Notfall-WLAN – Netzwerk aus privaten WLAN-Routern

Informatiker der TU Darmstadt veröffentlichen Machbarkeitsstudie

10.09.2012 von

Private WLAN-Router sollen bei Katastrophen die Kommunikationsinfrastruktur von Ersthelfern verstärken und Zonen überbrücken, in denen Internet- und Mobilfunknetze ausgefallen oder zerstört sind. An dieser Idee forschen am Lehrstuhl von Professor Max Mühlhäuser an der TU Darmstadt die Mitarbeiter Kamill Panitzek und Immanuel Schweizer.

W-Lan-Router könnten im Krisenfall als Knotenpunkte für ein alternatives Helfer-Netzwerk dienen. Bild: Katrin Binner

Der Lehrstuhl Telecooperation forscht schon seit Jahren erfolgreich in den Bereichen Kritische Infrastrukturen und Kommunikation und Organisation von Ersthelfern im Katastrophenfall. In ihrer jüngsten Publikation [1] untersuchen Kamill Panitzek und Immanuel Schweitzer, ob sich private WLAN-Router prinzipiell zum robusten Aufbau eines so genannten Mesh-Netzwerks eignen.

Die Forscher schlagen vor, über ein Firmware-Update eine Art „virtuellen Notfallschalter“ in private WLAN-Router zu integrieren. Im Katastrophenfall kann dadurch in dicht besiedelten Gegenden, beispielsweise in Innenstädten, ein solches Mesh-Netzwerk aufgebaut und den Ersthelfern als Infrastruktur zur Verfügung gestellt werden. Die Router können dieses Netz sogar parallel zum üblichen Heimnetzwerk betreiben (ähnlich dem Gastzugang moderner WLAN-Router); die ‚Mesh‘-Eigenschaft macht es möglich, Datenpakete – auch für Sprache – von Router zu Router weiterzuleiten. Wird bei der Weiterleitung ein Router mit funktionierendem Übergang ins Internet erreicht, kann dieser ebenfalls genutzt werden.

Aber auch bei noch intaktem Netz kann die Netzabdeckung im Katastrophengebiet erhöht werden – bei fast allen jüngeren Katastrophen wurde das Mobilfunknetz nicht wegen Störung unbrauchbar, sondern wegen Überlastung. Das Mesh-Netzwerk kann hier überlebenswichtige Dienste leisten, ohne dass neue Infrastruktur ausgebracht werden muss.

Forscher untersuchten Robustheit der Notfall-Netzwerke

Um das Potenzial einer solchen Infrastruktur systematisch zu untersuchen, sammelten die Forscher mit Hilfe einer Anwendung für die Android Plattform Daten über WLAN-Heimnetzwerke in der Darmstädter Innenstadt – ohne die Privatsphäre der Anwohner zu verletzen. Auf den gesammelten Daten erforschten sie vor allem Fragen der Robustheit eines solchen Notfall-Netzwerks. Zuvor hatten die Forscher bereits öffentlich zugängliche Netzwerke mehrerer Städte auf der Welt für den gleichen Zweck untersucht [2].

Private WLAN-Router sind jedoch weitaus verbreiteter: von den 1971 in der neuen Studie untersuchten Routern waren nur 212 ohne Verschlüsselung d.h. offen zugänglich. Die neue Studie förderte noch bessere Kommunikationseigenschaften zu Tage als erwartet: von fast jedem Punkt der Stadt aus waren mit passenden Endgeräten die Router zu erreichen und bei Einführung des „virtuellen Notfallschalters“ wäre die Vermaschung der Router ausgezeichnet und robust.

Studien finden große Medienresonanz

Die Veröffentlichung der Forschungsarbeiten erzielte nicht nur in der Fachöffentlichkeit große Resonanz, sondern wurde sofort auch international in den Medien mit großem Interesse aufgenommen. Dort wurden auch Bedenken geäußert – für diese Probleme haben die Forscher aber teilweise bereits Lösungen, an weiteren Lösungsansätzen wird intensiv geforscht. So ist das Problem unabhängiger Stromversorgung keineswegs unlösbar und verbleibende Herausforderungen im Bereich der IT-Sicherheit bearbeitet die Gruppe von Prof. Mühlhäuser als Teil des international renommierten IT-Sicherheitsforschungszentrums CASED.

Publikationen

[1] Kamill Panitzek, Immanuel Schweizer, Dirk Bradler and Max Mühlhäuser „City Mesh – Resilient first responder communication“ in Proceedings of the 8th International Conference on Information Systems for Crisis Response and Management, 2011, 1-10. (wird in neuem Tab geöffnet)

Zum Weiterlesen:

Nachgefragt: Können private WLAN-Router zukünftig Rettungskräfte im Katastropheneinsatz unterstützen?