Anker lichten und raus in die Welt

Ein Auslandspraktikum ermöglicht es Studierenden nicht nur, praktische Erfahrungen im Ausland zu sammeln, sondern auch Freunde überall auf der Welt zu finden, neue Kulturen kennenzulernen sowie ein großes Netzwerk aufzubauen. Eine Organisation, die all das vereint, ist die International Association for the Exchange of Students for Technical Experience (IAESTE). Im Jahr 2018 konnte IAESTE so weltweit ca. 3.200 Praktikumsplätze an Studierende vermitteln, hauptsächlich im MINT-Bereich. Knapp fünfzig Prozent davon wurden an Frauen vermittelt, was für das naturwissenschaftliche Gebiet sehr bemerkenswert ist.

Mit einem Lokalkomitee (LC) ist IAESTE als Hochschulgruppe auch an der TU Darmstadt vertreten. Das IAESTE LC Darmstadt trifft sich jeden Mittwochabend, in den letzten Monaten allerdings aufgrund der Pandemie nur noch online. Zurzeit hat die Gruppe etwa acht Mitglieder, welche sich um Incoming, Outgoing, Marketing und Finanzen kümmern. Neue Mitglieder sind herzlich eingeladen, zu einem der regelmäßigen Teammeetings zu kommen.

Felix Hamburger, der Vorsitzende des LC Darmstadt und bereits seit über zwei Jahren bei der Organisation, erzählt begeistert: „Es ist sehr schön, überall Freunde zu finden, sowohl national, weil sich die LCs regelmäßig treffen, als auch international, wenn man bei einem Praktikum oder IAESTE-Treffen im Ausland Kontakte knüpft, die ein Leben lang erhalten bleiben.“ Felix studierte im Bereich Technische Biologie und hat 2019 ein Praktikum in den Vereinigten Arabischen Emiraten an der Universität in Schardscha absolviert. Während des Praktikums hat er Studierende aus Bolivien, Brasilien, Jordanien, Ägypten, Pakistan und ganz Europa kennengelernt, mit denen er immer noch im Kontakt ist.

Wie eine große Familie

Felix erzählt, dass die große Unterstützung für Praktikantinnen und Praktikanten durch IAESTE vergleichbar mit einer Familie sei: „Wenn man ins Ausland geht, fühlt man sich nicht allein gelassen, sondern man ist sofort in die soziale Gruppe integriert. Man erkundet das fremde Land mit den anderen Praktikantinnen und Praktikanten und lokalen IAESTE-Leuten und findet so schnell Freunde.“ Lokalkomitees kümmern sich um die Praktikantinnen und Praktikanten, helfen bei der Wohnungssuche, organisieren Stadtführungen und gemeinsame Treffen, planen gemeinsame Freizeitaktivitäten und stehen bei Fragen stets zur Verfügung.

Gleichzeitig findet aber auch kultureller Austausch statt: „Es gefällt mir, Praktikanten und Praktikantinnen, die hierherkommen, Darmstadt und ein Stück unserer Kultur zu zeigen und sich mit ihnen auszutauschen. Dadurch erfährt man, was die Unterschiede zwischen den Kulturen sind und was ähnlich ist“, sagt Julian Drauz. Er studiert Informatik im Master und ist ebenfalls im Vorstand des Lokalkomitees.

Die meisten der angebotenen Praktika finden im Sommer statt. Von Lokalkomitees werden zu dieser Zeit größere Wochenendtreffen organisiert. Alle Praktikantinnen und Praktikanten werden dazu eingeladen und können gemeinsam Zeit verbringen. Lokalkomitees organisieren für sie ein Programm mit Stadtführungen und Festivitäten. „Da kann man nicht nur als Praktikant, sondern auch als Volunteer teilnehmen“, erzählt Philipp Kaul, Student der Elektro- und Informationstechnik und seit April 2019 Mitglied von IAESTE.

Keine Vermittlungsgebühr

Dabei zahlen die Studierenden für das Auslandspraktikum von IAESTE keine Vermittlungsgebühr und verdienen im Praktikum genug, um ihren Lebensunterhalt im Ausland selbst bestreiten zu können. Die Erstattung von Reisekosten kann ebenfalls beim Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) beantragt werden. „Das ist ein großer Vorteil unserer Organisation. Es ermöglicht ein Auslandspraktikum auch den Leuten, die sich das sonst nicht leisten könnten“, sagt Felix.

