Software nicht nur zu entwickeln, sondern auch zu verkaufen. „Unsere Data-Science-Fähigkeiten allein reichten hierfür natürlich nicht aus“, erzählt Weber. So stieß Softwarearchitekt Björn Scheurich dazu.
Sie vereinbarten ein Initialgespräch am Gründungs- und Innovationszentrum HIGHEST, informierten sich über die Unterstützungsangebote und brachten schließlich begleitet vom Beratungsteam den Antrag für ein EXIST-Stipendium auf den Weg. Noch bis Ende März 2021 finanziert es das Auskommen der Gründer, Werkverträge für externe Entwicklerinnen und Entwickler und die Räume, die etalytics im Energy-Center der TU Darmstadt nutzt. Auch wenn die Arbeit an Businessplan und Technologie von Anfang an auf Hochtouren lief: „Wir haben uns oft gefragt, ob sich das Risiko lohnt“, erinnert sich Panten. Den entscheidenden Motivationsschub die Gründung durchzuziehen gab schließlich der Sieg beim Gründerwettbewerb „Digitale Innovationen“ des BMWi im Herbst 2019
Das leistet HIGHEST für etalytics
Seit April 2019 wird das Start-up Etalytics von den Gründungsberatern und -beraterinnen des Innovations- und Gründungszentrums HIGHEST begleitet.
Zusammen mit HIGHEST konnte das Gründerteam ein EXIST-Gründerstipendium einwerben und so die erste Finanzierungsrunde absichern. Das Stipendium wurde aufgrund der Pandemie-Bedingungen und mit Unterstützung von HIGHEST bis Ende März 2021 verlängert.