Eine Art Rettungsring für Studierende

Stiftung gibt Hilfe zur Selbsthilfe

27.06.2023 von

Die Hamburger E.W. Kuhlmann-Stiftung fördert die TU Darmstadt mit 100.000 Euro. Das Geld soll für die Unterstützung Studierender eingesetzt werden – in Form von 20 Deutschlandstipendien, aber auch als zinslose Kredite, damit Studierende ihr Studium erfolgreich abschließen können. Hinter der Stiftung stehen der 93-jährige Edmund Kuhlmann und seine Frau Edith, die mit ihrem Vermögen jungen Menschen zu einem guten Start ins Berufsleben verhelfen wollen.

Mit einem Deutschlandstipendium werden Studierende finanziell unterstützt.

Edmund Kuhlmann weiß, wie sich finanzielle Not anfühlt. Er erinnert sich gut an die letzte Phase seines Studiums 1958, als seine Geldnöte so groß wurden, dass er fürchtete, seinen Abschluss nicht machen zu können. „Ich studierte an der Universität Hamburg Volkswirtschaft bei Professor Karl Schiller, der Bundeswirtschaftsminister und später Finanzminister wurde“, berichtet er.

Mit seinem Vater hatte sich Edmund Kuhlmann wegen politischer Meinungsverschiedenheiten schon vor längerer Zeit überworfen, doch als das Geld fürs Studium knapp wurde, musste er über seinen Schatten springen und seine Familie „anbetteln“, wie er sagt. Eine Situation, an die der 93-Jährige ungern zurückdenkt. Weil er verhindern möchte, dass junge Menschen heute ihr Studium aus finanziellen Gründen „hinschmeißen“, kamen er und seine Frau Edith vor über 15 Jahren auf die Idee, eine ganze Reihe von Studien-Abschluss-Hilfen ins Leben zu rufen.

„Ich war immer sozial orientiert“

Edmund Kuhlmann
Edmund Kuhlmann

Die E. W. Kuhlmann- Stiftung hat der gebürtige Wilhelmshavener nach dem Ende seiner beruflichen Karriere 1997 gegründet. Rund 30 Jahre hatte der Volkswirt zuvor als Verantwortlicher in der Sozial- und Personalabteilung der Hamburger Zentrale der British American Tabacco (BAT) gearbeitet und dort Errungenschaften wie die Altersversorgung der Angestellten eingeführt.

„Eine glückliche Hand“ bewies Edmund Kuhlmann nebenher auch an der Börse. Er machte ein Vermögen und mit Eintritt ins Rentenalter fragte sich das kinderlose Paar, „was wir jetzt mit dem Geld anfangen“. Der 93-Jährige stammt aus einer Quäker-Familie: „Ich war immer sozial orientiert.“ Auf Anraten seiner Bank gründete er die Stiftung, die zehn Jahre lang zunächst die gerade erst aufkommende Hospizbewegung in Deutschland unterstützte. Seit diese seiner Ansicht nach auf private Spenden nicht mehr in dem Umfang angewiesen ist, richtet sich der Blick des Stifters auf Studierende in finanziellen Nöten.

„Belohnung“ für erfolgreiche Abschlüsse

Kuhlmann und seine Frau riefen die Studien-Abschluss-Hilfe in Leben. „Eine Art Rettungsring für schiffbrüchige Studierende, die kurz vor ihrem Abschluss stehen“, sagt der an der Küste geborene Kuhlmann. Eine Hilfe zur Selbsthilfe. Die Stiftung gewährt fünf Jahre lang ein zinsloses Darlehen bis zu maximal 2.000 Euro. „Das war damals ganz neu“, berichtet der Förderer und betont, dass er an den Mikrokrediten nicht verdienen will. Das Centrum für Hochschulentwicklung, das seit Jahren die Qualität von Studienkrediten testet, bewertet die Darlehen denn auch mit „sehr gut“. Über tausend Studierende haben bislang diesen Beistand der Stiftung in Anspruch genommen.

Wer länger studiert und Unterstützung braucht, an den richtet sich das „Rollende Stipendium“, das sieben Jahre lang bis zu 12.000 Euro vorsieht. Edmund Kuhlmann bezeichnet diese Hilfe als „Rettungsboot“. Neu ausgeschrieben hat die Stiftung den Studienabschluss-Preis. Angenommene Bewerber:innen, die ihr Studium mit einem Bachelor abgeschlossen haben, erhalten einen Bonus von 500 Euro, Studierende mit Masterabschluss 1.000 Euro. Der Stifter versteht das als eine „Belohnung“ für erfolgreiche Abschlüsse. „Die Nachfrage ist riesig“, erzählt er. 2023 ist dieser Topf der Stiftung mit 30.000 Euro gefüllt.

„Nur Action bringt Satifaction“

Seit zwei Jahren hat die Stiftungen auch Universitäten deutschlandweit in den Fokus für Zuwendungen genommen. Zwölf Universitäten hat Edmund Kuhlmann für seine privaten Hilfen ausgewählt. Diese bekommen jeweils 100.000 Euro, von denen 36.000 Euro für Deutschlandstipendien eingesetzt werden sollen und die restlichen 64.000 für Studierendenhilfen wie sie die Kuhlmann Stiftung anbietet. Die TU Darmstadt, sagt der Stifter, hat er wegen ihres guten Rufes in den Kreis aufgenommen.

Die Stiftung verfügt über ein Sekretariat, aber die Anträge und Bewerbungen sichtet Edmund Kuhlmann alle noch täglich selbst. Er hat immer Freude am Organisieren und Verwalten gehabt und entscheidet meist innerhalb eines Tages. „Ich habe gelernt zu urteilen.“ Vor Studienbeginn hat er drei Jahre als Protokollführer am Gericht in Hamburg gearbeitet. Kuhlmann hat sich seinen Erfolg – auch seinen Studienerfolg -hart erarbeitet. „Ich war ein grottenschlechter Schüler“, sagt er. Zwei Mal fiel er durchs Abitur, hatte Stress mit dem bildungsbeflissenen Vater, der wollte, dass sein Sohn den höheren Schulabschluss schafft. Vater Karl Kuhlmann war Polizeibeamter beim Landeskriminalamt in Hamburg, Leiter des Bereiches Wirtschaftskriminalität und späterer Mitbegründer des Bundeskriminalamtes.

Der Sohn suchte sich mit mittlerer Reife die Stelle bei Gericht, „setzte sich auf den Hosenboden“ und holte nach Dienstschluss in Abendkursen an der Staatlichen Oberschule das Abitur nach. „Eine schwere Zeit“, sagt er. Studienabschlüsse hat Edmund Kuhlmann anschließend jedoch sogar gleich drei gemacht. Einen 1958 in Volkswirtschaftslehre, 1970 einen Abschluss in Sozialpädagogik und 1986 „mit über 50 Jahren“ in Philosophie – die letzten beiden neben seiner Berufstätigkeit. „Wir wohnten unweit des Campus“, erzählt er.

Kuhlmann ist zeitlebens ehrenamtlich und sozial engagiert. Er unterrichtete als Lehrbeauftragter Sozialpädagogik, hat als „grüner Herr“ des DRK Patient:innen im Krankenhaus besucht und fünf Jahre lang mit Kindern in der städtischen Kita als Hausaufgabenhelfer gearbeitet. „Nur Action bringt Satifaction“, lacht er. Vielleicht sein Rezept, um auch mit 93 noch so fit zu sein.