Und wie sieht das Bewerbungsverfahren für ein Auslandspraktikum bei IAESTE aus? Für den regulären Bewerbungsprozess bewerben sich die Studierenden bis Anfang Januar jeden Jahres bei den Lokalkomitees. Soziales Engagement der Bewerberinnen und Bewerber sowie ein überzeugendes Motivationsschreiben spielen dabei eine große Rolle. Im Januar findet dann eine große internationale Tauschbörse statt, auf der alle Mitgliedsländer unter sich Praktikastellen austauschen, die von den Lokalkomitees organisiert wurden. Daraus resultiert eine lange Liste mit den für Deutschland verfügbaren Praktika. Im weiteren Verfahren findet die nationale Tauschbörse in Bonn statt, bei der sich die deutschen Lokalkomitees treffen und die für Deutschland verfügbaren Praktikastellen untereinander verteilen. „Wir versuchen dabei, die Wunsch-Praktika unserer Bewerberinnen und Bewerber zu bekommen“, verdeutlicht Julian, „es kann aber sein, dass beispielsweise das LC aus München auch einen Interessenten für diese Stelle hat. Dann müssten wir mit ihnen darüber verhandeln.“

Beim zweiten Verfahren können die Studierenden sich das ganze Jahr über bewerben. Das Verfahren läuft parallel zum regulären Prozess. „Das liegt daran, dass über das ganze Jahr neue Praktikumsangebote reinkommen, von den regulären Plätzen einige übriggeblieben sind, oder ein Studierender abgesprungen ist und deswegen ein Platz frei geworden ist“, erklärt Julian. Die Stellen sind über das ganze Jahr online auf iaeste.org einsehbar. Die Studierenden können sich diese anschauen und den Lokalkomitees Bescheid geben, wenn sie sich spontan bewerben möchten.

Vier Unternehmen aus Darmstadt und Umgebung sowie zwei Institute der TU bieten Praktika für Studierende aus dem Ausland an. Kein Angebot wurde bis jetzt wegen Corona zurückgezogen. Dieses Jahr haben aber viele Studierende den Praktikumsplatz abgelehnt, teils weil Reisebeschränkungen bestanden, teils weil der DAAD die Reise nicht zugelassen hat.

Große Einschränkungen durch Corona-Pandemie

Julian erinnert sich an die Unsicherheiten am Anfang des Jahres: „Der Fokus von IAESTE liegt auf Auslandspraktika. Dementsprechend waren wir von der Pandemie extrem betroffen.“ Da IAESTE in Deutschland ein Teil des DAAD ist, mussten viele Dinge behördlich abgeklärt werden. Im April wurde entschieden, dass bis September keine Praktika stattfinden durften. Die deutschen Studierenden, die im Ausland ein Praktikum machten, wurden teilweise zurückgeholt.

IAESTE vermittelt jährlich für circa 500 Studierende aus der ganzen Welt Praktikastellen in Deutschland, von denen dieses Jahr nur etwa 70 realisiert werden konnten. Ähnlich sieht es von der anderen Seite aus: Normalerweise gehen 400 bis 500 deutsche Studierende ins Ausland für ein Praktikum über IAESTE, dieses Jahr waren es ebenfalls nur circa 70.

Gleichzeitig hatten die Lokalkomitees auch in den Monaten des Lockdowns einiges zu tun. So mussten sie sich beispielsweise um die Incomer kümmern. „Für sie war es auch eine schwierige Situation, weil sie im Ausland sind, wenige Kontakte haben und dann noch daheim bleiben müssen“, erklärt Julian. In Darmstadt war ein Praktikant aus Brasilien. Julian erzählt: „Er hatte Glück, dass er kein Homeoffice machen musste und nicht nur zu Hause saß. Wir haben regelmäßig mit ihm Rücksprache gehalten, wie es ihm geht und was er braucht.“

Seit Anfang September sind Praktika für deutsche Studierende innerhalb Europas wieder zugelassen. Europäische Studierende dürfen auch nach Deutschland kommen. Derzeit befindet sich ein Praktikant aus Spanien in Darmstadt, normalerweise kommen sieben bis zehn Studierende pro Jahr aus der ganzen Welt für ein Praktikum nach Darmstadt.

Die Hochschulgruppe freut sich immer über interessierte Studierende, die Lust haben mitzuarbeiten und selbst internationale Kontakte knüpfen wollen.