Smarter Gärtnern
Das TU-Start-up GEDYTE erleichtert Kleingärtner:innen den Anbau
10.10.2024 von Anja Störiko
Mit Sensoren und digitaler Optimierung will das Start-up GEDYTE Kleingärtnerinnen und -gärtnern den Anbau erleichtern. Künstliche Intelligenz (KI) soll helfen, gesunde Pflanzen zu züchten. So lassen sich Wasser, Dünger und Kohlenstoffdioxid reduzieren und die Erträge optimieren: Ein Schritt zum einfachen lokalen biologischen Anbau für alle.
Der Anbau von Chilischoten war der Anfang. „Meine Familie gärtnert schon immer viel“, berichtet Tizian Kernstock. Während die Eltern sich vor allem auf Zierpflanzen fokussierten, wandte er sich dem Gemüse zu. Während Corona habe er dieses Hobby ausgeweitet, viel ausprobiert – und dann die Idee entwickelt, dass KI ihm die Arbeit erleichtern könnte.
Mittlerweile hat der 25-Jährige einen Prototyp vor sich stehen: Ein per Solarpaneel versorgtes Sensoren-Kästchen mit Touch-Screen, das beispielsweise Luftfeuchtigkeit, Licht, CO2 und Temperatur misst. Auch den Ertrag können Hobbygärtner:innen ermitteln und per App erfassen. Kernstock stapelt stolz seine frisch geernteten Tomaten-, Paprika- und Chilisorten.
KI-Gewächshaus für Hobbygärtner
Industrielle Gewächshäuser haben intelligente Steueranlagen, berichtet der Wirtschaftsingenieur. Sensoren erfassen dort Daten im großen Maßstab. Mit Hilfe von KI können solche Systeme heute dank Vorhersagen und Lernen schon besser als Menschen die Erträge steuern. „Aber für das Hobbygärtnern gibt es bislang nur behelfsmäßige Basteleien“, ergab Kernstocks Recherche. Dabei sind die Kosten für solche Systeme mittlerweile deutlich gesunken. Für die Hobby-Anwendung nutzt er günstige Sensoren, mit deren Hilfe sich Vorhersagen für das Pflanzenwachstum entwickeln und optimieren lassen. GEDYTE – englisch ausgesprochen „gedeiht“ – spielt gleichzeitig auf „byte“ als Maßeinheit für digitale Daten an. GEDYTE
Kernstock vertiefte sein Interesse am Gründen in einem zweiten und entdeckte im Studium spannende Möglichkeiten: „Ich will etwas Neues machen und den Fortschritt voranbringen“. Seine Idee setzte er mit zwei Freund:innen um. Studienkollege Vincent Hané ist bis heute als Partner dabei, kümmert sich um Back-end, App und KI, während Kernstock die Betriebswirtschaft und Hardware verantwortet. Masterstudiengang „Entrepreneurship und Innovationsmanagement“ an der TUDa
Hilfreich war bei der Gründung das Team von mit seinem großen Netzwerk und intensiver Beratung. Das GEDYTE-Team warb erfolgreich Sechs-Monats-Stipendien des hessischen Lean-AI-Start-up-Funds und von Hessen Ideen ein. Nächstes Ziel ist ein EXIST-Stipendium: Der Antrag ist bereits fertig und soll noch dieses Jahr eingereicht werden. Auch ein Patent auf das System ist beantragt. Erst mal wollen die Gründer das Team aber mit einer dritten Person komplettieren. Im Moment sind Marktprüfung, Optimierung des Prototyps und Überlegungen für eine künftige Serienproduktion ein Vollzeit-Job. HIGHEST
Weniger Pflanzenkrankheiten, besserer Ertrag
Auch die nächsten inhaltlichen Ziele stehen fest: Kernstock ist dabei, Wetterdaten einzubinden, um die Vorhersagen zu optimieren. Idealerweise lassen sich künftig noch weitere Umgebungswerte und Pflanzeninformationen messen. Im Moment kann das System künftige Erträge vorhersagen und einen Risikowert für Pflanzenkrankheiten ermitteln. „In meinem eigenen Folientunnel muss ich beispielsweise besser lüften“, hat Kernstock gelernt.
Interessierte für den Markttest gibt es bereits. Neben Privatkund:innen kommen auch kleine Gewerbebetriebe für die Anwendung infrage. „Allein unsere Bilder auf Social Media haben schon unzählige Interessierte angelockt, die das System gleich kaufen wollten“, freut sich der Erfinder.
Langfristig hofft Kernstock, dass „GEDYTE für Laien interessant wird, die bislang keine Ahnung von Gemüse haben“. Er hofft auf einen Effekt wie bei den Balkonkraftanlagen, die Fotovoltaik in jeden Haushalt bringen. Der Eigenanbau diene der Ernährungssicherheit, schone Ressourcen, vermeide Logistik und Transport – und erhöhe auch die Wertschätzung von Lebensmitteln. „Zudem wäre das System auch in Entwicklungsländern hilfreich“, ist Kernstock überzeugt. Mit einer NGO in Kenia besteht bereits Kontakt, um ein wassersparendes Gewächshaus zu ermöglichen.
Tipps für die Entwicklung zur Marktreife oder beispielsweise zu Sensoren-Typen hat das GEDYTE-Team von anderen Start-ups im Technologie- und Gründerzentrum Darmstadt bekommen: „Der Austausch im HUB31 ist sehr befruchtend“, lobt Kernstock die lokale Ideenschmiede. In einem Jahr hofft er, sein Produkt auf den Markt zu bringen – und dann noch mehr leckeres Gemüse mit weniger Aufwand und von bester Qualität zu züchten.