„Wir haben einen enormen Wissensvorsprung“
Das TU-Start-up Persival entwickelt Sensor-Simulationen, die das reale Umfeld exakt abbilden sollen
06.09.2024 von Astrid Ludwig
Realitätstreue Simulationen in der Umfelderfassungs-Sensorik und eine exakte Modellierung der virtuellen Umgebung entwickelt das Jungunternehmen Persival. Wichtig ist das in vielen Bereichen von der Landwirtschaft bis zur Autoindustrie und dem Autonomen Fahren.
Eine virtuelle Fahrt durch die Stadt: Die Umfeldsensoren des Autos erfassen die Straße, Häuser, Bäume, andere Fahrzeuge oder auch Menschen, die auf dem Bürgersteig unterwegs sind. Je nachdem wie stark die Objekte reflektieren, sind die simulierten Sensordaten in unterschiedlichen Farben markiert. Wie wirkt sich das Wetter auf die Sensorik aus? Wie beeinflussen Regen oder Nebel, Dunkelheit oder Spiegelungen womöglich die Ergebnisse? „Wir legen viel Wert darauf, dass unsere simulierten Sensordaten die Realität hinreichend abbilden“, betonen Dr.-Ing. Timm Ruppert und Dr.-Ing. Christoph Popp, Maschinenbauer und Senior Ingenieure bei . Persival
Genau mit dieser Idee machten sich Philipp Rosenberger und Clemens Linnhoff 2021 selbstständig. „Wir wollten glaubwürdige, validierte Sensorsimulationen entwickeln, die als Testwerkzeug eingesetzt werden können“, sagt Firmengründer Rosenberger. Was als Ausgründung der TU Darmstadt mit zwei Maschinenbau-Doktoranden begann, ist mittlerweile zu einem Jungunternehmen mit 14 Beschäftigten und Forschenden angewachsen. Gestartet ist Persival gleich mit Aufträgen aus der Autoindustrie im Gepäck. „Das war eine komfortable Ausgangssituation“, sagen die Entwickler.
Umfeldsensoren sind heute überall im Einsatz – wenn Landwirte mit ihren neuen Traktoren über die Felder oder Menschen mit dem Auto über die Autobahn fahren. Sensoren signalisieren, was sich vor, hinter, unter oder neben uns abspielt. Für das assistierte oder autonome Fahren und die Entwicklung der nächsten Generation im Fahrzeugbau ist die Sensorik essenziell. Simulationsbasiertes Entwickeln und Testen bietet dabei große Einsparpotenziale. Das Team von Persival schafft hierfür eine Software, die die Wirklichkeit möglichst exakt überträgt und in virtuelle Modelle fasst. Mit eigenen Prüfständen messen sie beispielsweise, wie sich Feuchtigkeit auf der Straße oder Dreck auf dem Sensor auf die Signalausbreitung auswirkt oder wie Lärmschutzwände oder Leitplanken diese Daten verändern. Ein Nummernschild reflektiert Licht anders als die Karosserie eines Autos und bei Regen ziehen Autos eine Wasserschleppe hinter sich her. „Alles, was vom Aussenden bis zum Empfang des Signals passiert, packen wir in unsere Simulationen“, erläutert Senior Ingenieur Ruppert.
Dafür setzen die Wissenschaftler:innen neben Radardaten vor allem auf das zwar teurere, aber hochauflösende Laserscanner-System LIDAR (Light Detection and Ranging). Bewusst verzichtet das Start-up-Team bei der Entwicklung der Simulationen auf Künstliche Intelligenz. „Unsere Simulationen sollen sicher und vertrauenswürdig sein“, sagen die Entwickler. KI sei jedoch oft eine Blackbox. „Wir geben unsere Daten genau vor, wissen, wie und welche physikalischen Effekte wir abbilden. Wir nehmen den analytischen, nicht den gelernten Weg“, erläutern Ruppert und Popp. Dadurch sei es möglich, die synthetischen Daten anschließend als verlässliche Datenquelle zum Training von KI zu nutzen, was zukünftig einer der Hauptanwendungen von Simulation sein wird, ergänzt Rosenberger.
Das Start-up ist gut angelaufen, das Interesse aus der Industrie groß. Viele Unternehmen wollen verstärkt Simulationen für ihre Entwicklungen nutzen. „Wir haben da einen enormen Wissensvorsprung anzubieten“, betonen die Persival-Ingenieure. Derzeit ist das junge Unternehmen in Verhandlungen mit mehreren großen neuen Kunden.
Persival will seine Anwendung weiterentwickeln – insbesondere bei der Vermessung von Reflexionseigenschaften unterschiedlichster Materialien. Entsprechende Projekte sind in Planung oder wurden bereits erfolgreich abgeschlossen, berichtet Rosenberger. „Das gehen wir gerade verstärkt an. Wir wollen uns eine eigene Materialdatenbank als Grundlage der Simulation aufbauen und künftig auch an Kunden lizenzieren.“
Ausbauen wollen die TU-Ausgründer ebenso den Bereich Radarsimulation und Modellvalidierung. Seit kurzem verstärkt daher ein neuer Mitarbeiter das Persival-Team. Ein ehemaliger Kollege aus der Fahrzeugtechnik der TU Darmstadt, der zu diesen Themen bereits geforscht hat. „Wir sind sehr froh und stolz, solche Leute für uns gewinnen zu können. Dadurch versammeln wir ein weltweit einmaliges Team an Experten bei uns“, betont der Start-up-Gründer.