Lokale Techniken in einer globalen Welt
Hohe europäische Auszeichnung für Geschichts-Professor Mikael Hård
2017/05/09 von feu / mh
Der Europäische Forschungsrat (ERC) hat einmal mehr einen Wissenschaftler der TU Darmstadt mit einem prestigeträchtigen „ERC Advanced Grant“ ausgezeichnet: Professor Mikael Hård erhält für sein Projekt zur „Globalgeschichte der Technik von 1850-2000“ eine auf fünf Jahre angelegte Förderung in Höhe von 2,5 Millionen Euro. Zusammen mit fünf Doktorandinnen und Doktoranden sowie einem Postdoc kann der Historiker Archivmaterial aus der ganzen Welt bearbeiten, um das Fach Technikgeschichte in einen neuen, weltumspannenden Kontext einzubetten.
trägt viel dazu bei, dass die Technikgeschichte an der TU Darmstadt eine Art Brückenfunktion zwischen den Geistes- und Ingenieurwissenschaften einnimmt. Nun kann er dank eines mit 2,5 Millionen Euro ausgestatteten Professor Mikael Hård dem Fach wichtige neue Impulse verleihen. „Viel zu lange“, so erläutert Hård, „hat die Vorstellung geherrscht, die Technikentwicklung sei ein gewaltiger Motor, der die Welt zusammenfügt und vereinheitlicht. Auf den ersten Blick ist die Schlussfolgerung, dass Globalisierung einhergeht mit Homogenisierung, einleuchtend. Wir wissen zum Beispiel alle, wie ähnlich die großen Flughäfen dieser Welt sind.“ Dennoch gestalteten Menschen ihren Alltag sehr unterschiedlich. „Der eine bereitet sein Essen auf einem Ceranfeld zu, die andere mithilfe von Holzkohle. Manche kaufen alle zehn Jahre ein neues Auto, andere lassen ihr Auto vom Karosseriebauer vor Ort immer wieder zusammenschweißen.“ „ERC Advanced Grant“
Geschärfter Blick für den „Globalen Süden“
Mikael Hård interessieren vor allem die Unterschiede und Ähnlichkeiten zwischen den Industrieländern und der sogenannten „Dritten Welt“, dem „Globalen Süden“ – zumal sich die Technikgeschichte bisher fast ausschließlich mit Europa und Nordamerika beschäftigt habe, so der Darmstädter Professor. Wenn die Fachwissenschaft gelegentlich Afrika, Lateinamerika oder Asien untersuche, dann meistens unter dem Blickwinkel der Abhängigkeit vom „Globalen Norden“ oder als passive Entgegennahme von „moderner“ Technik, begleitet von einem Prozess kultureller „Verwestlichung“. „Dabei wird oft vergessen, dass jeder Kulturraum seine eigenen technischen Lösungen entwickelt hat – Lösungen, die zum Teil immer noch in Gebrauch sind. Im Hausbau etwa sind solche Traditionen besonders auffällig.“
Hård ist es wichtig, hervorzuheben, dass der intensive Erfahrungsaustausch zwischen den Ländern des „Globalen Südens“ schon im Zeitalter des Imperialismus von großer Bedeutung war. Um 1900 gab es zum Beispiel intensive Kontakte zwischen Ingenieuren und Händlern in Indien und Ostafrika.
Hybride technische Lösungen
Das TU-Team wird, wenn es in den kommenden fünf Jahren die Globalgeschichte der Technik um einige Kapitel ergänzt, besonders aufmerksam auf hybride technische Lösungen schauen – also auf Produkte, die ursprünglich aus Europa oder Nordamerika stammten, aber auf anderen Kontinenten modifiziert und verändert worden sind. Ein Beispiel sind Lastwagen, die durch Umrüsten für das Fahren auf Schotterpisten und in Wüstenlandschaften tauglich gemacht werden.
Am Ende das Forschungsprojekts wird eine Reihe von Fallstudien aus Lateinamerika, Asien und Afrika stehen, die die Kreativität der Bewohnerinnen und Bewohner des „Globalen Südens“ hervorheben – ein Phänomen, das in Indien unter dem Begriff „jugaad“ firmiert. „Sicherlich standen diesen Menschen im Untersuchungszeitraum 1850 bis 2000 meistens weniger ökonomische Ressourcen zur Verfügung. Weniger Ideen und weniger Kenntnisse hatten sie aber nicht“, sagt Hård. „Die Herausforderung, vor der ich und mein Team stehen, ist es, dieses lokale Wissen und Können wieder zu entdecken und eine tatsächlich globale Technikgeschichte zu erzählen.“
Zur Person
ist seit 1998 Professor für Technikgeschichte am Professor Mikael Hård der TU Darmstadt. Davor bekleidete er eine ähnliche Professur an der Norwegischen Technisch-Naturwissenschaftlichen Universität (NTNU) in Trondheim. Mikael Hård stammt aus Schweden, wo er 1988 an der Universität Göteborg promoviert wurde. Davor hatte er u.a. auch an der Princeton University und der Universität Uppsala studiert. 2013 verfasste er mit Ruth Oldenziel die Monografie „Consumers, Tinkerers, Rebels. The People Who Shaped Europe“ (Palgrave Macmillan). Fachbereich Gesellschafts- und Geschichtswissenschaften